Bergbauhistorische Rundtour bei Potůčky (Breitenbach)


Publiziert von lainari , 5. September 2022 um 21:17.

Region: Welt » Tschechien » Krušné hory
Tour Datum:30 August 2022
Wandern Schwierigkeit: T2 - Bergwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: CZ 
Zeitbedarf: 6:00
Aufstieg: 300 m
Abstieg: 300 m
Strecke:11,5 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Auto oder Zug der ČD bis Potůčky/Zug der DB nach Johanngeorgenstadt
Kartennummer:1:50.000, KČT Nr. 4 Krušné hory Karlovarsko

Neue Erkundungen im Erzgebirge
 
Frühherbstliches Wetter lockt mich zu einer bergbauhistorischen Rundtour in das Böhmische Erzgebirge. Das heute zu besuchende Areal schließt sich in etwa an diese Tour von 2018 an. Zum Schluss einsame Nebenstraßen benutzend, fahre ich das idyllische Tal der Černá (Schwarzwasser) hinunter. An der letzten Kreuzung wird auf eine Sperrung des Bahnüberganges Potůčky hingewiesen. Aus der Vorbereitung weiß ich, dass es unmittelbar davor einen geeigneten Abstellort für das Auto geben wird, so fahre ich in diese Sackgasse hinein. Ich stelle das Auto ab und pirsche durch die noch verwaiste Bahnübergangsbaustelle in den Ort Potůčky (Breitenbach) hinunter.

Um 1570 ließ hier die Bergstadt Platten einen Eisenhammer errichten. Zum Ende des 16. Jh. begann ein Bergbau auf Silber und Kobalt. Nach dem Dreißigjährigen Krieg und der Gründung der benachbarten Stadt Johanngeorgenstadt, wo sich der größere Teil der Lagerstätte befand, blühte der Bergbau auf. Die meisten Bergwerke gab es Ende des 17. - Anfang des 18. Jahrhunderts, bereits zu der Zeit wurden die Abbaugebiete grenzüberschreitend verbunden. 1850 wurde Breitenbach eine selbstständige Gemeinde, zu der nun auch viele Siedlungen der Umgebung gehörten. 1857 verkaufte die böhmische Seite ihre Grubenanteile an die sächsische Gewerkschaft Vereinigt Feld am Fastenberg, die nun überwiegend Wismuterze gewann. Nach dem II. Weltkrieg überschlugen sich die Ereignisse. Zunächst erkundete und baute die Firma Jáchymovské doly n. p. (JD) oberflächennahe Uranerzvorkommen ab (Ausbeute 20 t Uran). Dann gewannen die Westböhmischen Erzbergwerke (ZRD) Bi-Co-Ni-Erze. Zwischen 1954-1957 baute die SDAG Wismut von DDR-Seite aus die tieferen Uranerzvorkommen auf tschechoslowakischer Seite ab, da man unter dem Fastenberg ohnehin die erforderliche Tiefe erreicht hatte und die Grubenfelder historisch verbunden waren (Ausbeute 185 t Uran). Zum Schluss wurden nochmals oberflächennahe Uranerzvorkommen im südlichen und östlichen Revierteil erkundet und abgebaut (Ausbeute 138,5 t Uran). Anfang der 1960er-Jahre kam der Bergbau schließlich zum Erliegen.

Ich gehe zum Bahnhof des Ortes, der an der 1899 eröffneten Bahnstrecke Karlsbad - Johanngeorgenstadt liegt. Zwischen 1945-1992 war der grenzüberschreitende Verkehr eingestellt, so dass Potůčky Endbahnhof war. Heute ist wieder ein grenzüberschreitender Personenverkehr eingerichtet. Vorbei am Bahnhof verlasse ich den Ort auf einem rot markierten Wanderweg. Nach kurzer Zeit erreiche ich den bewaldeten Gipfel der Rudná (Glücksburg Berg). Der Berg weist einen TP sowie einen Basaltsteinbruch auf. Zudem gibt es den Rest eines Wachturmes der einstigen tschechoslowakischen Grenzzone zu sehen. Nun mache ich einen kurzen Abstecher an die Grenze zu einem historischen sächsisch-böhmischen Grenzstein von 1672. Über den Gipfel folge ich kurz weiter dem rot markierten Weg. In Sichtweite beginnt linker Hand ein altes Zinnbergbaurevier mit einer recht großen Pinge. Am unteren Ende ist ein kleiner Querschlag des einstigen Abbaus erhalten geblieben. Das historische Abbaugebiet war etwa 750 m lang und bis zu 83 m breit. Jetzt steige ich über einen flach geneigten Hang weglos in das Tal des Baches Podleský (Streitseifner Bach) hinunter. Nach der Bachquerung gehe ich auf dem Fahrweg talwärts bis zur alten Papierfabrik. Auch heute wird hier noch Spezialkarton aus Altpapier manuell hergestellt. Am Hang oberhalb gibt es einen 700 m langen Mühlgraben, der nach dem ersten Besitzer Oskar Bauer auch Bauergraben genannt wird. Ich steige links am Hang hinauf und arbeite mich an den Graben heran, um ihm bis zum Einlasswehr zu folgen. Der spektakuläre Grabenlauf ist an vielen Stellen aus dem Felsen herausgeschlagen, es gibt zwei Tunnel und einige Schadstellen, zudem waren im Hang dahinter unter beengtesten Platzverhältnissen mehrere alte Bergbauanlagen vorhanden, die auch nach Anlage des Grabens zumindest partiell betrieben wurden (Uran-Erkundungsstollen No. 4 und Stollen Rudolph der Wismut-Grube Anna-Michaeli).
 
Am Einlasswehr des Grabens begann einst das Siedlungsgebiet der býv. osada Pila/Brettmühl. Die Siedlung bestand einst aus 7 weit auseinanderliegenden Gehöften. Die namensgebende Sägemühle stand unweit des heutigen Einlasswehres. Am Talhang oberhalb der Siedlung erfolgte an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert mit der Anna-Michaeli-Zeche ein recht ertragreicher Wismutbergbau. Zwischen 1883 und 1904 wurden 240 t Erz mit 1041 kg reinen Wismuts gewonnen. Über die zentrale Lichtung gehe ich zum Bach Černá (Schwarzwasser) und folge dem Ufer weglos talwärts. Später wechsele ich auf den Talweg. Eine Art Gewerbezone markiert die Reste der Urangrube Prinz Eugen der Jáchymovské doly. Wenig später bin ich zurück am Bahnübergang. Ich lege am Auto eine vorgezogene Mittagsrast ein, laste mein Gepäck ab und gehe nochmals in den Ort hinunter. Dort biege ich nach links und gehe am Hang hinauf. Hier befinden sich die Überreste des Schachtes Slovanka der Uranförderung. Nun gehe ich wieder abwärts und wechsele hinüber nach Joahnngeorgenstadt.

Der Ort wurde recht spät 1654 als letzte Bergstadt des Erzgebirges gegründet und von böhmischen Exulanten besiedelt. Unter dem dortigen Fastenberg befanden sich reiche Silber- und Kobaltvorkommen, die bis zum II. Weltkrieg abgebaut wurden. Den örtlichen Bergleuten war dabei ein seinerzeit nutzloses, unscheinbar grauschwarzes Gestein namens „Pechblende“ im Weg, das auf die Halden geworfen wurde. 1789 extrahierte der Chemiker Martin Heinrich Klaproth daraus eine neue Substanz, die er „Uranit“ nannte. Es wurde zunächst genutzt, um Glas und Porzellan zu verfärben. 1945 geriet der Ort sofort in den Fokus der Sowjets, die Uran zum Bau der Atombombe brauchten. Mit immensem Personalaufwand wurde in der Folge bis 1958 unter dem Decknamen „Wismut“ intensivster Uranbergbau betrieben. Man drang bis in eine Tiefe von 300 m vor und baute Strecken mit einer Gesamtlänge von unglaublichen 1000 km ab. Der Ortskern wurde wegen Bergschäden und dem Wunsch nach einem oberflächennahen Tagebaubetrieb, der nie zu Stande kam, abgerissen. Die Ausbeute an Uran lag inklusive dem schon genannten Ertrag aus dem tiefen tschechoslowakischen Revierteil bei 3770 t Uran. Die großen Abraumhalden, die auch Radongas abgaben, wurden erst nach der Wende saniert. Dies wird sicher noch nicht das Ende der Bergbaugeschichte darstellen, da auf den Halden auch noch heute dringend benötigtes Kobalt liegt, an dem die Sowjets seinerzeit keinerlei Interesse hatten.

Ich gehe zum Besucherbergwerk Frisch Glück „Glöckl“, wo die erforderliche Mindestzahl von 5 Personen kurz vor Beginn der nächsten Führung gerade zusammenkommt. Allein zwischen 1684 bis 1730 wurden hier 9 t Silber gewonnen. Um auch tiefer abbauen zu können, wurden unter Tage 3 Wasserräder von 12 m Durchmesser zum Zwecke der Förderung und des Pumpenbetriebes installiert. Der Bau der dafür erforderlichen 27 m hohen Radstube dauerte ganze 20 Jahre. Der Zusatz „Glöckl“ entstand dadurch, dass die Glocke auf dem Huthaus über ein Gestänge die Funktion des Wasserrades nach außen hin signalisierte. Durch die spätere Uranerzförderung sind im bei der Befahrung gezeigten Bereich außer der nahezu leeren Radstube leider keine Altbergbauspuren mehr sichtbar. Trotzdem lohnt sich ein Besuch. Anschließend laufe ich nach Potůčky zurück. Da am Bahnübergang gerade permanent mit einem Zweiwegebagger gearbeitet wird, muss ich einen Umweg nehmen. Nach einer kleinen Rast trete ich nun die Rückfahrt an.
 
Quelle/Infomaterial: Exkursionsführer der 9. Hengstererbener Montanwanderung
 
Die Erkundungszeit betrug inkl. der Befahrung des Schaubergwerks Frisch Glück 6 h. Die Tour ist größtenteils als T1 zu bewerten, die Begehung der gezeigten Bergbaurelikte und des Mühlgrabens als T2.

Tourengänger: lainari


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