Diese einfache Tour wäre eigentlich schnell beschrieben. Nach einer geruhsamen Nacht in der mit nur elf Gästen besetzten, schönen Capanna Tencia (hatte ein Viererzimmer für mich alleine) bin ich nach ausgiebigem Frühstück um halb acht Richtung Campo Tencia losmarschiert. Der ganze Aufstieg bis P2857 ist bestens markiert und sehr abwechslungsreich. Auf guten Wegspuren folgen immer wieder einige Kraxelstellen die dann wieder in Wandergelände übergehen.
Ab P2857 besteht die Möglichkeit den Gipfel via P2867 (Btta di Croslina) ohne Gletscherüberquerung zu erreichen. Da die Spur über den Gletscher bis P2974 gut ausah, entschloss ich mich für diese Route. Trotz bestem Wetter drückte sich aber bald eine hartnäckige Nebelbank auf den Gletscher. Kurz vor P2974 geriet ich dann im dichten Nebel, leider ohne Steigeisen, auf eine kleine Blankeisstelle. Das hat schon genügt um mich zu Fall zu bringen. Der Rest ging dann sehr schnell. Mein erster Gedanke war " shit happens." Der zweite Gedanke war "hoffentlich hauts mich nicht in einen auf dem Gletscher rumliegenden Felsbrocken rein."
Irgendwie habe ich dann reflexartig versucht, wie mir das in der Armee vor 37 Jahren beigebracht wurde, mich auf den Bauch zu drehen was mir dann auch gelang. Ob diese Theorie heute immer noch Gültigkeit hat weiss ich nicht. Auf alle Fälle konnte ich dann den Sturz unterhalb des sich in der Mitte des Gletscher befindenden Blankeisfeld, im wieder schneebedecktem, weniger steilen Gelände nach ca 150m stoppen.
Da ich auf Grund der warmen Witterung keine Handschuhe trug, sahen dann meine Hände sehr zerschunden aus. Meine erste, wohl etwas schockbedingte Reaktion war, ich muss meinen während des Sturzes verlorenen Stock und meine Mütze suchen, und den doch sehr nahen Gipfel doch noch besteigen. Die Mütze habe ich gefunden und den Stock im Blankeisfeld gesichtet. Er liegt immer noch dort.
Erst beim Wiederanstieg realisierte ich, wohl wieder etwas klarer im Kopf, wie stark ich blutete. So beschloss ich dann, ohne Gipfelerfolg in die Hütte abzusteigen. Mit meinen lädierten Händen wurde das in den Kraxelstellen eine eher mühsame Angelegenheit.
Auf der Hütte wurde ich dann vom sehr hilfsbereiten Hüttenteam bestens verarztet. Sie haben mir sämtliche Wunden bestens desinfiziert und verbunden. Nochmals recht herzlichen Dank ans ganze Team. Die Moral wurde dann mit einem kühlen Bier auch noch etwas aufgebessert.
Anschliessend noch Abstieg auf dem sehr schönen Hüttenweg nach Dalpe und mit Bus und Zug zurück nach Hause.
Was mir im Nachhinein immer noch zu Denken gibt, ist die enorme Beschleunigung die man auch auf einem nicht sehr steilen Gletscher bei einem solchen Sturz erreicht. Ich bin überzeugt das ein eventueller Seilpartner diesen Sturz nicht hätte stoppen können und mitgerissen worden wäre.
Folgen: Acht gestauchte, bis auf die Knochen abgeraspelte Finger. Etliche Prellungen im Hüftbereich.
Lehre: Würde nächstes Mal um diese Jahreszeit die Steigeisen mitnehmen oder über die Btta di Croslina aufsteigen.
In der näheren Zukunft muss ich mich wohl oder übel auf Touren die keinen Handeinsatz erfordern beschränken.
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