Walcherhorn, 3692m

Das Walcherhorn stand schon lange auf meiner Agenda. Das mag den einen oder anderen erstaunen, denn die Besteigung gilt als relativ einfach und das Gipfelchen erscheint in Anbetracht der umliegenden, viel berühmteren Berge als unbedeutend. Jedoch zu Unrecht, denn das Walcherhorn ist ein excellenter Aussichtsgipfel. Endlich ergab sich mal die Gelegenheit dazu; die Zwischensaison bietet sich dafür geradezu an.
 
Eine Anreise aufs Jungfraujoch ist für mich jedes Mal eine halbe Weltreise … Für diese Tagestour hätte ich mit PW um 4 Uhr morgens zum nächst grösseren Bahnhof fahren müssen, um den Treffpunkt auf dem Jungfraujoch zu erreichen. Aber das muss ja nicht unbedingt sein. Deshalb fuhr ich per ÖV bereits am Vortag nach Grindelwald. An diesem Sonntag-Nachmittag waren wohl alle draussen; jedenfalls waren kaum Leute im Zug, teilweise hatte ich einen Bahnwagon für mich alleine. Mir war’s recht …
 
Gemütliches Abendessen im Hotel, ausschlafen bis 6.30 Uhr …
Im Zug von Grindelwald hinauf auf die Kleine Scheidegg traf ich die anderen Teilnehmer; wir waren zu fünft plus Bergführer. Mittlerweile war ich schon viele Male auf dem Jungfraujoch, aber die Bahnfahrt hinauf ist immer wieder ein Erlebnis.
 
Die sonst überfüllten Bahnwagons waren auffällig leer. Ein paar Schweizer Touristen, wenig ausländische Gäste, eine Gruppe, welche den Mönch als Ziel hatte. Entsprechend auch dieselbe Szene auf dem Jungfraujoch: wo sich sonst hunderte von (vorwiegend asiatischen) Gästen tummeln, war heute gähnende Leere. Wer noch nie im Eispalast war, man hat ihn derzeit für sich …
 
Gstältli & Schneeschuhe anziehen, ca. 10.10 Uhr war Abmarsch in Richtung Mönchsjochhütte. Der Weg (bzw. «Autobahn») wird um diese Jahreszeit nicht mehr unterhalten, weswegen Anseilen von Beginn weg angesagt war. Zumindest eine riesige Gletscherspalte war unübersehbar …
 
Danach hinunter auf das Ewigschneefäld; eine scheinbar endlose Gletscherweite; der Name ist Programm. Die Temperaturen sind angenehm, teilweise fühlt es sich sogar heiss an. Dies galt natürlich nicht für den Abschnitt, wo man sich im Schattenwurf des Trugberges befindet; da kann es sofort wieder eiskalt werden …
 
Kein Mensch weit und breit, nur das Schnee-Knirschen ist zu hören. Einfach nur die phänomenale Landschaft geniessen …
 
Nach der Überquerung des Ewigschnefälds erreichten wir mit den südlichen Begrenzungsfelsen den Einstieg. Gleich zu Beginn war’s relativ steil; die Steighilfe war willkommen. Danach folgte eine etwas unangenehme Traverse. Wenn es denn auf dieser Tour eine Schlüsselstelle gibt, dann wohl hier.
 
Während des Aufstieges ständig im Blickfeld: Trugberg & Mönch. Vor allem der Mönch hat es mir angetan; meiner Meinung nach hat man vom Walcherhorn den schönsten Blick auf den Mönch. Insbesondere kommt aus dieser Sicht der lange Gipfelgrat schön zur Geltung.
 
Nach insgesamt knapp 3 Std. (inkl. diverser Pausen) hatten wir schliesslich den Gipfel des Walcherhorn (3692m) erreicht. Ein eindrückliches, gewaltiges Panorama eröffnet sich einem: die Fiescherhörner sowie Grosses Grünhorn, Schreck- und Lauteraarhorn, dahinter das Dreigestirn Wetterhorn, Mittelhorn & Rosenhorn, der Eiger und Mittellegigrat, etc. – einfach phantastisch!
 
Auf dem geräumigen Gipfel genossen wir eine ausgiebige Rast, bevor es wieder an den Abstieg ging. Zurück auf demselben Weg, wobei wir auf dem Ewigschneefäld einen Umweg in Kauf nahmen, um länger an der Sonne gehen zu können. Der Trugberg warf bereits seine langen Schatten …
Der Wiederaufstieg zum Obers Mönchsjoch bereitete keine Probleme. Anschliessend stapften wir (in einem weiteren, kleinen Umweg) im schönsten Pulverschnee zurück zum Jungfraujoch.
 
Herrlich war’s bei diesem Kaiserwetter!
 
Fazit:
schöner geht nicht! Eine wahre Genusstour, nicht allzu anstrengend, dafür einsam in einer phantastischen Landschaft unterwegs. Mit der richtigen Ausrüstung hätte ich heute wohl Kalender-Fotos für die nächsten 5 Jahre schiessen können … Zudem Einsamkeit pur: ausser uns war heute niemand in dieser Region unterwegs …
 
Bemerkungen:
Wenn nicht als Sommer-Tour geplant, ist dieser Gipfel eigentlich prädestiniert für eine Schneeschuhtour. Als Skitour eher wenig attraktiv, denn sie würde nur wenige Abfahrtsmeter beinhalten, dafür unangenehme Traversen.