Pizzo Rotondo (3.192 m) im Sommer


Publiziert von panodirk , 12. August 2020 um 08:30.

Region: Welt » Schweiz » Tessin » Bellinzonese
Tour Datum:27 Juli 2020
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: III (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-TI   CH-VS   Gruppo Pizzo Rotondo 
Zeitbedarf: 9:00
Aufstieg: 1600 m
Abstieg: 1600 m
Strecke:10,5 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:All'Acqua liegt an der Nufenenpassstraße und hat eine Postauto-Haltestelle.
Unterkunftmöglichkeiten:Capanna Piansecco, wenn man morgens ein paar Höhenmeter sparen will.
Kartennummer:SLK 1251 Val Bedretto

Vorbemerkungen
Ich schreibe ja nicht oft Rezensionen auf hikr, doch als ich letztends meine Tour auf den Pizzo Rotondo recherchierte, fiel mir auf, dass es fast keine brauchbaren Sommerbeschriebe gab.
Um gleich vorweg mit allen Mythen aufzuräumen: Der Pizzo Rotondo ist im Sommer ein extrem einsamer Berg und er ist schwierig und nicht ungefährlich; ich vergebe mit bestem Gewissen ein sattes T6; es gibt so viele T5-Gipfel, die viel einfacher sind und auch ein Dent de Folliéran ist nicht einfacher als dieser Berg!
Dennoch mag ich diesen Berg auch im Sommer empfehlen, es muss nur jeder wissen, worauf er sich einlässt.
Wer nicht alleine unterwegs ist, nehme bitte einen Helm mit. Ich habe noch nie so viele Steine losgetreten, die in ganzen Schutthalden zu Tal rauschten, wie an diesem Tag! - Wer allerdings alleine unterwegs ist, braucht nicht auf Mitstreiter zu hoffen (die gibt es nicht) und kann den Helm im Tal lassen...
Nicht umsont hat Fredy Joss auf diesen Berg in seinem Führer verzichtet. Und ob Bruno Müller für seinen Zentralalpen-SAC-Führer selber dort oben war und T5 als Bewertung verteilt hat, zweifel ich an.

Die Tour
Nun, von vorne:
Aufbruch in All'Acqua (1.615 m), in etwas über 30 Minuten hat man auf bestens ausgebautem Weg die Capanna Piansecco (1.980 m) erreicht. Dort zweigt bald vom Wanderweg nach rechts ein recht gut ausgebauter Weg in Richtung Alpe Nuovo ab. Auf ca. 2.300 m verliert sich der Weg und hier lohnt es sich, nach Steinmännern Ausschau zu halten: Denn ein zunächst unterbrochender, aber später sehr deutlicher Weg führt über den Moränenrücken östlich von Punkt 2.491 m bis weit hinauf - fast in die Nähe des Passo di Rotondo (1h45 von der Hütte).
Am Passo di Rotondo hat man auch gleich die Qual der Wahl: Nimmt man den Winterweg über das steile Hauptculoir direkt zum Gipfel (angeblich auch als Abstiegsweg geeignet) oder wendet man sich dem Passo di Ruino zu? - Im Sommer scheint der Passo di Ruino erste Wahl zu sein und so geht es auf immer instabileren Steinblöcken bis an den Steilaufschwung. Der beste Weg führt wohl direkt in den niedrigsten Einschnitt. Dem bin ich auch gefolgt und nach einiger Bastelei habe ich auch ein Couloir gefunden, das halbwegs gangbar war. Das oft zitierte Fixeil ist nicht mehr vorhanden (oder ich habe es nicht gefunden)! Aber Vorsicht: Das Gelände unterhalb des Passo di Ruino ist sehr steil und extrem brüchig. Wer keine Schneeauflage vorfindet und sich in T5-T6-Gelände nicht wohlfühlt, hat hier eine sehr schlechte Zeit! Ich habe hier sehr viel Zeit verbrannt; wer sich nicht so blöd anstellt wie ich, kann diese 200 Höhenmeter auch in weniger als einer Stunde bewältigen - trotzdem T6.
Am Passo di Ruino beginnt der zunächst waagerechte Grat zum Pizzo Rotondo. Dieser waagerechte Grat ist an einigen Stellen ausgesetzt und dabei auch noch instabil; eine reine Freude! Man verbrät Zeit ohne Ende!
Nach diesen Stellen kommt die Schlüsselstelle: Ein steiler Kamin ohne gute Griffe (III (T6)). Für jemanden wie mich, der so etwas nicht gehen kann, gibt es Umgehungen in extrem bröseligem und exponierten Gelände (T6)! Vorsicht!
Danach wird die Tour endlich zu der erhofften T5er-Genusstour: Der Grat wird immer stabiler und in anhaltender Ier- und IIer-Kletterei turnt man anregend immer weiter hoch. Ab 3.100 m weicht man öfter in die W-Flanke aus; das gilt insbesndere für die imposante Gipfelflosse, die auf der Westseite einfach erklettert wird (I) - 1:00 bis 1:30 vom Passo di Ruino.
Der Gipfelbreich ist schmal, aber jemand hat schon mal eine Schlafstatt für ein Gipfelnickerchen eingerichtet, welches ich dann auch in vollen Zügen genossen habe. Leider hatte ich ein paar zuviele Wolken für einen angekündigten hemmungslos sonnigen Hochsommertag in der Schweiz!
Bruno Müller will mich im Abstieg durch das Hauptcouloir schicken, doch ich mag nicht. Das sieht alles viel zu steil und bröselig aus. Ich hätte gerne mal Feedback von jemandem, der das Couloir im Sommer heruntergeturnt ist! Also für mich heißt das: Abstieg auf gleichem Weg!
Der Abstieg an der Schlüsselstelle war noch einmal eine echte Mutprobe: Diese bröselige Gelände mit Ausrutschgefahr macht nicht wirklich Spaß! Ich habe dann noch fix den Poncione di Ruino mitgenommen (es sind ja nur 20 Höhenmeter), um dann das Couloir nahe des Gipfels herunterzurauschen. Doch auch dieses scheinbar flachere (sehr witzig, hier den Begriff 'flach' im Kopf zu haben!) Couloir ist kein Filetstück: es weist zwar keine Kletterstellen auf, aber es ist durchgehend extrem steil und rutschig: Bergab mag das noch halbwegs gehen, bergauf darf man hierher nicht ausweichen. Auch bergab ein weiteres T6-!
Endlöich ging es wieder über Schneefelder hinab in normales Gelände. Im Abstieg habe ich dann auch den guten Weg gefunden, den ich eingangs erwähnt habe. Der Rest ging dann zügig und angenehm wieder bergab!

Tourengänger: panodirk


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Kommentare (3)


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tenor hat gesagt:
Gesendet am 12. August 2020 um 21:47
Coole Tour....und danke für den kurzweiligen Bericht!

Califfo hat gesagt:
Gesendet am 19. August 2020 um 20:40
Vielen dank für deine Beschreibung, ich habe heute dieslbe tour auch unternommen inklusive Poncione di Ruino vor dem Absteig. Mein Bericht wird folgen.

panodirk hat gesagt: RE:
Gesendet am 19. August 2020 um 21:49
Ich freue mich auf deinen Bericht. Ich bin gespannt, ob du meinem T6 zustimmst! - Wie beurteilst du die Schlüsselstelle?


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