Matterhorn und Zinalrothorn - mein Lebenstraum geht in Erfüllung


Publiziert von Condoriri , 22. Mai 2020 um 21:55.

Region: Welt » Schweiz » Wallis » Oberwallis
Tour Datum:31 Juli 2019
Hochtouren Schwierigkeit: ZS+
Klettern Schwierigkeit: III (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-VS   I 
Zeitbedarf: 4 Tage

Obwohl mein Gipfeltag bereits über 9 Monate her ist, schwebe ich immer noch auf Wolke 4.478 und ich möchte einfach meine subjektiven Eindrücke widerspiegeln :o) Tipps vor allem für Hikrs & Leser, denen das Matterhorn eigenverantwortlich auch eine Nummer zu groß ist.

Das Matterhorn begleitet mich seit meiner Kindheit, die ich am Rand der Schwäbischen Alb verbrachte und wo ich heute auch noch lebe. Das 1. Mal sah ich "s´Horu" live beim Familienurlaub in Grächen 1989 und ich war damals stolz, dass ich mit dem Seetalhorn meinen 1. 3.000er besteigen durfte. Die bestiegenen Berge wurden mit den Jahren mehr und auch der Wunsch, einmal im Leben auf dem Matterhorn zu stehen wuchs stetig und war bei allen Bergaktivitäten irgendwie immer im Hinterkopf. Ich stellte mir immer wieder vor, wie die letzten Schritte zum Gipfel wohl sein würden.
2008 fuhr ich dann motiviert und erwartungsvoll nach Zermatt und bestieg mit Bergführer zuerst das Rimpfischhorn zur Akklimatisation und ich wollte dann aufs Matterhorn - mir wurde bescheinigt, dass ich fürs Matterhorn geeignet wäre. Abends am Zeltplatz sah ich damals immer wieder hoch zum Hörnligrat und je weiter meine Blicke zum Gipfel wanderten, desto stärker wurde das bedrückende Gefühl, dass ich Angst hatte und mir nicht vorstellen konnte, dort am übernächsten Tag hinaufzuklettern. Kleinlaut packte ich mein Zelt und reiste ab... verflixt nochmal, es hätte so schön sein können.

Die Jahre vergingen, ich war eigenständig auf rund 20 weiteren 4.000ern, einem 6.000er in Bolivien und vielen 3.000ern... und wer begleitete mich dabei immer? Genau, das Matterhorn.

Im Internet sah ich dann vor rund 5 Jahren die Bilder des Steirischen Bergführers Paul Sodamin - seine Gäste lachten auf den Bildern und die Tour sah nach Genuß aus. Ich knüpfte zarte Bande zu ihm und verfolgte immer wieder die schönen Bilder und mein Entschluß stand fest - wenn Horu, dann mit ihm.

Anfang des Jahres verabredeten wir uns auf Anfang August in Zermatt. Mein Wunsch war es, zuerst das Zinalrothorn und dann das Matterhorn anzugehen. Als "Flachlandtiroler" macht eine Akklimatisation durchaus Sinn und nachdem ich ein paar Tage zuvor im Ötztal am Brandenburger Haus war, reiste ich am 31. Juli nach Zermatt.

Wir trafen uns in Herbriggen und ich war so froh, dass mein virtueller Eindruck von Paul auch in der Praxis passte. Freundschaftlich, fürsorglich, lustig - diese Harmonie sollte auch in den kommenden 4 Tagen weiter bestehen.

Die Touren sind ausreichend beschrieben und ich bleibe einfach dabei, meine Eindrücke zu schildern. Aufgrund der Triftbach-Flut in den vergangenen Tagen mussten wir zur Rothornhütte einen kleinen Umweg in Kauf nehmen und ich freute mich, dass ich nun auch diese Seite von Zermatt kennenlernen durfte. Wahnsinn. Das Wetter war gut, das Essen auch und die Vorfreude aufs Zinalrothorn nahm zu... kleines Fragezeichen - wie würden Paul wohl meine Kletterkünste gefallen und wie würde ich mit der Ausgesetztheit an der Biner-Platte und Kanzel zurecht kommen? Fazit: Es hätte nicht schöner sein können und nach genau 4 Stunden standen wir auf dem Zinalrothorn. Unglaublich - ich hätte vor Jahren nie geglaubt, dass ich dort einmal stehen darf. Es machte unheimlich Spaß einfach zu klettern und dabei die Landschaft und neue Perspektive aufs Wallis zu genießen. 2.600 m tiefer marschierten wir dann in Zermatt ein und wir nächtigten auf dem Zeltplatz in Randa.

Für den nächsten Tag war eine durchziehende Kaltfront angesagt und es begann bereits morgens zu regnen. So ein Scheiß... für den folgenden Gipfeltag war wieder schönes Wetter vorhergesagt doch würde es viel schneien??? Kommt echt die Sonne??? Mist! Das Besondere für mich war, dass Paul und ich dann zwei Stunden im Hotel Post saßen und x Pläne für den nächsten Tag durchspielten. Einen Tag verschieben? Doch am Samstag war die Hütte schon belegt. Über den Liongrat? Die Carellhütte muss seit 2019 ebenfalls reserviert werden und sie hatten auch keinen Platz mehr. Schwarzsee? Auch voll... und dann fiel die Entscheidung, dass wir einfach später losgehen und Räder mitnehmen, da wir die Gondel nicht mehr erreichen würden. Perfekt - so machten uns beim Hüttenzustieg auch Regen und Graupel nichts aus. Von der Hörnlihütte war ich positiv überrascht (Empfang, Freundlichkeit, Essen+++, genereller Ablauf) und mit kleinen Fragezeichen, ob denn unsere Taktik aufgehen würde, ging ich ins Bett. 

Am nächsten Morgen saßen wir mit zwei anderen Horu-Aspiranten (Führer und Gast) beim Frühstück und wir machten uns um 7:30 Uhr auf den Weg. Blauer Himmel, das Eis auf der Hüttenterrasse begann bereits zu schmelzen und wir waren alleine. Einfach nur schön und die stetige Kletterei war überraschend flüssig... 1. Couloir, Eseltritte, Untere Mosleyplatte... ich durfte alles live erleben und Paul nahm sich immer wieder Zeit, unseren Tag in Bildern festzuhalten. Weit unterhalb der Solvayhütte kamen uns bereits viele Umkehrer entgegen. Zu kalt, zu windig, zuviel Schnee und Eis. Wie würde es bei uns sein?
Unterhalb der Schulter montierten wir die Steigeisen, bevor wir auf der Schulter die letzten Menschen am Berg passierten - ab nun hatten wir das Matterhorn für uns alleine. Es war fast warm und der Wind hatte sich gelegt. Wir stiegen höher und auch die oberen Fixseile sahen auf den 2. Blick gar nicht mal so steil aus. Am intensivsten war für mich der Moment, als ich den Heiligen Bernhard das 1. Mal sah... unbeschreiblich und die Freudentränen samt Geschluchze dauerten bei mir wieder einmal bis kurz vorm Gipfel. Paul lies mir den Vortritt und ich war einfach unendlich glücklich, dass ich an so einem Tag meinen Lebenstraum live erleben durfte.

Es stimmt, auch der Abstieg erfordert wiederum volle Konzentration und dank Pauls professioneller Hilfe und den präzisen Ansagen meisterten wir auch das ohne Hektik oder Streß. Ich habe alle Hochachtung vor der Arbeit der Bergführer und glaube, dass sie noch viel mehr Wahrnehmen, als uns Gästen überhaupt bewusst ist.

Dank der deponierten Räder rollten wir vom Schwarzsee gemütlich hinab und in der Dämmerung fuhren wir in Zermatt ein. Perfekt, wenn ein Tag am Matterhorn so endet.

Ich denke, dass ich ein durchschnittlicher Bergsteiger bin, der hin uns wieder auch die hohen Berge in den Westalpen aufsucht. Das Matterhorn - eigenverantwortlich - war für mich nie wirklich realistisch und ich würde es wieder mit Bergführer machen. Meine gewählte Kombination mit dem Zinalrothorn zum Auftakt war für mich ebenfalls die richtige Wahl und die Hauptschwierigkeiten liegen vor allem, wie so oft beschrieben, in der Wegfindung und in der zunehmenden ernsthaften Ausgesetztheit der Tour. Es ist einfach überall steil und es geht weit hinunter. Ich möchte mir nicht vorstellen, wie es ist, wenn man allein und ausgelaugt im Abstieg jeden Schritt überlegen und suchen muss und dann doch in der bröseligen Sackgasse steht.

Zur Vorbereitung: Die Kondition und Kraft trainierte ich durch mehrere Bergläufe in der Woche (in der Regel zwischen 300 und 600 hm). Klettern an den heimischen Felsen und dazu lange Tagestouren bis T6 (z.B. Patteriol, Trettachspitze, Dremelspitze, gesamte Nagelfluhkette Mittag bis Hochhädrich) in den Nordalpen. Im Februar stellte ich dann fest, dass ich nicht mal zwei Klimmzüge ohne weiteres hinbekomme und so erweiterte ich mein Training durch diese alte Übung in Verbindung mit unzähligen Liegestütze und was mir sonst noch eingefallen ist. Die oberen Fixseile in Verbindung mit konzentrierter Beinarbeit waren aus diesem Grund überraschend einfach (vielleicht waren es aber auch irgendwelche körpereigenen Glückdrogen, die mich nichts spüren liesen).

Auch das ist nichts Neues: Alles in allem, sollte sich jeder, der Zweifel an seinen Fähigkeiten (Wegfindung, Kletterei, Ausgesetzheit, usw.) hat, am Matterhorn einem Bergführer anvertrauen.

Viele Grüße & Berg Heil
Jens

Tourengänger: Condoriri


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