Höhenwanderung über dem Vergaldner Tal mit ungewolltem Adrenalin-Kick am Mittelberg-Nordgrat


Publiziert von marmotta , 16. Juli 2009 um 01:30.

Region: Welt » Österreich » Zentrale Ostalpen » Silvretta
Tour Datum:12 Juli 2009
Wandern Schwierigkeit: T3+ - anspruchsvolles Bergwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: A 
Zeitbedarf: 6:00
Aufstieg: 1200 m
Abstieg: 1200 m
Strecke:Gargellen-Vergalda - Vergaldner Alpe - Heimbüheljoch - Kuchenberg - Vorderberg - Vergaldner Joch - Mittelberg - Vergaldner Tal - Vergalda
Zufahrt zum Ausgangspunkt:mit PW nach Gargellen, Ortsteil Vergalden. Begrenzte Parkplätze beim Hotel Vergalda, ansonsten am südlichen Ortsende von Gargellen
Unterkunftmöglichkeiten:Hotel Vergalda oder beliebige Unterkünfte in Gargellen
Kartennummer:LK 1177 Serneus (1:25.000)

Vom Silvretta-Hauptkamm zweigt vom Hinterberg (2682 m) ein Seitenkamm nach Norden ab, der sich im Heimbühl (2540 m) und im Zwischenspitz vor der Heimspitze (2685 m) gabelt und dann über das Skigebiet "Silvretta Nova" ins Montafon abfällt. Die Überschreitung des gesamten Kamms zwischen Vergaldner und Garneratal zählt zu den schönsten Höhenwanderungen der westlichen Silvretta.

Obwohl die Wetterfrösche zumindest für den Vormittag noch Sonne versprochen hatten und sich erst am Nachmittag hohe Wolkenfelder ausbreiten sollten, fielen bereits bei unserer Ankunft im Gargellener Ortsteil Vergalden die ersten Regentropfen vom bedeckten Himmel, was uns dazu veranlasste, erst einmal einen Kaffee im Hotel Vergalda zu trinken. Mit dem PKW kann bis zum Hotel Vergalda auf ca. 1550 m hinaufgefahren werden (Auto kann nach Absprache dort parkiert werden). Ansonsten beginnt die Tour in Gargellen (Parkplätze am südlichen Ortsende bzw. Bushaltestelle bei Anreise mit öV).

Das Wetter besserte sich nicht wesentlich, aber zumindest sollte es während des ganzen Tages mehrheitlich trocken bleiben und gegen Ende der Tour waren uns sogar sonnige Abschnitte mit blauem Himmel beschert. 

Von Vergalden marschierten wir zunächst auf dem Fahrweg in das durch eine artenreiche und schöne Bergflora beeindruckende Vergaldner Tal bis zur Vergaldner Alpe (1820 m, ca. 45 min ab Gargellen). Von dort auf markiertem Steig durch den mit Erlen und Alpenrosen bewachsenen, steilen Hang des Schafbergs zum Heimbüheljoch (ca. 2480 m, auf der LK nicht kotiert). Dort empfing uns zum einen ein empfindlich kühler Wind, zum anderen aber auch eine herrliche Aussicht auf die Berge der Silvretta und des Hochmontafons, die uns nun auf unserer Route nach Süden über den Vergaldner Grat während Stunden begleiten sollte.

Der erste Abschnitt vom Heimbüheljoch zum Matschuner Jöchli ist nicht mehr "offiziell" markiert und ausgeschildert. Es finden sich jedoch noch zahlreiche verblasste Zeichen der alten Wegmarkierung (rot-gelber Kreis). Man folgt -immer mehr oder weniger auf dem Kamm, grossen Blöcken und Felsen ausweichend- den Wegspuren. Auch wenn der "offizielle" Weg vom Heimbüheljoch hinunter zum Matschuner Joch nach Osten mit anschliessendem Gegenaufstieg zum Matschuner Jöchli führt, ist die direkte Route über den Kamm für trittsichere Wanderer problemlos zu begehen.

Am Matschuner Jöchli (2423 m) trifft man wieder auf den rot markierten Wanderweg, der auf einer nun deutlicheren Wegspur über den Kuchenberg (P. 2522) und den Vorderberg (P. 2560) zum Vergaldner Joch (2511 m) führt. Von dort zweigt nach links (Osten) der Weg zur Tübinger Hütte ab, rechts geht es hinunter ins Vergaldner Tal und zurück nach Gargellen. 

Bis hierhin bewegen sich die Schwierigkeiten im moderaten T3-Bereich, die aussichtsreiche Höhenwanderung ist auch nicht besonders anstrengend. Da es bei mir aber anscheinend nicht ohne Abenteuer und Nervenkitzel geht, beschloss ich nun, da es erst früher Nachmittag war, die Überschreitung des Kamms bis zum Hinterberg und somit bis zum Silvretta-Hauptkamm fortzusetzen, während meine Begleiter langsam ins Vergaldner Tal absteigen und an der Vergaldner Alpe auf mich warten wollten. Allerdings sah der Nordgrat über den Mittelberg (2657 m) vom Vergaldner Joch aus ziemlich grantig und abweisend aus. 

Wie es der Zufall so wollte, unterhielten wir uns am Vergaldner Joch mit einem älteren Mann (mit Hund), der auf meine Frage, ob der Nordgrat zum Mittelberg durchgängig begehbar sei, meinte, dies würde zwar kein Mensch tun, wäre aber ohne Probleme machbar, lediglich der erste Grataufschwung würde mit Vorteil auf der Westseite umgangen. Diese Einschätzung wäre mir beinahe zum Verhängnis geworden...

Beim Versuch, den Grat von P. 2520 an direkt zu überschreiten, landete ich zweimal in einem "dead end", wo der Grat durch eine mehrere Meter breite Kluft unterbrochen war und zum nächsten Gratzacken senkrecht abfiel. So kam ich in den "Genuss", im heiklen T6-Gelände mit Kletterstellen im unteren III. Grad, an denen ich mich bereits im Aufstieg nur mit Mühe hochgezogen hatte (in der sicheren Annahme, damit den von unten leicht einsehbaren und unschwierigen Schlussaufschwung erreicht zu haben und den Berg über die sanfter abfallende Westseite zu verlassen) abzusteigen bzw. zu -klettern. Es gibt angenehmere Dinge im Leben...

Beim Gipfelsteinmann auf dem Mittelberg angekommen, bin ich froh, die Sache heil überstanden zu haben, und schwöre mir, mich nicht mehr blind auf die Meinung wildfremder Leute (auch wenn sie noch so erfahren aussehen) zu verlassen! 

Nach dem ungewollten Adrenalin-Kick, welcher mir der Nordgrat des Mittelbergs beschert hatte, verzichete ich auf den Hinterberg (der -wie auch der Mittelberg- alpinistisch völlig unbedeutend ist) und genoss stattdessen erst einmal die unglaubliche Rundumsicht bei trotz Wolkenfeldern besten Sichtverhältnissen. Vor mir lag der Silvretta-Hauptkamm mit seinem Traumpaar Gross Litzner (3109 m)-Gross Seehorn (3122 m), dem Plattenjoch mit dem nach Norden ziehenden,  wild zerrissenen Kamm über die Valgraggesspitzen zu Hochmaderer (2823 m) und Strikopf (2745 m) und direkt vor mir Kessispitze (2833 m) - Kessihorn (2744 m)- Westl. Plattenspitze (2883 m). Im Westen der mächtige Bergstock der Isentälli-Spitz (2873 m) und Rotbüelspitz (2852 m), dahinter in der Ferne das Madrisahorn (2826 m) und die hellen Kalkstöcke von Schesaplana (2965 m) , Drusen- und Sulzfluh. Und im Norden heben sich die gewaltigen Bergriesen des Verwalls hervor: Valschavieler Maderer (2769 m), Kaltenberg (2896 m), Patteriol (3056 m) und Kuchenspitze (3148 m) - Küchelspitze (3147 m). Und wie ich so all die schönen Gipfel betrachte, wird mir klar, dass der Sommer wieder einmal viel zu kurz sein wird, um all die pendenten Projekte durchzuführen... ;-) 
 
Der Abstieg vom Mittelberg erfolgte mühsam, aber unschwierig durch die Nordflanke über Blockwerk und Geröll und das eine oder andere Schneefeld ins Rotbühel-Kar und weiter weglos hinunter ins Vergaldner Tal. An der Vergaldner Alpe traf ich meine beiden Begleiter wieder und wir rundeten die schöne Tour bei Sonnenschein mit einer zünftigen Brotzeit (der frische Bergkäse ist sehr zu empfehlen!) und dem einen oder anderen Radler ab.

Hinweis: Die Schwierigkeitsangabe (T3+) der Tour bezieht sich ausschliesslich auf die Route Gargellen - Heimbüheljoch - Vergaldner Joch - Vergaldner Tal - Gargellen. Schwierigkeit der Überschreitung des Grats zwischen Vergaldner Joch und Mittelberg: T6, III - wobei die 2 letzten Gratzacken auf der Westseite in äusserst heiklem und ausgesetztem Gelände umgangen werden müssen. Die Route kann ich nicht zur Nachahmung empfehlen, die Besteigung des Mittelbergs, der hervorragenden Aussicht wegen hingegen sehr wohl, am besten vom Hinterbergjoch (2581 m) aus über die Westflanke. Da der Berg ein einziger Schutt- und Geröllhaufen ist, dürfte eine Besteigung im Winter mit Tourenski jedoch lohnender sein.  

Tour mit Jutta und Thorsten. Herzlichen Dank für die nette Begleitung!
  

Tourengänger: marmotta, nevada


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