Fluchtwandstiege mit Fluchtwand, Gerbingspitze und Dorn


Publiziert von rele , 14. November 2019 um 13:56.

Region: Welt » Deutschland » Östliche Mittelgebirge » Elbsandsteingebirge
Tour Datum:15 Oktober 2019
Wandern Schwierigkeit: T5 - anspruchsvolles Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: D 

Im Schmilkaer Kessel gibt es viele schöne und bekannte Stiegen (Starke Stiege, Rübezahlstiege, Rotkehlchenstiege, ...), die auch gut besucht sind. Ganz anders die Fluchtwandstiege: Hier hinein traut sich (offenbar wegen der fehlenden Sicherungen) die Mehrzahl der Urlauber nicht, und so erfreut sie sich eines weitaus geringeren Bekanntheitsgrades. Die perfekte Stiege also für den einsamkeitssuchenden, etwas kletteraffinen Wanderer!

Ausgangspunkt ist der Untere Terassenweg, auf dem sich der gesamte Schmilkaer Kessel auf äußerst anregende Weise umrunden lässt (T3). Wir biegen bereits im Aufstieg zur Starken Stiege auf diesen Saumpfad ein und genießen die vielseitigen Aus- und Tiefblicke. Will man möglichst direkt zur Fluchtwandstiege, geht man wohl am besten vom Heringsgrund die Heilige Stiege hinauf (dann rechts auf den Unteren Terassenweg), oder steigt den rechts vom Heringsgrund abzweigenden Kletterzustieg an, bis er auf den Unteren Terassenweg trifft (dann links). Wie auch immer der Zustieg: Ziel ist zunächst der Bereich des Weges, welcher unterhalb der Fluchtwand quert. Hier befindet sich gut sichtbar eine große Selbsthilfe-Rettungsbox am Weg.

Der gar nicht so offensichtliche Einstieg (wir mussten erst ein paar mal hin und her laufen) befindet sich wenige Meter rechterhand der Box bei einer einzeln stehenden Birke (Foto). Hat man diesen gefunden, ist alles Weitere relativ eindeutig; man folgt den ab und zu in den Fels gehauenen, ausgewaschenen Tritten. Die Stiege verläuft logisch entlang eines Risses, der sich zuerst kurz nach links, dann schräg rechts nach oben zieht. Die Kletterei ist anregend (UIAA I - II), etwas ausgesetzt und (leider) nur relativ kurz! Der Riss führt zunächst zu einem großen Abseilhaken kurz unterhalb des 'Pfadfinder', einem markanten Felsdorn (mit Gipfelbüchlein!). Dieser kann von mutigen Menschen (nicht von mir) mit etwas Kletterei mitgenommen werden. Auch der Gipfel der Fluchtwand selbst ist mit Kletterei im ersten Sachsengrad für Beherzte wohl seilfrei zu haben...

Wir hingegen wenden uns vom Pfadfinder halblinks weiter der nun deutlich leichter werdenden Stiege zu. Bald endet sie an einer mit Kletterzustiegspfeilen markierten Baumwurzel, es folgt ebenes Gehgelände. Der Pfeil weist nach rechts, in der Ebene hinter der Wenzelwand entlang in Richtung Reitsteig-Wanderautobahn. Doch am Beginn der Wenzelwand, nur wenige Meter hinter dem Stiegenausstieg, zweigt noch eine (im Gras zunächst kaum erkennenbare) Pfadspur nach links. Wir folgen ihr in westlicher Richtung auf eine kleine Felswand zu und unterhalb dieser aufwärts zu einem kleinen Sattel (rechterhand mit boofenartiger Höhle). Auf der anderen Seite führt der Pfad etwas hinab, quert kurz nach rechts und ersteigt in anregender Kraxelei (I) den einsamen Aussichtspunkt am 'Dorn': einem tatsächlich sehr dornigen, doch rückseitig relativ leicht (wenn auch ausgesetzt) ersteigbaren Felstropfen. Bei starkem Wind trauten wir uns nicht ganz hinauf (hat er ein Gipfelbuch?)... doch auch von unterhalb lässt sich die Aussicht trefflich genießen! Ein wunderschöner, einsamer Rastplatz.

Abstieg: Wieder zurück an der Fluchtwandstiege, folgen wir dem Pfad weiter in Richtung Reitsteig, wobei wir einen kleinen Felsturm links umgehen. Auf dem Reitsteig angekommen hat man die Qual der Wahl: Die nächsten Abzweige nach Schmilka sind in westlicher Richtung der Zurückesteig (zur Heiligen Stiege) oder in östlicher Richtung der Lehnsteig. Der direkte Abstieg zurück über die Fluchtwandstiege ist nur mit Seil wirklich empfehlenswert... Eine Abseilöse (laut Kletterführer 27m bis zum Wandfuß) ist in Abstiegsrichtung auf der rechten Seite kurz hinter dem Pfadfinder vorhanden.

Fazit: Vergleichsweise anspruchsvolle, eisen- und menschenleere Alternative zu den anderen Stiegen, die vom Schmilkaer Kessel aufwärts führen. Nicht bei Nässe, da keine Sicherungen, Absturzgelände -- evtl. Seil zum Sichern mitnehmen. Im Verhältnis zum Zu- und Abstieg leider nur kurz... doch lohnt das Drumherum ebenfalls! In Verbindung mit dem Dorn ein stilles Juwel in der Region.

Edit 2022: Ich war am 28.10.2022 endlich mal wieder dort (die markante Birke im Einstieg ist mittlerweile gefällt) und habe im Anschluss an die Stiege zunächst die Fluchtwand, einen erstklassigen Aussichtsgipfel, besucht: Die Kletterschwierigkeit entlang der Kletterroute Alter Weg ist mit dem I. Sachsengrad angegeben, in der UIAA-Skala würde ich eine II vergeben. Der Zugang erfolgt direkt am Ausstieg der Fluchtwandstiege (an der Wurzel mit den inzwischen stark verblassten Kletterzustiegspfeilen): Anstatt sich hier nach rechts ins ebene Gehgelände zu begeben, wenden wir uns nach links und steigen in die Schlucht zwischen Fluchtwand und Gerbingspitze hinein. Hier geht es über Blöcke aufwärts, bis wir unter einem großen Block in eine enge Höhle gelangen. Von hier gibt es zwei Ausgänge: Der gößere der beiden führt nach rechts wieder zurück in die Schlucht, von wo man über weitere Blöcke und eine kurze, etwas ausgesetzte Rippe nach links (Süden) zum letzten Kaminstück und damit der Schlüsselstelle gelangt. Der linke, deutlich unscheinbarere der beiden Höhlenausgänge führt direkt in besagten Kamin, gelangt jedoch von etwas weiter unten hier hinein, sodass man im Kamin noch etwas mehr aufsteigen muss. Direkt davor deutet die alte, noch recht gut lesbare Inschrift "Quetschklamm" auf das bevorstehende Vergnügen hin: Der Kamin ist unten sehr eng und (außer spärlichen, künstlich eingehauenen Tritten) recht glatt (UIAA II+). Nur nach einer längeren Trockenperiode wird man hier seine Freude haben... ohnehin ist ja das Beklettern nasser oder feuchter Felsen im Nationalpark nicht gestattet, um den weichen Sandstein zu schonen. Spätestens hier sollte man sich auch seiner groben Wanderschuhe entledigen und die letzten Meter im Fels in guter alter Sachsentradition barfuß begehen (falls man nicht zufällig Kletterpatschen im Gepäck hat). Sind die paar Aufstiegsmeter im Kamin überwunden, folgt nur noch ein Ausstieg nach rechts (Westen) zur bereits sichtbaren kleinen Gipfelerhebung. Das Gipfelbuch haben wir leider nicht gefunden (später las ich, dass es sich wohl auf einem Band südlich unter dem Gipfel befinden soll). Die Aussicht ist großartig und umfasst den gesamten Schmilkaer Kessel, das Elbtal und die Tafelberge im Süden, im Norden in unmittelbarer Nachbarschaft auch die beiden Gipfel Bonbon und Gerbingspitze. Der Abstieg erfolgt auf dem Aufstiegsweg bis zurück zum Ausstieg der Fluchtwandstiege.

Hat man bis hier noch nicht genug des Abenteuers, bietet sich noch ein Versuch an der Gerbingspitze an. Deren eigener Alter Weg ist schon aus der Schlucht zur Fluchtwand zu begutachten, jedoch aufgrund der 2015 zubetonierten Tritte (insbesondere ohne Kletterschuhe) anspruchsvoll: Der VII. Sachsengrad ist hier veranschlagt -- es sei denn, man hilft sich am Einstieg gegenseitig (eine sog. "Baustelle", dann sächsisch III). Den einfachsten Anstieg stellt die Nord-Süd-Verbindung dar (sächsisch II, UIAA II-III): Sie kombiniert den Einstieg des Nordwegs mit dem Ende des Alten Wegs. Dafür umgehen wir die Gerbingspitze (wie beim Zugang zum Dorn bereits beschrieben) und nähern uns ihr aus der Scharte von Norden. Wir gehen wenige Meter im Gras hinauf zu einer markanten Kaminschlucht und durch diese hindurch bis zum Ende, wo wir auf ein Kaminkreuz treffen. In etwa drei Meter Höhe führt der ursprüngliche Kamin weiter geradeaus. Hier gilt es sich nun hineinzuarbeiten, indem wir die drei Meter im Kaminkreuz nach oben klettern (Schlüsselstelle, UIAA II-III) und in den nun deutlich engeren Kamin übertreten. Durch diesen dann gerade hindurch (schmaler Körperbau hilft, ansonsten weiter gerade im Kamin nach oben) bis auf eine grüne Terrasse, von wo wir wieder auf die Fluchtwand und unseren dortigen Aufstieg blicken können (auf diese Terrasse hätte uns auch der Alte Weg geführt). Einmal umgedreht, nun entweder weiter im Kamin oder, wohl am einfachsten, über eine kleine Wandstufe links (UIAA II) nach oben zum Gipfel mit Buch. Auch von hier ist die Aussicht ähnlich eindrucksvoll. Der Abstieg erfolgt schließlich wieder entlang der Aufstiegsroute.

Tourengänger: rele


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Kommentare (7)


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Stefan_F hat gesagt:
Gesendet am 15. November 2019 um 14:13
Ich kann gut verstehen, dass man gern in der Sächsischen Schweiz wandert -zu schön ist dieses Gebirge. Macht das doch aber bitte auf Wanderwegen und nicht auf Kletterzustiegen und bitte propagiert nicht noch die Verletzungen der Regeln im Nationalpark. Wir alle wollen ihn noch lange betreten dürfen, oder?

Das Begehen eines Pfades mit „Sondermarkierung Kletterzustieg“ ist laut NPVO § 8 (1) Satz 10. in der Kernzone nur zur unmittelbarem Ausübung des Felskletterns gestattet. Im Satz 11. steht „im unmittelbaren Zusammenhang mit der Ausübung des Felskletterns“.
Laut Bekanntmachung des Sächsischen Staatsministeriums für Umwelt und Landwirtschaft über den Pflege- und Entwicklungsplan für den Nationalpark Sächsische Schweiz / Teil Bergsportkonzeption, Abschnitt Klettergipfel und -Wege sind Zustiegspfeile „Sondermarkierungen“ für die Zustiege zu den Kletterfelsen.


rele hat gesagt: RE:
Gesendet am 15. November 2019 um 16:26
Lieber Stefan,
ich möchte auf keinen Fall Andere zur Verletzung der Regeln im Nationalpark anstiften. Habe mich auch schon öfter selbst über so etwas geärgert (z.B. Youtube-Videos vom Thorwalder-Wände-Gratweg), kann deine Bedenken also sehr gut nachvollziehen. Daher ist es mir wichtig, hier klarzustellen, dass wir bei der hier beschriebenen Tour meines Wissens nach alle Regeln des Nationalparks eingehalten haben! Diese Tour verläuft in der Randzone, nicht in der Kernzone des Parks. In der Randzone ist auch Wanderern die Benutzung der Kletterzustiegswege ausdrücklich gestattet.
Zudem möchte ich anmerken, dass wir am Pfadfinder und dem Dorn ernsthaftes Freiklettern der dortigen Kletterrouten wenigstens versucht, wenn in diesem Fall auch nicht erfolgreich beendet haben. Ich gehe davon aus, dass auch in der Kernzone für die Free-Solo-Begehung einer Kletterroute die Benutzung der Kletterzustiege im Sinne der Nationalparkregeln wäre. Bitte sag mir, wenn Du das anders siehst.

Ilpirata hat gesagt: RE:
Gesendet am 25. März 2021 um 18:44
Hallo Stefan
in der genannten Bekanntmachung steht folgendes
1.1 Der NLP darf gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 11 Nationalpark-VO auf „ausgewiesenen Wegen und touristisch erschlossene Stiegen und Plätze“ betreten werden. Als solche gelten:

in der Kernzone alle im Gelände gekennzeichneten Wanderwege, Bergpfade und Kletterzugänge
außerhalb der Kernzone alle im Gelände vorhandenen (gekennzeichneten und nicht gekennzeichneten) Wege, soweit sie nicht ausdrücklich gesperrt sind. Außerhalb dieser Wege ist ein Betreten des NLP nicht gestattet. Die Kernzone auf der Grundlage von § 4 Abs. 2 Nationalpark-VO ist im Gelände ausgewiesen.

1.2 Die unter 1.1 genannten Wege haben vorrangig folgende Funktionen:

Wanderwege: Erschließung für Wanderer und Spaziergänger
Bergpfade: Erschließung für versierte Bergwanderer
Kletterzugänge: Erschließung für Bergsteiger, Zugang zu Kletterfelsen

Kletterzugänge (mit schwarzem Pfeil) dem zufolge auch für Bergsteiger. Die Definition für einen Bergsteiger nimmt uns zum Glück der DAV ab. dem zufolge ist ein Bergsteiger kein Kletterer. Sondern Bergsteigen wird als das Gehen von Klettersteigen oder Wegen im I und II Grad und/oder im hochalpinen Gelände und weglosem Gelände definiert.
des weiteren ist die Fluchtwandstiege im Kletterführer sächsische Schweiz sowie bei Sandsteinklettern.de als ein weg im ersten Grad geführt.
Nach meinen Erfahrungen setzt Kletterer dem Naturpark auch zu durch das erforderliche Rufen von Kommandos, aber auch weil kletter zum Mehrgenerationevent wird wie am Honigstein. Aus sind es mittlerweile sehr viele Kletterer.
Eon wesentlicher Punkt bei dem Wegkonzept ist auch die Haftung des Tourismus Verbandes.
Was ein Problem ist ist die Masse, die sich mittlerweile dort durch die Landschaft wälzt und keinen Achtung vor der Natur haben.
Gruß Carsten

riakiwi hat gesagt:
Gesendet am 23. April 2022 um 20:29
Vielen Dank für die Tourenbeschreibung, rele. Freu mich schon drauf, diese Tour bald mal zu machen.

Und lass Dich von Regelfüchsen hier nicht nerven.
Kletterer ist man nicht nur dann, wenn man ein Seil dabei hat. Ich hab hier keinen Kletterpartner - mein Heimatrevier ist der Wilde Kaiser - und mach deshalb alle meine Touren im Elbsandstein solo und ohne Seil. Und dann eben genau die Ier und IIer, die Du hier beschreibst, vielleicht mal nen IIIer im Kamin. Wenn mir jemand damit käme, dass ich kein Kletterer sei, weil ich nicht mit Seil zum Kletterfelsen gehe, dann nähme ich ihn nicht ernst. Denn Kletterer ist man, wenn man es kann. Und nicht, wenn man "als Ausweis" Kletterausrüstung mit sich herumschleppt.

rele hat gesagt: RE:
Gesendet am 24. April 2022 um 10:38
Danke Dir riakiwi! Was ich damals noch nicht wusste: Die Fluchtwand direkt oben an der Fluchtwandstiege ist auch ein Einser und offenbar sehr gut free-solobar. Kannst ja dann mal noch nen Kommentar oder Bericht drüber schreiben, der fehlt noch in hikr :)

riakiwi hat gesagt: RE:
Gesendet am 10. Mai 2022 um 23:29
War eine schöne Tour. Den Fluchtwandgipfel hab ich zwar nicht gemacht, aber kombiniert mit dem Rauschensteingipfel ist es eine schöne Runde geworden:
https://www.hikr.org/tour/post171451.html
Schöne Grüße und vielen Dank nochmal für Deine Beschreibung.

rele hat gesagt: RE:
Gesendet am 11. Mai 2022 um 13:48
Sieht super aus! Der Rauschenstein ist auch immer ne Besteigung wert :)


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