Die Jäger am Hang....Lichtgeflacker unterhalb der Cima di Piategn


Publiziert von Henrik , 20. September 2019 um 14:31.

Region: Welt » Schweiz » Tessin » Bellinzonese
Tour Datum:10 September 2019
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-TI 
Aufstieg: 50 m
Abstieg: 50 m
Strecke:Agriturismo Bertazzi
Zufahrt zum Ausgangspunkt:ÖV
Zufahrt zum Ankunftspunkt:ÖV
Unterkunftmöglichkeiten:Agriturismo Bertazzi sehr zu empfehlen Restaurant Marti in Osco definitiv geschlossen (Neu)
Kartennummer:Rauschen von der Autobahn in der Talsohle

 
... in den vergangenen Wochen habe ich mich immer wieder mal per Mail angemeldet und schliesslich abends wieder auch per Mail abgemeldet – ein Zustand, den ich unbedingt beenden wollte und so ergab es sich, dass ich unangemeldet ins Tessin aufbrach, um Fakten zu schaffen. Die Anfahrt nach Cavagnago bewegt sich zwischen 4 ½ und 6 ½ Stunden, sowohl mit Bahn/Bus sind längere Wartezeiten in Lavorgo unvermeidlich, es empfiehlt sich, die Fahrpläne genauestens zu erstellen und ggf. Pausen einzulegen – Mittag in Airolo oder nur ein Glas Wasser - Wartefrist in Lavorgo (dort steht in einer Rabatte der Brunnen mit dem Seehund) beträgt auch noch mehr als 5 Minuten, aber insgesamt unter 20 Minuten.
 
... im Denner in Airolo erstand  ich mir noch Mittagsverpflegung, traf nicht wie auch schon mal beinahe den mong, stattdessen hinterliess ich im Ufficio di Turisti bei Vanna (mit ihren knallroten Fingernägeln) und Adriana herzliche Grüsse. Dann meldete sich noch der Durst und die Toilette: beides liegt nahe beieinander – ein Glas Hahnenburger wurde mir auf den eichenen Tisch auf der Terrasse des Hotels-des-Alpes gereicht. Um 14.52 stieg ich ins Poschti – eine leere Metallhülse, Ziel Bellinzona.
 
... jede Fahrt eröffnet neues Sehen: entlang der Bahn entstehen neue Schutzmauern – durch die SBB, die Autobahn wird im Abschnitt Airolo – Quinto erneuert, in Ambri stehen noch mehr leere Häuser und in der Gola Piottino sind die Bauabschrankungen immer noch nicht entfernt worden. Kurz vor Faido wird orografisch rechts an einer Strassenerweiterung gebaut und in Lavorgo wurde der Bahnhof frisch geschweift (badischer Ausdruck für besenrein putzen). Lavorgo und Bodio sind vor Bellinzona die letzten „bemannten“ Stellwerke – ich als Laie kann mir das nicht erklären, dass Airolo seit Mitte August unbesetzt ist: die Geranien sind dort endgültig verschwunden.  Z. B. wird aktuell in Faido am Bahnhof gearbeitet: eine Stahltoilette ist eingebracht worden, mit frischer Farbe das Gebäude gemalt und seit einigen Wochen sind auch am Dach des Bahnhofs Arbeiten im Gange. Man rufe sich in Erinnerung: ab Fahrplan Dezember 2020 wird die SOB die Bergstrecke mit den TRAVERSOs bedienen...
 
... die Linie 124 bedient Sobrio als Endpunkt, orografisch links des Ticino. Es gibt Verbindungen schon ab Faido, andere erst ab Lavorgo: auf dieser Fahrt lege ich eine kleine Pause in Faido ein – die Servicedame im Hotel Faido spricht lupenreines Englisch, eine Einheimische, nein, sie komme des Verdienstes wegen aus Italien! Auch im Hotel Baldi ist eine Italienerin im Service, sehr gutes Englisch bringt auch sie mit und bei Bertazzis arbeitet auch eine junge Frau, die einwandfreies Englisch spricht, sie hat einige Zeit in Australien gearbeitet. Mich beeindruckt das...
 
... die serpentinenreiche Strassenführung hier und im gesamten Alpenraum lösen immer wieder Staunen aus! Die nach Sobrio erfährt und erfuhr in den letzten Jahren wiederholt Instandstellungen. Der Beton wirkt frisch! Und die Sicherheitsbeplankung auch. Dieser Bus wird auch als Schulbus eingesetzt, somit war ich diesmal nicht der einzige Fahrgast.

 
... zwischen Anzonico und Chironico verschwindet die Bahn in der Achterschlaufe, der Biaschina. Man sollte sich einfach hin und wieder bewusst machen, was selbstverständliche Verbindung eigentlich bedeutet. Allein der Gedanke einer Spitzkehre oder mehrerer an der Bergstrecke kommt mir immer wieder in den Sinn! Um halb fünf verlasse ich den Kurzbus in Cavagnago und klingle bei Bertazzis – Agriturismo. Das Angebot ist reichhaltig und umfassend und die Preise sensationell. Statt eines Mails, stehe ich nun dort. Und bin hoch beeindruckt. Absolut empfehlenswert und sicher schon lange kein Geheimtipp. Es wird eine integrierte Berglandwirtschaft betrieben, die bei allen angebotenen Mahlzeiten auch auf den Tellern wiederzufinden sind. Und das in hoher Qualität. Die Gastgeberin bäckt auch Kuchen noch kurz vor Mitternacht!


Der Rückgang des Strada-Alta-Tourismus ist eklatant: Allein auf der Passage Calonico – Anzonico – Cavagnago und Sobrio sind Unterkünfte bzw. Restaurants verschwunden! Das La Faura in Cavagnago gibt es schon etliche Jahre nicht mehr. Somit ist es als Besucher bei Bertazzis ein Gewinn mit am Tisch sitzen zu dürfen: mittags und abends. Die ÖV-Anbindung ist zwar gut, aber rar. Sich darauf einzulassen, erfordert ggf. Verzicht oder die Füsse gebrauchen oder sich anders zu organisieren. Dieser Ausflug hat den Fussgebrauch auf wenige  Schritte beschränkt – mir war wichtig, die Angebote in der Leventina für mich auf den aktuellen Stand zu bringen.
 
... am Montagabend, beim  Znacht ist uns am gegenüberliegenden Hang  ein Lichtgeflacker aufgefallen, mit Einheimischen am Tisch war sofort klar, wer in der Capanna d’Afata (1678 m) zugegen war: Jäger! Der Kopf wird angeregt und die Sinne gleichermassen. Imponierend, dieses andere Tessin, das Hang- und WildnisTessin.
 
... weniger imponierend der Nachtisch am Zmittag am Dienstag: der frisch von Hand gemahlene Kaffee legte mich lahm. Ich musste mich hinlegen, er warf mich förmlich zu Boden. Ich verblieb drinnen in der weitläufigen Wohnung – während es draussen zu tröpfeln begann.  Und bat die Gastgeberin am Abendtisch um einen Thermoskrug Lindenblütentee für die Nacht! Am Dienstagabend war unterhalb des Cima di Piategn kein Licht mehr zu erblicken...
 
... anderntags, der Mittwoch, ein strahlender Tag beginnt. Jetzt wollte ich zum Zmittag nach Osco fahren: zweimal umsteigen und erneut serpentinenreiche Strassen, Konstruktionen, die wie an den Hang geklebt erscheinen. Drei Reisende nach Lavorgo und ab Faido alleine im Bus nach Osco. Dort empfängt mich ein Zettel am Ristorante Marti, die Handynummer  für eine Zimmerbestellung, das Restaurant geschlossen, obwohl kein Wirtesonntag! Vor dem Gemeindehaus eine Bank, darauf setzte ich mich und klaubte mein Zmittag aus dem Rucksack. Die Sonne im Zenit, der Dorfplatz leer und am Rand dessen ein Brunnen aus Granit. Ein Handwerker kommt auf mich zu und verwickelt mich in ein kleines Gespräch. Um kurz vor 13 Uhr brummt das Postauto herauf – es bringt mich zurück nach Faido.
 
... ein anschliessende Heimfahrt schlage ich mir aus dem Kopf: jetzt kann ich noch jemanden eine Freude bereiten. In Airolo bei Denner hole ich zwei Eis-Cornets und begebe mich zum Touristenbüro an Gleis 1: Vanna’s und Adriana’s Augen strahlen. Adriana fragt nach, wie es bei Bertazzi war und wie in Osco – erstere kann ich uneingeschränkt loben und weiterempfehlen, letztere ein Trauerspiel... ist ihnen bekannt. Adriana möchte auch wissen, wer bei den Bertazzi längerfristig den Betrieb zu übernehmen gedenkt – aus den Gesprächen am Mittags- und Abendtisch gehe ich davon, dass Dario Bertazzi das sein wird: er hat in Landquart die Landwirtschaftschule erfolgreich abgeschlossen, spricht gut Deutsch und etwas Französisch. Cavagnago hat knapp 70 Ganzjahresbewohner – es hat auch Familien mit Kindern. Wie in Sobrio und Anzonico auch.
 
... der SAC will Verbindlichkeiten schaffen bei den Reservationen seiner Hütten, das ist auch in Airolo bei Adriana ein Thema!

Tourengänger: Henrik
Communities: Touren und Tafeln


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Kommentare (2)


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mong hat gesagt:
Gesendet am 21. September 2019 um 04:09
> ... im Denner in Airolo erstand ich mir noch Mittagsverpflegung,
> traf nicht wie auch schon mal beinahe den mong,

Wir haben uns verpasst, aber nur knapp.

Bis zum nächsten Mal!

Ich freue mich!

Gruss, Jerry

mong hat gesagt:
Gesendet am 22. September 2019 um 04:11
> ...mit Einheimischen am Tisch war sofort klar,
> wer in der Capanna d’Afata (1678 m) zugegen war...


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