Cerro Soray 5428m - abwechslungsreiche Route durch die Nordwand


Publiziert von alpensucht , 6. Dezember 2019 um 22:00.

Region: Welt » Peru
Tour Datum:10 Juli 2019
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Hochtouren Schwierigkeit: WS+
Klettern Schwierigkeit: III (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: PE 
Zeitbedarf: 3 Tage
Aufstieg: 1600 m
Abstieg: 1600 m
Strecke:Soraypampa - Basecamp Nordroute- Gipfel und retour
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Auf Panamericana von Cusco mit Collectivo oder Taxi bis Mollepata und Soraypampa // ca. 3h Fahrtzeit
Unterkunftmöglichkeiten:Lodges in Soraypampa, Unterkünfte in Mollepata, Basislager auf 4800m mit etwas Windschutz und einer Plane als Dach, oder gutes Zelt mitbringen!

Vorbereitungen für meinen ersten 5000er

Seit einigen Jahren hege ich den Traum, einen schönen, hohen Berg außerhalb der Alpen zu ersteigen. Vor über zwei Jahren waren wir in der Regenzeit in Peru, mehr um meine Schwester zu besuchen, als irgendwo herum zu klettern. Dennoch konnte ich bereits die Gegend Apurimac/Abancay im Süden Perus etwas kennen lernen und sogar einige einfache Touren unternehmen (4000er Grashügel im Andenhochland, Antennenberg Bike+Hike, Laguna Humantay in der Regenzeit) Diesmal stand wieder der Besuch meiner Schwester an – in der Trockenzeit! So war für mich die Gelegenheit gegeben den Wunsch zu erfüllen.

Zunächst musste das Körpergewicht reduziert und das Trainingspensum sukzessive erhöht werden. So verlor ich seit Ostern über 10kg und gewann an nötiger Fitness.

Dann musste ein Gipfelziel her. Nach einigen Recherchen zeigte sich der Soray als wohl bestmögliches Ziel in der Region. Laut skyhighandes-Bericht solle die Nordwandroute sogar solo machbar sein.

So allein auf einen so großen und wenig bekannten Berg zu steigen in einer Region, in der kaum eine Hand voll Menschen überhaupt ernsthaft klettern, war trotz der verheißungsvollen Berichte keine verlockende Idee. So ergab es sich, dass Verena, eine junge und starke Kletterin aus Österreich, die sich zur selben Zeit vor Ort aufhielt ebenso begeistert vom Soray war wie ich.

Nach langen detailliertem Austausch über einen Messengerdienst und grandioser Organisation aller Materialien und Fahrten konnten wir endlich ziemlich gut akklimatisiert (6 Tage Monte Rosa, Nächte in Cusco, am Chiquis auf 3900m und einen Tag am Regenbogenberg auf über 5000m) mit schweren Rucksäcken die 2,5h Fahrt nach Soraypampa angehen.

 

Mi, 10.07.2019 – Aufstieg ins Basislager 4800m    1000Hm/4km, T3, ca. 6h

Um 4:30 Uhr holen mich also Verena und unser freundlicher Taxifahrer an der Panamericana ab. Bis Mollepata dauert es etwa eine Stunde, wo man am Plaza de Armas (Ortszentrum) für 10 Soles p.P. Eintritt in das Gebiet erhält. Oberhalb führt der holprige Weg bis Soraypampa hinauf, Um 7:20 Uhr stehen wir aufgeregt bereit zum Aufbruch.
Zunächst laufen wir einige 100m durch die Ansiedlung voller Lodges und Hütten bis von links der Fluss Tucarhuay in den Rio Blanco einmündet. Davor überqueren wir letzteren nach links und nehmen den schmalen Pfad, der orografisch rechts vom Tucarhuay erst durch ein privates Gelände, dann am seichten Hang westlich talein führt.

Hinter uns taucht ein Guide zu Pferd mit zwei Gästen auf. Er checkt uns durch einige Fragen, ob wir gerüstet seien für den Soray. Seine Freunde gingen normalerweise den Ostgrat, der laut Berichten etwas schwieriger als die Nordwandroute sei. Zum Schluss warnt er uns noch im Vorbeireiten vor den Pumas da oben. Auch andere berichteten, oben seien Pumaspuren gesehen worden. Wir beruhigen uns damit, wir hätten ja drei Eispickel dabei. Was die Absicherung im Fels anbelangt sind wir eher zu reichlich ausgestattet.

Nach einiger Zeit überqueren wir einmal den Fluss nach N, weil auf der anderen Seite entspannteres Gelände und ein besserer Weg zu sehen ist. Schließlich wollen wir uns heute nicht unnötig verausgaben mit dem schweren Gepäck. Jenseits führt hier auch die Route um die Moräne rechts herum zur Laguna Humantay auf 4200m, einer sehr beliebten Touristenattraktion. Diese bekommen wir heute kaum zu Gesicht, da sie von der gewaltigen Moräne verdeckt wird. Umso mehr erfreuen wir uns an der gewaltigen 1700m Südwand des breiten Nevado Humantay (eigtl. Tucarhuay in Quechua), die uns in den nächsten 48h ständig begleitet.
Mit zunehmender Höhe der Sonne und des Geländes verlangsamen wir etwas unser Tempo und pausieren mehrmals kurz. 9 Uhr.
Gerade im Talschluss (auf etwa 4300m) halten wir uns länger auf, um dort die einfachste Route durch den steileren Hang links des Wasserfalls zu finden. Der stürzt aus der Ostflanke von P. 5398m ins Tal. Regelmäßig unsere Haut eincremen und viel Wasser trinken ist hier oben auch besonders wichtig.
Wir entscheiden uns dem Bachlauf zunächst nach Süden zu folgen, der vorn von links in wesentlich flacherem Gelände herunter fließt. Auch viel weiter rechts scheint es einen guten grasdurchsetzten Durchschlupf zu geben, wirkt aber von hier aus schon schwieriger.
So befinden wir uns mittags im steilsten Gelände für heute und steigen später sogar einen Moränenrücken etwas zu hoch hinauf bis auf knapp 4900m. Als wir dort keine Anzeichen eines Basecamps finden, steigen wir auf dem Kamm der Moräne 70m hinab - und sehen unten das kleine Camp mit der blauen Plane. Dahin gelangen wir schnell über Wegspuren im karg bewachsenen, schon verfestigten Moränenschutt.
13:15 Uhr
An Pumas oder ähnliches denken wir nicht mehr angesichts der Freude über den Windschutz und hinreichenden Platz für ein kleines Zweimannzelt. Der Aufbau gestaltet sich schwieriger, da der Boden erwartungsgemäß felsdurchsetzt ist. Die Heringe und ultraleichten Campingnägel taugen da gar nichts - viel mehr unsere Reepschnüre als Klemmknotenschlinge (Elbsandstein-Style) und einige rostige Nägel, die wir finden. So gelingt uns leidlich die Errichtung unserer mobilen Zuflucht vor Kälte und Wind. Wasser befindet sich keine 100m entfernt. Unserer geliehene Filter muss sogleich 6l liefern (ca. 45min) - wir gehen lieber auf Nummersicher, denn auch in dieser Höhe liegt noch überall Tierkot herum.
Das Sahnehäubchen des Basecamps definiert Verena mit einem schönen Boulder, quasi vom Zelteingang aus, über einen schützenden Block ca. 3m. Eine "Erstbegehung"? ;)
Am Nachmittag verschwindet die Sonne sehr schnell nordwestlich hinter den Nebenkämmen des Humantay und bald wird es sehr kalt. Wir packen nur noch unseren Tourenrucksack für den ersten Gipfelversuch, essen eine große Trekkingmahlzeit und legen uns mit Einbruch der Dunkelheit müde ins Zelt. Ich schlafe schnell mit meiner Daunenjacke im Daunenschlafsack ein. Nur einmal werde ich so halb wach, um mir die Kapuze vom Schlafsack über den Kopf zu ziehen.

Do, 11.07.2019 - Gipfelerfolg über Nordwand und NO-Grat 700Hm, WS+, III, 8h
Um 4:15 Uhr wollten wir wach werden, hörten den Wecker nicht, aber wachen dennoch 15min später auf, frühstücken etwas Müsli und beginnen mit Morgengrauen etwa um 6 Uhr den Zustieg zum vermeintlichen Gletscher.
Dieser hat sich allerdings so weit nördlich zurück gezogen, dass wir dessen Eis niemals berühren. Wir bewegen uns über Gletschervorfelder, Moränengelände und schuttige Gletscherschliffplatten bis etwas über 5100m. Zuvor nehmen wir uns sehr viel Zeit, den Abgleich zwischen der offensichtlich ziemlich veralteten Routenbeschreibung auf summitpost.org und den Tatsachen vor Ort vorzunehmen.

8:15 Uhr. An der steilen Felsflanke angekommen sehen wir, dass rechts einige Meter neben einem Kamin mit Klemmblöcken eine Verschneidung schräg rechts auf einen ersten Absatz führt. So entscheiden wir uns schnell für diese, vielleicht nie begangene Variante. Wir legen zwar alle Felsausrüstung an, lassen aber das Seil noch im Rucksack, da es zunächst nur im II. Grad beginnt. Die Verschneidung führt etwa 2 SL hinauf auf das schuttige Band. Das leitet nach links 1 SL hinauf zur nächsten Verschneidung. Die führt wieder rechts schräg hinauf (II-III, ca. 1 SL). Verena findet einige Meter links davon eine andere Verschneidung, die ebenfalls gut zu gehen ist.

Außer an den wenigen IIIer-Stellen, können wir uns auf größerer Geländebreite entscheiden, wo wir aufsteigen. Einiges erinnert an die Watzmann-Ostwand, ist nur alles viel kürzer. Die Schlüsselstelle bildet eine Kaminverschneidung (1 SL), an der man links kaum gute Tritte findet und deshalb gut Druck aufbauen muss. Mit größerem Rucksack ist es auch etwas eng. Danach steigen wir noch über teils schuttige Passagen und Reibungsplatten (I-II) ca. 3 SL bis zum Absatz und Beginn des Firnfeldes aus.

Dort pausieren wir und rüsten uns mit Steigeisen und Pickel aus. Der Firn ist so seltsam gezackt und noch sehr hart gefroren, dass wir eigentlich immer in den Bereich zwischen den Eisspitzchen treten können. Das ist etwas unregelmäßig und daher recht mühsam, doch kommen wir so gut bei den 35-40° aufwärts. Die Höhe wird nun stärker bemerkbar.

Am Ende des Firnfeldes könnten wir entweder den direkten Grat (Stellen III) ausgesetzt erklimmen, oder rechts daneben eine schöne Rinne (40-45°) in perfektem Firn hinaufpickeln. Wir entscheiden uns für das Eis. Da kommt große Freude auf, obwohl es sehr anstrengt in der Höhe von über 5300m! Danach ersteigen wir das zweite Eisfeld (bis 40°), wo wir nochmals heftig außer Atem geraten. Am Schluss müssen wir über etwas steilen Schutt links ausgesetzt auf den Gipfelgrat klettern (III) und dann über diesen (erst Fels, dann Firn, zum Schluss wieder Fels) bis zum Gipfel hinüber gehen. 10:45 Uhr.

In großer Freude und bei bald 200km Rundsicht verbringen wir hier beinahe eine Stunde auf dem 5428m hohen Gipfel. Sogar den Ort Curahuasi, an dem am Vortag unser Taxi morgens losfuhr, können wir ganz klein erkennen!

Um 11:40 Uhr beginnen wir den Abstieg über unsere Aufstiegsroute. Die IIIer-Stelle am Gipfelgrat umgehen wir links im Schutt. Über den Büßerschnee entwickle ich so eine Art stockende Abrutschtechnik, um schneller zu sein. Unterhalb vom Nordostgrat in der Wand umgehen wir auch die Schlüsselstelle rechts (II-III). Um 13 Uhr sind wir wieder am Einstieg. Abseilstellen hatten wir zwar gesucht, aber wirklich sinnvoll wäre es nirgendwo gewesen.

Meinen einzelnen Trekkingstock hatte ich beim Aufstieg etwas unterhalb des Einstiegs gelassen, wo wir noch einen guten Überblick über die Wand hatten. Leider vergaß ich ihn beim Abstieg und erst so 1km weiter weg fiel mir das auf. So musste ich nochmal fast 100Hm durch das mühsame Gletschervorfeld aufsteigen um ihn zu holen.

Um 14:25 Uhr waren wir wieder am Basecamp, wo uns eine Menge Pferde, oder Maultiere überraschen. So hätten jedenfalls Pumas genug zu fressen und könnten uns verschonen.

Den Rest des Tages lassen wir entspannt ausklingen, bouldern noch etwas am BCB (Basecampboulder) – und kommen wieder sehr zeitig in die Federn.

 

Fr 12.07.19 Abstieg nach Soraypampa und Besuch der Laguna Humantay 150Hm, T5, 5h

Kurz nach 7 Uhr beginnen wir unseren Abstieg und gelangen sehr zügig durch die steile Grasflanke hinab auf 4300m in die Ebene. Wir gehen weit voneinander entfernt und hängen unseren eigenen Gedanken und Gebeten nach. Unten halten wir uns an das linke Flussufer, um den Anstieg auf den Moränenrücken zur Laguna Humantay zu erwischen.

Um 8:30 Uhr erreichen wir den schönen Moränensee unter den Südabsturzen des Nevado Humantay. Wir treffen dort den Oli aus München, der schon einige Zeit in Südamerika umherwandert. Wir teilen einen köstlichen Granatapfel und Schokolade und schwimmen kurz im eiskalten See. Später erfahren wir, dass die Einheimischen den Ort und das Wasser als heilig betrachten und deshalb niemand darin baden darf.

Weiter ziehen wir über die östliche Moräne Richtung Salkantay auf gleicher Höhe hoffend, der Pfad führe später auf den Verbindungsweg zum Salkantay-Pass. Darin irren wir allerdings, der Pfad wird bald immer schlechter sichtbar und wir finden uns in sehr steilem Gelände bedeckt mit Trockengräsern wieder. Deshalb entscheiden wir uns für einen direkten Abstieg durch die steile Flanke hinab nach Soraypampa. Den Soray sehen wir noch kurz.

Als das Gelände flacher wird, verabschieden wir uns von Oli, der den Salkantay-Trek auf eigene Faust gehen möchte. Wir erledigen den Rest bei sehr guten Gesprächen. Es ist so wertvoll gute Tourenparter zu finden, die unkompliziert und stark sind! Für Verena bin ich deshalb sehr dankbar.

 

Auf unser Taxi müssen wir noch über eine Stunde warten und gehen deshalb noch ein Stück in Richtung Salkantay. Mit einiger Verspätung trifft unser Fahrer dann doch ein und bringt uns nach Mollepata, wo ich meine Freunde treffe. Der Abschied von Verena fällt kurz aus. Wir fahren heute noch nach Cusco ins Hostel um am nächsten Tag nach Lima und nach Hause zu fliegen.

 

Denkt man sich 2000Hm weg, ist diese Tour an sich kaum anders als in den Alpen, wenn man mit Zelt loszieht. Das hat immer einen besonders abenteuerlichen Charakter, man bewegt sich meist in wenig besuchtem Gebiet. Von einem Führer aus Cusco hörte ich, dass die schwierigeren Touren kaum von einer Hand voll Leuten in der Region Cusco gemacht werden. Außerdem liegen so viele sehr hohe Gipfel dermaßen weit weg von aller infrastrukturellen Anbindung, dass man davon ausgehen kann, dass da noch einige unbestiegen sind. Der Soray erhält pro Jahr wenn überhaupt nur sehr wenige Begehungen von den genannten Leuten zur Akklimatisierung für größere Ziele. Oben sahen wir aber sicherlich einige unbestiegene 5000er! Einen habe ich mir schon ausgeguckt für andere Jahre.

Sehr dankbar und hochzufrieden fliegen wir nun wieder zurück. Insgesamt erreichte ich 11 4000er (davon 7 in der Monte Rosa - Berichte folgen) und zwei 5000er in meinen drei Urlaubswochen. Eigentlich können wir davon ausgehen, dass unsere Route durch die Nordwand auf den Soray noch nie gemacht wurde. Wer allein geht, nimmt eine weiter rechts und wer wirklich klettern möchte, geht den Ostgrat. Unsere Route ist so eine Mischform, bzw, schwieriges Alpinwandern (oder Andinwandern?)


Tourengänger: alpensucht


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Kommentare (1)


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boerscht hat gesagt:
Gesendet am 28. März 2020 um 15:31
Gerade über deinen Bericht hier gestolpert, sehr interessant. Sieht nach einer Spannenden Unternehmung aus! Danke dafür.


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