Geheimnisvoll: Míšeňská dolina (Meissengrund)


Publiziert von lainari , 11. Mai 2019 um 18:02.

Region: Welt » Tschechien » Lužické hory
Tour Datum:22 April 2019
Wandern Schwierigkeit: T2 - Bergwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: CZ 
Zeitbedarf: 3:15
Aufstieg: 220 m
Abstieg: 220 m
Strecke:8 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Auto oder Zug der ČD bis Jedlová
Kartennummer:1:50.000, KČT Nr. 13 Šluknovsko a Česke Švýcarsko

Historischer Bergbau nördlich des Stožecké sedlo (Schöberpass)
 
Heute suchte ich mir am Rande österlicher Besucherströme ein ruhiges Tal in der herrlichen Landschaft der Lužické hory (Lausitzer Gebirge) zur Erkundung aus. Nördlich des Stožecké sedlo (Schöberpass) liegt auf einer Höhenlage zwischen 460-600 m. ü. M. die weiträumige flache Talmulde Míšeňská dolina/Míšeňský důl (Meissengrund). Entwässert wird das Areal vom Zlatý potok (Goldflössel) mit seinen vielen Quellarmen.
 
Die fehlerhafte Rückführung auf den Namensgeber „Meise“ mit der deutschen Schreibweise Meisengrund führte bisweilen zur falschen tschechischen Übersetzung Sýkoří důl, auch die verwendete KČT-Karte glänzt mit diesem Eintrag. Zur Richtigstellung dient eine historische Betrachtung. Die Ländereien von Schluckenau (Šluknov) und Tollenstein (Tolštejn) waren eine Zeit lang im Besitz der meißnischen Adelsfamilien Starschedel und Schleinitz. Georg von Schleinitz rief Bergleute aus der Markgrafschaft Meißen herbei, um die Umgebung bergmännisch zu untersuchen und auszubeuten. Von diesen bekam das Tal seinen Namen. Ein längerfristiger Erzbergbau konnte sich jedoch nur nördlich des Tolštejn etablieren. Geologisch gesehen, ist das Tal jedoch ein hochinteressantes Untersuchungsgebiet. Nördlich von hier verläuft die Störungszone der Lausitzer Überschiebung und die im Tal vorhandenen Kreidesandsteinablagerungen wurden zusätzlich durch vulkanische Aktivität unter Druck gesetzt, erhitzt, verformt und umgewandelt. Nachgewiesen wurden im Areal die historische Herstellung von Glas, Kalk und Eisen, samt Gewinnung der erforderlichen Rohstoffe, das Vorhandensein von Gold und Silber (Gewinnungsversuche in einer sehr frühen Bergbauperiode) sowie Edel- und Schmucksteinen. Besonders erwähnenswert ist das Auftreten von Chalcedon in den Varietäten Achat, Jaspis und Karneol. Im Mittelalter gewonnen, sollen diese für Mosaike in Kirchen und Palästen Verwendung gefunden haben. Eisenmineralien sollen in Form von Limonit (Braueisenerz) und Hämatit (Roteisenerz) gewonnen worden sein. An zahlreichen Stellen sind in den Bächen auch Eisenausfällungen zu beobachten. Ergebnisse anderer Erzgewinnung sind nicht belegt. Die ersten „Interessenten“ an der Bodenbeschaffenheit dürften die ab dem 14. Jh. in den böhmischen Wäldern umherstreifenden Walen (Venediger) gewesen sein. Später versuchten sich die jeweiligen Landesherren zusätzliche Einnahmequellen zu erschließen und ließen Bodenschätze erkunden und abbauen. Da sich der Gewinnungsumfang nach dem Mittelalter stark reduzierte, geriet der Bergbau weitgehend in Vergessenheit und die Spuren sind heute meist durch dicke Humusschichten verdeckt. Das geübte Auge wird jedoch an vielen Stellen „fündig“.
 
Eine zeitige Anreise führte mich zunächst an die Bahnstrecke in der Nähe von Nová Huť (Neuhütte), denn das Einsatzende der ČD-Schnellzüge zwischen Kolín und Rumburk rückt unausweichlich näher. Rechtzeitig brachte ich mich in Position für den ersten Talfahrer. Ein hinzukommender deutscher Eisenbahnfotograf bestätigte meine Vermutung, dass heute etwas Besonderes in der Luft lag - „Brillenalarm“ - ein feiertäglicher Umlauf würde lokbespannt verkehren. In der kurzen Wartezeit plauschten wir angeregt bis zum Erscheinen des Zuges.
 
Dann überquerte ich den Stožecké sedlo und parkte an der Brücke der Straße I/9 über den Zlatý potok. Ein Forstweg führte ab hier durch die Míšeňská dolina aufwärts. Das nahe Flurstück U štoly verbarg seine Geheimnisse teilweise im dichtem Jungwald. Ich nahm einen bergwärtigen Abzweig zur nördlichen Talkante hinauf. Am Rande der Wiese Tolštejnská louka waren mehrere Bergbaurelikte auszumachen, die vorwiegend der Eisenerzgewinnung gedient haben dürften. In etwa gleichbleibender Höhenlage ging ich auf einem Weg durch den Wald hinüber zum Höhenrücken, der zwischen dem Konopáč (Hanfkuchen) und dem Jedlová (Tannenberg) verläuft. An einer Lichtung bog ich nach links auf den Forstweg Cestářská cesta ein und ging die Míšeňská dolina hinab. Unterwegs passierte ich eine etwa 5 m hohe Abbruchkante aus verkieseltem hartem Sandstein, die einer früheren Werksteingewinnung gedient hatte und kam nach einem ersten Bachzufluss von rechts zu einem größeren alten Tagebau. In einer Kartenskizze nach historischem Vorbild wurde diese Stelle mit „Goldgruben“ bezeichnet. Realistischer sollte eine Eisenerzgewinnung angenommen werden, im Bach gab es auch darauf hinweisende Eisenausfällungen. Des Weiteren war eine geringumfängliche sekundäre Sandsteingewinnung auszumachen. Neben dem Tagebau kam der Hauptquellarm des Zlatý potok zum Talboden herab. Dessen Verlauf folgte ich nun bergwärts. Nach kurzer Zeit erreichte ich das sogenannte Meissengrundloch. Hier knickte der Bachlauf rechtwinklig ab und geradeaus war ein möglicher verwahrter Stollenverlauf anzunehmen. Daneben befanden sich zwei Sandsteine mit vielfältigen Einritzungen und Inschriften. Ein früherer touristischer Treffpunkt kann an dieser weglosen Stelle ausgeschlossen werden, so dass es sich um Grenz- oder Kontrollmarken handeln müsste. Einige davon finden sich in ähnlicher Form bei Zlatá dost (Gold genug) und am Valdštejnská skála (Waldstein). Auf dem Pražská cesta lief ich bis zum nächsten Quellarm bergwärts und folgte diesem ins Tal hinunter. Unterwegs traf ich auf einen kleinen halbrund ausgehöhlten Wasserfall (Míšeňský vodopád), unter dem sich eine Art Stollen befinden soll. Er wird deshalb in alten Skizzen als Meissenhöhle bezeichnet. Über den bekannten Cestářská cesta kehrte ich bergwärts zum Kamm zurück und ging zum Bahnhof Jedlová - nádraží hinunter.
 
Hier wartete ich auf die Vorbeifahrt zweier Schnellzugkurse. Der erste war aus den zeitlos eleganten Trieb- und Steuerwagen der Reihen 854/954 gebildet, die auf der Relation Kolín - Rumburk nur noch bis August verkehren werden. Bis zum Fahrplanwechsel im Dezember ist eine Totalsperre der Bahnstrecke Česká Lípa - Jedlová wegen Bauarbeiten geplant. Dann übernimmt der neue Betreiber Arriva das Zepter. Die tschechischen Institution haben gerade exzessiv das Instrument der Ausschreibungen und von „Privatisierungen“ des Personenverkehrs für sich entdeckt (oder mussten es für sich entdecken, damit Tochterfirmen ausländischer Staatsbahnen mit dem Steuergeld ihrer Länder ein wenig Monopoly spielen können). Dem „modernen“ Fahrgast ist das vermutlich wurscht, Hauptsache außen ist es möglichst poppig bunt, innen hat es Steckdosen und WLAN. Mich interessieren da eher einfache und durchgehende Ticketverfügbarkeit, Anschlussgewährleistung oder die Bereitstellung von Ersatzgarnituren im Störungsfall - dies bieten die „Privaten“ nicht! Diese gewinnen fallweise Ausschreibungen mit Fahrzeugen, die es bislang nur auf dem Papier gibt oder mit Phantompersonal. Gut informierte Quellen berichteten, dass der neue Betreiber in Bulgarien mit mäßigem Erfolg nach tschechisch sprechenden Lokführern sucht, um ab Dezember 2019 seine vertraglich zu erbringenden Schnellzugleistungen mit Personal zu besetzen. Zum Einsatz kommen dann jahrelang im DB-Stillstandsmanagement abgestellte Nahverkehrstriebwagen. Die erwartete Komfortsteigerung dürfte somit allenfalls kosmetisch erkauft sein.
Diesen Gedanken nachhängend, nahm ich mein Mittagsmenü ein. Mein nachfolgender Fotoversuch auf den lokbespannten Bergfahrer fiel einem Irrtum über die vom Zug zu benutzende Fahrstraße und einem hektisch in suboptimales Licht gewechselten Standort zum Opfer. Deshalb begab ich mich über den bekannten Cestářská cesta bis zum Sandsteinbruch, bog dort links hinein und lief die Míšeňská dolina bis zum Ausgangspunkt hinab. Mit dem Auto setzte ich zur Rückfahrt an. Am abgelegenen Bahnhof Chřibská gelang unterwegs noch eine brauchbarere Dokumentation des auf dieser Strecke seltenen Einsatzes eines ČD-Schnellzuges mit Diesellok.
 
Die pausenbereinigte Gehzeit betrug 3 h 15 min.
Die absolvierte Wegstrecke ist größtenteils nicht als Wanderweg markiert und mit T1 zu bewerten. Die weglosen Passagen haben die Schwierigkeit T2.

Tourengänger: lainari


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