Croda Granda 2849m Normalweg


Publiziert von bergteufel , 19. Juni 2020 um 13:32.

Region: Welt » Italien » Venetien
Tour Datum:24 Oktober 2018
Wandern Schwierigkeit: T5+ - anspruchsvolles Alpinwandern
Hochtouren Schwierigkeit: WS+
Klettern Schwierigkeit: I (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: I 
Zeitbedarf: 10:00
Aufstieg: 1700 m
Abstieg: 1700 m
Strecke:P des Rifugio Treviso - Rifugio Treviso - Sentiero dei Vani Alti - Forcella dei Vani Alti -Bivacco Reali - Croda Granda und zurück
Zufahrt zum Ausgangspunkt:von Fiera di Primiero ins Valle dei Canali zum P vom Rifugio Treviso
Unterkunftmöglichkeiten:um diese Jahreszeit nur das Bivacco Reali

Servus.

Orkanböen. Als Erstklässler der Bergsteigerschule lernst du: Finger weg von den Bergen. Als Schuldiplomant erlernst du: Meide Grate und stark dem Sturm ausgesetzte Flächen. Schätze das Risiko für dich vertretbar ein. So sei es. 

Nach meiner Agnèrbesteigung gestern habe ich mich vor dem starken Sturm ins Canalital geflüchtet, in der Hoffnung im Herbst noch einen tollen Gipfel zu jagen. Die ganze Nacht tobte der Sturm über die Gipfel, ich "schlief" mit wachem Verstand im Auto auf dem Parkplatz des Rifugio Treviso (=Canali) 1631m.
Dort war ich relativ gut geschützt und absolut alleine. Hier mal ein Lob an die modernen Wetterberichte, es passte exakt. Früher hättest du dich nicht losgetraut, aber, wie ankündigt, verblies der Wind die Wolken, die Hauptfront blieb am Alpenkamm hängen und es gab keinen Niederschlag. Extrem wichtig um diese Jahreszeit. Die Pala war heute trocken, allerdings der Sturm mit Orkanböen gegenwärtig. Deshalb vorsichtig! Zunächst bin ich auf dem Wanderweg Nr. 707 zum Rifugio geschlappt.

Der gemütliche Gang auf den Agnèr gestern hat keine physischen Spuren bei mir hinterlassen, es läuft gut. Kurz habe ich die Kraft des Sturms spüren dürfen, aber dann gaben mir die Riesen des Tales, besser gesagt, die Cima dei Lastei, die Cima Manstorna, die Cima d`Alberghetto, die Cima del Coro und die Hügel der Vani Alti, Deckung.

Vom Rifugio geht' s den Wanderweg Nr. 707 weiter Richtung Passo di Canali. Unter der Pala del Rifugio durch und dann gilt' s eine Entscheidung zu treffen. Mein Vorhaben, die Ferrata Fiamme Gialle (auch Sentiero Reali genannt) hoch, zusätzlich noch den Zustieg zur Cima del Coro ausprobieren..... in mir größte Zweifel, ob der Ausführbarkeit. Der Sturm und in der offenen Flanke zur Forcella del Marmor ansteigen und das Bivacco Reali erreichen, heute nicht realisierbar. Da komm ich in Atemnot, werde zum Spielball von den Böen, deshalb, der Erkundungstripp ist gecancelt.

Aber "Umdrehen" bei Sonnenschein, das geht auch nicht für den Bergdeifi. Dann also das "sanftere" Programm, den Sentiero Vani Alti, den Unvollendeten, hinauf zur Forcella Vani Alti. Alles ist schneefrei, beschildert, markiert, wunderbar. Somit Wegfindung kein Problem. Dient dieser Weg doch im Abstieg den Ferratisti und Croda Granda Bezwingern.
Im ausgesetzten Ier Gelände geht es rauf, an der etwas anspruchsvolleren Schlüsselstelle ist ein normales Seil fixiert worden. Der einst als Klettersteig verbohrte Weg hat in seine Metallstangen nie ein Drahtseil eingespannt bekommen. Jedoch ist er nicht ganz ohne, ein Schwächerer greift gerne mal zu einer Eisenstange. Am Ausstieg, an der Forcella Vani Alti 2529m, verweile ich nicht und eile in die Senke zwischen den Cime Vani Alti und dem Sass da Camp, wo Windstille einkehrt.

Gut gemacht, da bin ich schon mal. Weiter geht`s die Geröllmulde hoch zur Scharte zwischen den Vani Alti und dem Nordgrat des Sass da Camp. Ein Wort zum Sass da Camp: Ein gigantischer Dolomitenberg. Seine monströse Südflanke ist es so was von Wert angeschaut zu werden, aber wer tut das. Da unten wandert doch kein "Schwein" durch die Gegend. Und gäbe es da nicht die popeligen Vani Alti an seiner Nordflanke, die als eigene Hügel gelten, dann wäre er der "Chef" der Palagruppe. Ich habe nun die Ehre seinen Gipfelsockel zu flankieren. Da kribbelts in mir, keine Ahung wie man da oben ankommt, aber irgendwann, so hoffe ich... "schickt mir ein Leser eine Beschreibung", die Literaten der Hikr-Zunft werden eh keinen Besteigungsbericht verfassen, deshalb "gut Ding braucht Weile".

Weiter geht's, von der Einschartung, mit Blickkontakt zur Biwakschachtel, steigt man einfach die kurze Strecke zum Bivacco Reali hinab. Hier bin ich erstmals konfrontiert mit der wirklichen Kraft des Sturms. Wow. So eine Böe bringt dir Atemnot. Oooh, ich sehe "20 Ferratisti", die ins Biwak flüchten....???!!!  Schnell öffne ich die Tür des Biwaks, sofort verriegeln und durchatmen. Welch Wunder, heute bin ich der Einzige, der hier Unterschlupf sucht und findet. So etwas habe ich in einer Schachtel noch nie gehabt, jede Windpeitsche gegen das Blech läßt dich ein Abheben erwarten. Geil. Wie bekloppt mußt du sein, jetzt hier zu sitzen. Es gibt ein Schachtelbuch.

"Aufhören" schießt mir kurz durch den Kopf, aber die Visitenkarte des Bergteufels sollte genügen um das Spitzerl dieses Wandergipfels ins Visier zu nehmen.
Weiter geht`s. Raus aus der Schachtel, etwas absteigen und auf deutlichem Pfad quer durch die Westflanke der Croda flitzen. Dann geschützt, fast windstill ostwärts hoch zur Scharte, dem Passo delle Miniere. Der Plan geht voll auf. Jetzt allerdings droht  Ungemach. Der Südgrat zum Gipfel steht an. Gebrauchsanweisung: "Wieseln" bei Normalwindphase und Festhalten bei der Pusterei. Gut festhalten genügt, drauffallen kann dir nichts. Klasse, es funktioniert. Im Sg I geht es rechts vom Südgrat, klettertechnisch problemlos, einen komoden Trampelpfad, hoch zum Westgipfel der Croda.

Auf der Croda Granda 2849m steht eine ähnliche, fest zementierte Gipfelbuchbox à la Monte Agnèr. Die Anzahl der Einträge darin ist auch nicht von schlechten Eltern, aber etwas bescheidener. Gut besucht das Hügerle. Es gibt kein Gipfelkreuz, sondern einen Steinmann mit Gipfelmadonna. Das Panorama über die Palagruppe ist klasse. Es stehen die Gipfel der westlichen Kette im Mittelpunkt. Und wieder gilt, ich sitze aufs Neue alleine auf einem großen Dolomitenberg, perfekt. Apropos Sitzen, das ist nicht wirklich, kurz verweilen, Fotos und wieder runter.

Keine Ahung, warum die italienischen Bergkollegen bei Hikr auf eine Beschreibung dieses großen Gipfels in der südlichen Pala durch mich gewartet haben, bis sie endlich selbst loslegen. An meine deutschsprachigen Kameraden sei gesagt, hier solltet ihr wirklich mal vorbeischauen. Sehr sehr stolze Gipfel prägen die südliche und westliche Palagruppe. Nix für Weicheier.

Abgestiegen bin ich auf gleicher Route.

Ich denke, heute habe ich das Maximale herausgeholt, was die Bedingungen hergegeben haben. Und mal ganz ehrlich, Glück ist den Dummen, und das hatte ich heute. Habe doch nicht im Entferntesten daran gedacht, daß die Routenwahl, so geschützt, ein Volltreffer wird. Die Entscheidung nicht in den Klettersteig Fiamme Gialle zu gehen, war nur intuitiv und sehr zögerlich, aber für den Gipfelerfolg elementar.

Die Croda Granda ist eine "ganz ganz exquisite" Bergtour. Kannst du doch im Normalfall eine Ferrata raufkraxeln, kommst in tolles Dolomitengelände und brauchst richtig Ausdauer, wenn du das vom Parkplatz aus durchziehst. Kann ich nur empfehlen.
Die Wegfindung ist problemlos, alles ist ausgeschildert und markiert. Vom Biwak gibt es einen deutlichen Pfad, grüne Kleckse und Steinmänner bis zum Gipfel. Die Croda Granda ist ein gewaltiger Bergstock. Sie hat nach Süden vorgelagert mehrere Gipfel, die man einfach erreichen kann, allerdings die Zeit gilt's gut zu kalkulieren.

Was mich jedoch sehr skeptisch stimmt, daß ist das mit Halte- und Campingverboten vernagelte Tal. Ungewöhnlich für italienische Verhältnisse und paßt so gar nicht zum Gipfelpoesiealbum. Auch der kleine Hüttenparkplatz stimmt skeptisch. Ich habe heute keinen getroffen, kein Wunder, siehe die Jahreszeit und Bedingungen. Glaube aber, im Sommer bekommst du im Tal das Grauen, ob der "Pala Ronda" Bezwinger. Dieser Werbeslogan prangert in der Berggruppe überall und auch an der kleinen Hütte, kein gutes Zeichen. Und das habe ich erleben dürfen, bei meinem Besuch des Rifugio Pradidali. Puuh. Nur zu erahnen, was sich hier in der Hauptsaison abspielt. Heute war es gut für mich, daß die Hüttentür versperrt und alles schon in Winterruhe war.

Eines ist manifestiert, die Dolomitenberge, die sie hier haben, sind schon sehr edel. Auch die Überschreitung der Cima Canali wird vom Hüttenparkplatz aus angegangen.

Gestattet mir ein Urteil über das Who is Who der Palagruppe: Für mich ist der Sass Maor der König dieses gewaltigen Dolomitenmassivs und die Cima Canali die Königin. Ich habe sie euch alle beschrieben, aber der Cimon, die Pale di San Martino, die Focobon, der Agnèr, die Croda Granda.... alle sehr wertvoll, aber die Topcharmenote haben zweifelsohne diese Beiden.

Und dann zeigte mir abends am Auto das moderne Klotzophon eine wunderbare Nachricht: der Wetterprophet stellt für morgen die Pusterei ab und es soll ein warmer, sonniger Spätoktobertag werden. Ja, noch einmal alles mobilisieren, die Attacke auf einen wahren "Italienerberg" steht an: der Sass d' Ortiga, prämiert mit coolsten Youtube-Videos.
https://www.hikr.org/tour/post150781.html

Habe die Ehre, Berg heil,
der Bergteufel 

Tourengänger: bergteufel


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