Sass Maor 2814m Normalweg


Publiziert von bergteufel , 13. Dezember 2018 um 16:12.

Region: Welt » Italien » Trentino-Südtirol
Tour Datum: 3 August 2018
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: IV (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: I 
Zeitbedarf: 13:00
Aufstieg: 1700 m
Abstieg: 900 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Passo Rolle - San Martino di Castrozza - weiter Richtung Fiera di Primiero - nach ca. 5km bei Doppelkehre links ab, zunächst Asphaltstraße, dann Forstweg zur Malga Civertaghe

An die Freunde der Bergsteigerei, griaß eich!

Der Sass Maor. Der Chef der westlichen Palagruppe. Das sagt alles, bei der Konkurrenz der vielen Paradegipfel.

Das Kolosale ist seine Form. Wer seine Mächtigkeit von der Rollepaßstraße aus noch etwas unterschätzt, der sollte einen Blick vom Val Pradidali aus riskieren. Welch gepfählte, monströse Masse sich da gen Himmel reckt. Er ist einer der formschönsten und beeindruckendsten Berge der Alpen, die ich kenne. Zusammen mit der Cima della Madonna bildet er ein Geschwisterpaar, grenzt sich jedoch deutlich von ihr ab. Den Gipfel dieses Zackens zu betreten ist eine Ehre und wiegt kristallisierend im Bergsteigerherz.

Sass Maor, Cima Canali, Pala di San Martino.... Drei Tage, drei Berge, alles auf einen Streich. So jedenfalls der "teuflische" Plan. Für dieses Projekt brauchst Du auf jeden Fall einen starken Partner, kurz: meine Bergsteigerkameradin Annette, perfekt. Die Variable im Spiel: das Wetter! Täglich Gewitter.

Vom Rollepaß kommend, San Martino di Castrozza passiert, weiter Richtung Fiera di Primiero. Bei der zweiten Doppelkehre links ab, zunächst Teerstraße, dann eine ziemlich holprige Schotterpiste hoch bis zur Malga Civertaghe 1375m (alles beschildert, hier die erste Parkmöglichkeit). Es gibt die Möglichkeit die Forststrasse noch ein paar Kehren weiter zu fahren bis zu einem kleinen Parkplatz im Wald ca. 1450m (5 Plätze). Gesperrtschild neben einem kräftig sprudelnden Brunnen. Der Wanderweg Nr. 713 ist ausgeschildert und führt zum Rifugio Velo della Madonna 2358m. Und so waren wir um 18 Uhr am Parkplatz. Ideal, aber... über dem Sass Maor türmte sich ein großer Gewitterturm auf. Den Aufstieg zur Hütte jetzt antreten, das klappt nicht. Entscheidung: Im Auto warten.
Ich laß euch mal teilhaben, was ich als Bergsteiger da für Gedanken habe: Du hast komplettes Gepäck für eine 3-Tages-Odysee am Buckel, die Hütte ist so unter 2 Std. nicht erreichbar, rennst garantiert in ein Gewitter, nach dem du mit Sicherheit, einschließlich Rucksack, patschnass bist. Bei diesen drei Zielen, einen solchen Start zu erzwingen. Das wäre Blödsinn, laß es sein. Aber, am nächsten Tag gilt`s das Rifugio Pradidali zu erreichen, das ist kaum machbar mit einer Nacht im Auto, noch dazu mit Gewitterprognose und einem Abstieg über eine Ferrata. Laß es sein!? Du solltest, nein du mußt noch aufsteigen. Der Rucksack ist knallvoll, einschließlich einer Extrabrotzeit für ein Biwak. Um 5 Uhr los, könnte reichen, aber du kennst den Aufstieg zum Sass Maor nicht, wieder soviel Spielraum bei der Wegfindung. Grübel, grübel, warten...
Es kam in der Tat ein knackiges Gewitter und so wurde es eine Nacht im Auto. Morgens um 6 Uhr der Start. Wanderweg Nr. 713 hochspurteln zum Rifugio Velo della Madonna, dem Hüttchen mit ihrer weltberühmten Kante. Unter der Hütte kurze Drahtseile, aber alles problemlos, 2 Std. ("velo"bedeutet auf deutsch: Schleier, wer gab hier wem den Namen?). Gepäckdepot einrichten, an der Bar einen Espresso schlürfen und von der Wirtin war zu hören: "Heute sind Etliche los zur Schleierkante, da steht ihr bestimmt im Stau." "Nein, wir wollen zum Sass Maor." "Ah, super, toll, da gehen so wenige hin, da seid ihr alleine. Paßt gut auf." Das zollte mir ein Lächeln, habe ich den richtigen Berg ausgesucht, ja.
Der Normalweg auf den Berg berührt 3 seiner Flanken, die Süd-, Nord-, und Ostseite. Diese werden an ihren verwundbarsten Punkten bezwungen. Stark. Von der Hütte folgt man der Beschilderung zum Sentiero Cacciatore oder Sentiero Attrezzato Dino Buzzati oder Cima della Stanga nach Süden. Kaum gestartet, erkennt man zur Linken die Rinne, welche zwischen der Cima della Madonna und rechts, dem Sockel des Sass Maors nach oben zieht. Der zweite Blick fällt auf den drohenden Klemmschusser, der den Eingang in die Rinne versperrt (bis hierhin 15 Min. ab der Hütte). Auf deutlichen Pfadspuren nahe an die Einbuchtung unter dem Klemmblock heran, dann links bis fast zur Wand und wieder zurück (1 Haken) ans obere Ende des Sperrfelsens (hier zementierter Abseilstandhaken links, lt. Literatur Passage III, Stelle III+). Auf bergteuflisch sage ich: "wer das IVer Händchen dabei hat, der fühlt sich hier wohl." (Alternativ: den kurzen Riss hoch, SG IV-)
Nun in die Rinne. Hier haben wir das Seil wieder eingepackt. Weitere zwei Klemmblöcke stehen an, den Ersten schnappt man sich rechts, den Zweiten links herum (SG II). Dann folgt offenes Gelände, man wendet sich links (Steinmänner, SG I) zu einer Art Gratkante. Entlang dieser zurück zur Rinne (roter Pfeil in Gegenrichtung). Stopp. Nicht die Rinne weiter hoch, sondern sofort nach rechts verlassen und den rechten Rinnenrand gewinnen (SG II). Je tiefer du in die Rinne steigst (verlockend), umso schwerer wird der Ausstieg (keine Steinmänner, nur oben am Rand). Von Steinmännern geleitet in, oder am rechten Rand der Rinne nach oben. Man passiert eine Steilstufe (links ein Klemmschusser, Stelle SG III-), kraxelt über sehr brüchiges Gestein, es sind noch kleine Felsaufschwünge zu bewältigen (SG I+, Stellen SG II-) bis du die Scharte zwischen Sass Maor und der Cima della Madonna erreichst.
Jetzt auf den Sass Maor zu, nördlich um einen Felszacken herum, in eine kleine Rinne (Steinmänner, SG I). Hier haben wir angeseilt und bis zum Gipfel das Seil behalten. Wir entschieden, gerade die Wand hoch (SG II) auf eine dunkle Felsbarriere zu, mit einer Art Kamin als Durchschlupf, der begrenzt wird von zwei abdrägenden Felsschuppen. Drüber hinweg (Stelle SG III) und leicht (SG I) weiter zu einer Kanzel mit großem Steinmann. Die Sicht auf den Gipfelaufbau ist frei. Es folgt Gehgelände bis zu einer breiten Rinne. Diese kurz hoch und rechts weiter die Rampe hoch (sehr gut gegliedert, SG II-, 2 Abseilstellen) zum Gipfelsockel. Nun Steinmännern folgend, auf einem breiten Band den Rest der Nordflanke queren, bis zu deren abbrechenden Ende an der Ostflanke (im Nachhinein ist klar, das Gelände von der Kanzel bis hier zur Schlüsselpassage ist seilfrei gut machbar). Die Terrasse über Schrofen nach oben (SG I) an die senkrechte Wand. Hier beginnt ein schmaler Riss. Diesen ca. 10m hoch (Schlüsselpassage, IV- lt. Literatur). Wenn es noch mehr aufsteilt, dann nach links weiter in der Wand (SG III, 1 Haken, der zu hoch gesetzt ist, sehr ausgesetzt) bis zum zementierten Abseilhaken.
Du erkennst links eine Rinne, in die man einsteigt und ihr bis zum Grat unter dem Gipfel folgt (SG III+ zu Beginn, dann leichter werdend bis SG II, zementierter Abseilhaken am Ende). Letztlich wenige Meter am Grat zum sichtbaren Gipfel (3 Std. ab der Hütte).

Ein kleiner Steinmann ziert den Gipfel. Du stehst auf dem Sass Maor, einem der geilsten Berge der Dolomiten. Ein ganz großer Alpengipfel. Es ist ein Doppelgipfel, such dir Einen aus fürs Foto.

Gipfelbuch: eine Fehlanzeige. Eine Schande. Klare Aussage.
Deshalb meine Einschätzung, den "abgewetzten?" Kletterspuren nach zu urteilen, geht hier fast keine "Sau" hoch. Postum.
Allein der Blick über die Zacken der Pala und die Tiefblicke zu allen Seiten sind gewaltig. Nebenan die Schwester "Madonna" steht brav bei Fuß. Ja, er ist der Chef. Gigantisch.
Wie auch immer ihr da hoch kommt, der Sass Maor ist ein fantastisches Bergsteigerziel und einen Besuch wert.

Abstieg: Abseilstellen gibt es. Wir haben vom Gipfel bis zum Stand über der Schlüsselpassage und weiter zur Terrasse abgeseilt. Die nächste Abseilstelle, die wir nutzten war die zur kleinen Rinne bei der Scharte zur Cima della Madonna. Und letztlich der Abseiler beim Klemmblock an der Anfangsrinne. Es sind noch einige Abseilmöglichkeiten mehr vorhanden. 50m Seil genügt.
Markierungen, soll heißen rote Punkte, sind ein Märchen. Lediglich ab der Scharte bei der Cima della Madonna gibt ein paar verblichene rote Pfeile für die Abseilenden, die von der Schleierkante kommen.
Ein Wort zu den Zeitangaben: wir sind manches seilfrei oder gemeinsam am Kurzen gestiegen, haben nur 4x abgeseilt, allerdings verloren wir Zeit bei der Wegsuche. P - Hütte 2Std. - Gipfel 3 Std. - Hütte 2 Std. - P 1,5 Std.. Es sind 1400 Hm und roundabout 9 Std. sollte man schon einplanen. In den Tourdaten steht das so nicht, denn wir sind nicht zurück zum P,...

sondern haben uns in der Hütte gestärkt. Nach einem Backup unserer Physis, mit dem wettertechnischen Blick in die Glaskugel, fiel die Entscheidung: "Pack mas". Soll heißen der Übergang zum Rifugio Pradidali über die mittelschweren Klettersteige del Velo und Porton (3 Std.) wird riskiert. Mit vollem Gepäck. Die teuflische Beklopptheit findet einen Gesinnungsgegenpart bei meiner Kumpanin. Klasse.
Die Ferrata del Velo ist in perfektem Zustand. Kein einziges wackeliges Drahtseil oder Klammer, durchgehend markiert. Am Passo Porton beginnt die Ferrata Porton mit einer senkrechten Leiter, dann folgt unangenehmes, steiles Schottergelände im Abstieg. Bei der Querung um die Kante sind dann Halterungen ausgerissen und Klammern wackeln. Felskontakt notwendig. Vorsicht. Der Rest ist einwandfrei.
Um 19:30 Uhr erreichen wir das Rifugio Pradidali. Wir sind müde, das klärende Tagesgewitter beginnt soeben sein Werk. Glück gehabt. Die Hütte ist rappelvoll, wir können unter dem Dach schlafen. Hier ist alles ausgerichtet auf die Teilnehmer des Palaronda-Treks, ein Magnet für die Meister des Wandererfachs.

Während der Sass Maor den männlichen Gipfelpart der westlichen Pala klar dominiert, fehlt das weibliche Gegenstück. Prächtig steht sie da, die Cima della Madonna, jedoch gibt es noch die Pala di San Martino, der Hausberg von San Martino di Castrozza, ein Monument. Sie ist wohl höher anzusiedeln. Letztlich wirft eine andere, weltbekannte Cima ihre Pracht in den Ring. Die Cima Canali. Unangefochten, wäre "sie" die Chefin der westlichen Palagruppe, allerdings gehört sie zum Zentralbereich der Pale. Sie ist aber zweifelsohne aufgrund der Nähe ein ebenbürdiges Pendant zum Sass Maor.

Der Plan steht, morgen steigen wir auf die Cima Canali.

Der Sass Maor ist eine ernste Kletterfahrt.

Habe die Ehre, Berg heil,
der Bergteufel

Tourengänger: bergteufel


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Kommentare (5)


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Werner_Ki hat gesagt:
Gesendet am 15. Dezember 2018 um 10:01
Glückwunsch zu der super Tour (und dem tollen Bericht)!
Freu mich schon auf die Fortsetzung.
Gruß

bergteufel hat gesagt: RE:
Gesendet am 16. Dezember 2018 um 19:19
Herzlichen Dank Werner.
Du bist ein Mann aus dem höchsten Norden unseres Landes und besitzt das Kletterhändchen. Toll.
Ich kann dir die Palagruppe nur nahe legen, Kletterberge vom Feinsten. Allerdings für dich heißt das, mach aus dem ganz normalen Anfahrtswahnsinn einen außergewöhnlichen.
Gruß Rudi

Werner_Ki hat gesagt: RE:
Gesendet am 16. Dezember 2018 um 21:13
ist schon in die erweiterte Wunschliste aufgenommen (shit, ist die lang...)
Naja, spätestens ab Ulm isses dann auch schon egal, ob man da noch 3 oder 5 Stunden weiter muss :D
Grüße aus dem Werner Oberland

ADI hat gesagt:
Gesendet am 17. Dezember 2018 um 16:51
des is Berg....brutal......

Ich gratuliere Dir herzlich.....
Klasse Tour!

VLG

ADI

bergteufel hat gesagt:
Gesendet am 17. Dezember 2018 um 20:28
Recht hast. Ein lässiger Buckel. Mir hat der richtig Spaß g`macht. Wannst ihn so anschaust, dann hast scho ganz schön Respekt davor.
Danke Dir ADI, bis demnächst.


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