Kleiner Wilder (2306 m) - Die Kingline des Allgäus


Publiziert von Kommunist , 30. Juli 2019 um 23:20.

Region: Welt » Deutschland » Alpen » Allgäuer Alpen
Tour Datum:16 September 2018
Wandern Schwierigkeit: T6- - schwieriges Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: VIII (UIAA-Skala)
Mountainbike Schwierigkeit: L - Leicht fahrbar
Wegpunkte:
Geo-Tags: A   D 
Zeitbedarf: 10:00
Aufstieg: 1500 m
Abstieg: 1500 m

Gerade habe ich den guten Wanderweg oberhalb der Käseralpe in Richtung Hornbachjoch verlassen und stolpere wie ein Betrunkener durch das Geröllfeld unterhalb des Kleinen Wilden. Stolpernd deswegen, weil man eigentlich kaum noch auf den Boden schauen kann, zu beeindruckend surreal wirkt hier die Felslinie der Wildenverschneidung im Zustieg. Ich frage mich wie krass es wohl wäre, wenn man einem Menschen vor 300 Jahren bei diesem Anblick erklärt hätte, dass es in der Zukunft manche Leute geben wird, die zum reinen Vergnügen durch so eine verrückte Felsflanke klettern werden. Ein lächerlicher Gedanke. Noch absurder ist jedoch der Vorstellung, dass im Jahre 1955 sich wagemutige Erstbegeher mit antiken Seilen, besseren Zeltheringen, Hammer und einem Klettergurt, der seinen Namen wohl nicht verdient hat, in so eine Tour reingewagt haben.

Vom Oytal kommend bieten die eigenartigen Felsstrukturen am Wildenmassiv einen eindrucksvollen Kontrast zur gegenüberliegenden Königin der Allgäuer Grasberge. Steigt man vom Wildenfeldhüttchen weiter in Richtung Hornbachjoch, so zieht die Felslinie der Großen Wildenverschneidung unweigerlich ihre Blicke auf sich - die eigenartigen Felsstrukturen in der mächtigen, überhängenden Verschneidung muten fast etwas surreal an. Für mich war und ist diese Linie wohl die eindrucksvollste, "abartigste" Felskletterroute in den Allgäuer Alpen.

Die Fahrstraße ins Oytal ist leicht zu fahren, wird aber vor der Käseralpe doch steil und mit Kletterausrüstung etwas anstrengend, was meine Kollegen nicht davon abhält, sich ein schweißtreibendes Fahrradrennen zu liefern. Echte Fahrräder, also ohne Motor, solche wie man dort nur noch selten zu Gesicht bekommt. Egal, danach steht ja nur eine wilde, ernste Kletterfahrt bis zum 8. Schwierigkeitsgrad an...
Von der Käseralpe geht es auf guten Wanderweg bis zu einem Geröllfeld unter der Wildenverschneidung.

Am oberen Ende des Geröllfelds wird die Kletterausrüstung angelegt. Der Zustieg erfordert nur etwas Kondition, wandertechnisch ist er etwa mit T3+ zu bewerten. Ungesichert geht es los über sehr flache, mit etwas Geröll bedeckten Platten. Nach einer kurzen Kletterpassage im II - III Grad mit passablen Griffen und Tritten im festen Fels legt sich das Gelände zunächst etwas und man klettert im I - II. Grad vielleicht 80m hinauf, bis irgendwo auf der riesigen Geröllplatte ein Standhaken zu finden ist.

Die Klettertour selber ist gewaltig schön. Zuerst Plattenkletterei mit nur kaum Absicherung, oben hin wird es etwas schwerer (V) mit ein paar Haken zu einem Stand in einer markanten Gufel auf einem riesigen, wild verklemmten Felsbrocken. Weiter geht es super luftig an meist guten Griffen, die nicht immer fest sind. Der Großteil der Tour klettert sich recht gutartig, irgendwo im 5. und 6. Grad mit eher spärlicher Absicherung. Die Standplätze sind mit Bohrhaken ausgestattet. Die härteren Stellen im 8. Grad sind eher kurz, aber nicht ganz leicht zu lesen, mit recht kurzen Hakenabständen. Man findet Bohrhaken und auch Schlaghaken vor. Wer nicht so schwer klettern kann, kann hier einfach mit Hakenhilfe A0 klettern.

Die Tour selber endet auf einer kleinen Schulter südlich des Gipfels. Ein schöner Ort. Von hier gelangt man zügig, aber etwas ausgesetzt in leichterer Kletterei ungesichert zum Gipfel. Die Schlüsselstelle ist ein kurzer Kamin kurz vor dem Gipfel, den ich mit III- bewerten würde. Runter ging es dann wieder auf dem gleichen Weg zum Ende der Klettertour, wo wir das Kletterzeug deponiert haben und dann ein paar mal abgeseilt haben.

Fazit: Eine absolut beeindruckende Tour, sehr schöne Kletterei und eine gewaltige Linie. Die Jungs, die das 1955 mit antikem Material erstbegangen haben, müssen so richtig krass unterwegs gewesen sein. Das beeindruckt mich! Auch im heutigen, nachsanierten Zustand mit Bohrhaken an den Standplätzen, sollte man schon im 6. Grad sicher klettern können und mit mobilen Sicherungsmitteln umgehen können, möchte man nicht im 5. oder 6. Grad mehr als 10m vom Haken wegklettern. Auch die wenig gesicherten Zustiegsplatten fordern den sicheren Kletterer.




Tourengänger: Kommunist


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Kommentare (2)


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Gesendet am 20. Mai 2020 um 16:09
Gratulation für diese tolle Leistung!
Geh doch mal mit mir zum Pflerscher Tribulaun!

Kommunist hat gesagt: RE:
Gesendet am 20. Juli 2020 um 12:32
Danke. Manche 3er Kletterei ohne zuverlässige Sicherung finde ich aber deutlich fordernder.


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