Jungfrau - der ehrliche Weg über den Inneren Rottalgrat
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Jungfrau - ein ehrlich herrlicher Berg
Die Jungfrau ist ein wunderbarer Berg, jedenfalls vom Aaretal her gesehen. Sie begleitet uns schon seit Jahren und immer wieder haben wir sie fotografiert von Zuhause in schier unendlich vielen schönen Abendstimmungen. Die Jungfrau ist wuchtig, dominant, formschön und abgesehen von der etwas kleineren Nordwand als der Eiger und der Mönch, stiehlt sie eigentlich beiden nebenan die Show - Geschlecht hin oder her oder vielleicht eben gerade deswegen.
Wir hätten des Öfteren bereits die Gelegenheit gehabt, die Jungfrau zu besteigen. Wir haben aber stets an unserer Idee festgehalten, sie von ihrer dominanten und schönen Seite zu begehren und die Jungfrau daher ehrlich - by fair means - zu besteigen - jedenfalls im Aufstieg. Der (Inner(e)) Rottalgrat bietet das absolut geeignete Terrain dafür - wild, schuttig, interessant, viele Höhenmeter, irgendwie respekteinflössend und eher wenig begangen. Optimale Voraussetzungen also für uns. Wir waren zumindest auch in sehr guten Händen..
Silbernagel/Wullschleger meinen in Ihrem Topoführer, Berner Alpen, 3. Aufl. 2016: "Insgesamt sind 3250 steile Höhenmeter von Stechelberg bis zum Jungfraugipfel zu überwinden. Eine lange, aber auch rundum beeindruckende und abwechslungsreiche Tour, die einen kompletten und sehr erfahrenen Alpinisten abverlangt."
Stechelberg - Rottalhütte (T4, 5-6h, 1800Hm)
[12.07.2018] DIe Wetterprognose war hervorragend für den Freitag, die Bedingungen am Rottalgrat seien ebenfalls hervorragend liess Christoph am Telefon vermelden. Nichts wie los. So begann unsere Reise mit dem Postauto in Stechelberg angekommen nun zu Fuss im tiefen Tal auf rund 900m über Meer im Schatten der Jungfrau. Die ersten Sonnenstrahlen sahen wir eine gute Stunde später erst auf dem Altläger, wo wir das Panorama genossen und über das Lauterbrunner Breithorn sinnierten, das wir vor ein paar Jahren in selber Kombination aber bei sehr viel herausfordernden Bedingungen bestiegen hatten - es war um die selben Tage im Jahr.Der interessante Hüttenweg entlang dem Melchstuhl, wo bereits relativ früh am Morgen mit den Wingsuites abgeflogen wurde, wurde immer interessanter und bei der Bäreflue ist ein mit Drahtseil versichertes schuttiges Wändli emporzusteigen. Ich fühlte mich den ganzen Aufstieg lahm und schwindelig, hoffentlich würde es besser für den kommenden Tag, dachte ich mir. Trotzdem konnte ich den Weg zur Hütte geniessen, kein Wunder bei diesen Aussichten auf den Rottalgletscher und die spannende Moräne. Vor der Hütte, die wir in rund 5 Stunden erreichten, traversierten wir ein grosses Schneefeld und stiegen wieder mit der Drahthilfe zur wunderbaren Rottalhütte - ein Ort zum Verweilen und bestens ausgerüstet!
Wir teilten die Hütte mit 4 weiteren Bergstieger und Hüttentrekker und hatten zusammen einen angenehmen und lustigen Hüttenabend und jedenfalls vier der sechs eine eher kurz geratene Nacht.
Inner Rottalgat - im Schatten der Jungfrau bis in die Sonne auf dem Gipfel (ZS, IV, 5-6h bis auf den Gipfel 3-4h Abstieg, 1405 Hm)
Die Begehung des Inner(en) Rottalgrats ist eine charakterreiche Tour, die auch ein wenig gefährlich sein kann. Insbesondere ist dies ausgedrückt in sehr plattigem, ausgesetztem Gelände, dessen untergründige Festigkeit zu wünschen übrig lässt. Die Steilheit und die instabilen Gesteinsschichten mahnen in jedem Fall zur Vorsicht. Hinzu kommt, dass die Tour um einiges ernsthafter wird, wenn das oft vorkommende Wassereis zu Tage tritt. Ebenfalls charakteristisch für den Rottalgrat ist, dass meist der ganze Aufstieg im Schatten verläuft, den der Grat ist fast perfekt entgegen die sommerliche Sonnenlaufbahn (in unseren Breiten) gerichtet (WWS).Die Geologie ist ebenfalls interessant, dies merkt ein aufmerksames Auge auch bei der Begehung. Die Jungfrau liegt am nördlichen Rand des Aarmassivs. Ihre obere Front, die West- und Südseite jedenfalls ist eher kristallin, bzw. durch das Aarassiv geprägt (Gneise & Glimmer). Die Nordfront über das Silber- und Schneehorn sowie das charakteristische Rotbrätt mit dem Rotbrättgrat sind dahingegen sedimentären Ursprungs des Helvetikums (Kalkschichten). Wie man das beispielsweise auch beim Mönch beobachten kann (Südwestgrat oben und Ostgrat oben), ist der kristalline Teil des Berges (autochton, d.h. an dieser Stelle entstanden) über das Deckengebirge überschoben (beim Eiger beispielsweise sieht man davon nichts, vielleicht nicht mehr). Im unteren Teil ist der Rottalgrat damit kalkdominiert, dazwischen wechselt es sich ein wenig ab, was wahrscheinlich vorwiegend auf Erosionsprozesse zurückzuführen ist. Oben wird dann der Gneis dominant (ein rötliches und altes Gestein).
[13.7.2018] Am Freitag den 13. starteten wir um 03:45 Uhr im Schein unserer Stirnlampe ab der Rottalhütte. Nur kurz und auf direktem Wege noch oben zur ersten Wand in nordwestlicher Richtung über eine angenehme Wegspur. Diese verliert sich dann im Felsteil, der zwar gute Tritte hat aber relativ schuttig ist. Oben dreht die Route gegen Nordosten entlang von einfachen Wegspuren. Es war noch immer sehr dunkel, den auch der Mond machte Ferien und zeigte nur eine äusserst dünne Sichel, kaum wahrnehmbar.
Nach vielleicht 200-300 Höhenmeter waren wir in diesen berüchtigten, abwärtsgerichteten Kalkschichten. Der Wegfindung ist hier in der Dunkelheit Beachtung zu schenken, denn schnell versteigt man sich hier und ist in ausgesetztem noch viel schuttigerem und gefährlichem Gelände. Christoph voraus fand aber stets den besten Pfad. Es folgen erste Klettereien am Grat, meist über griffarme Erhebungen. Man ist immer gut beraten, die Schuhe auf gute Tritte zu setzen und sich konzentriert und bedacht zu bewegen.
Etwa auf 3150m, nach ca. einer Stunde ab der Rottalhütte quert man gegen Norden um den grösseren plattigen Steilaufschwung etwas zu umgehen. Hier sei empfohlen dem Band vielleicht so 30-40 Meter zu folgen, nicht weiter, aber danach wieder gegen den Inneren Rottalgrat zu drehen (hier gibt es eine kaum sichtbare gelbe Markierung). Es wurde danach - wieder auf dem Grat - immer steiler und wir erreichten über einzelne Sicherungsstangen, nun überholt von der anderen zweier Seilschaft einen Felskopf, den man auf der Sichtseite in einem nur kurzen aber sehr brüchigen Couloir emporsteigt (III). Danach folgt man diesem Grat besser direkt nach oben, wobei die anderen beiden eher rechts gingen. Danach folgten einzelne plattige Kalkübergänge (ausgerüstet mit einzelnen Bohrhaken und Sicherungsstangen) bis wir auf einen Kalksattel gelangten, der nun wieder flach ca. 30m zum emporragenden Schlussteil des Rottalgrats verläuft und damit zur ersten Fixseilpassage führt.
Nach den Fixseilen dreht man, nun aber im Übergang vom Kalk in den Gneis gegen rechts, ein steiler Aufschwung folgt, den man nach ca. 10m rechts emporsteigt (IV). Dies war für mich klar die schwierigste Stelle, die wir mit Friends absicherten aber doch eigentlich zwar mit Vorsicht aber gut ging. Der Gneisrippe folgten wir, bis sie etwas abflacht und wieder leicht gegen rechts dreht. Es folgt ein weiterer Aufschwung und viele lose Gneise in einer Querung gegen rechts, wo man bereits von etwas Distanz den Einstieg auf ca. 3690m in weitere Fixseile ausmachen kann. Diesen folgten wir natürlich wieder, stiegen nach dem ersten Teil etwa 3 Meter links mit einem Drahtseil ab um nochmals entlang der Fixseile direkt hochzusteigen. Nun ist man eigentlich eher auf dem Äusseren Rottalgrat, der ausser ein paar steilen Kletterstellen über brüchige und teils plattige Gratpassagen auf dem Einstieg in den Hochfirn endet. Hier gönnten wir uns eine kurze Pause auch weil hier natürlich die Steigeisen angezogen werden. Eine atemberaubende Aussicht hat man im Übrigen hier ins hintere Lauterbrunnental mit den schönen Nordwänden vom Gletscherhorn bis zum Breithorn (vlnr) und weit ins Kander-, Simmen- und Aaaretal mit Thunersee!
Der Hochfirn beginnt mit einem ersten steilen Aufstieg auf einen kurzen Grat, der auf beiden Seiten tief ins Tal zeigt. Danach steilt der Firn stetig an, bis wir mit den Frontzacken (40°) ca. 30-40m danach über leichte Felsen auf ein höheres kurzes flaches Plateau gelangt. Danach steilt es nochmals an für den Gipfelsturm. Oberhalb dieser Passage ist ein kleiner Felsgrat. Diesen hielten wir alle mit beiden Händen und hievten den Kopf zum ersten Mal am heutigen Tage an die Sonne - der Gipfel ist erreicht!! Welch eine Freude strömte durch unsere Körper, das war fantastisch!
Wir erreichten den Gipfel ca. um 09.00 Uhr und genossen den Aufenthalt mit Freude und einer wunderbaren Weitsicht und verweilten etwa eine halbe Stunde. Schön war auch, dass wir den Gipfel für uns alleine hatten. Die letzten Normalroutengänger waren bereits am Rottalsattel im Abstieg.
Der Abstieg im oberen Teil war angenehm mit einer guten Spur, die Querung zum Rottalsattel war letztes Wochenende bereits wieder blank aber bescherte uns keine Probleme. Vom Rottalsattel über den Schrund und links runter in den Direktabstieg, der bereits ziemlich aufgeweicht war, führte zu keinen Problemen und wir konnten auf dem Direktweg, unterhalb der Jungfrau zum Jungfaujoch absteigen. Um etwas nach 11 Uhr erreichten wir Bollywood, Chinatown - Kulturschock, wenn man von so einer Tour zurückkommt. Ich mag das Erlebnis allen gönnen... das sei hier vermerkt...
Literatur:
[Silbernagel/Wullschleger, Berner Alpen, Topo Verlag, 3. Auflage 2016, S. 184-187 / Ueli Mosimann, Hochtouren Berner Alpen, Vom Sanetschpass zur Grimsel, Verlag des SAC, 2. Auflage, 2006, S. 322-323]
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