Nicht stattfindende Säntis-Besteigungen – Teil II


Publiziert von rojosuiza , 5. April 2018 um 21:26.

Region: Welt » Schweiz » Appenzell
Tour Datum:24 März 2018
Wandern Schwierigkeit: T3+ - anspruchsvolles Bergwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-AI   Alpstein 

Gleissendes Licht! Ab dem frühesten Morgen begleitet es rojosuiza.

 

Heute ist Samstag. Der Tag soll laut Wetterbericht prachtvoll sein. Der Wetterbericht stimmt ganz und gar. Heute ist der letzte Tag von rojosuiza in der Schweiz, die Besteigung des Säntis kann nicht verschoben werden.

 

Wie endet diese Besteigung? – Es kann nur ein Erfolg werden, bei diesen Voraussetzungen.

 

rojosuiza rennt zu seinem Zug nach Muolen, mit den schweren Bergschuhen an den Füssen. Rennt er wirklich? – Natürlich nicht. Er fotografiert sich durch die Gegend, erst als die Zeit knapp zu werden beginnt, beschleunigt das den Berghelden. Von einem Zug zum andern eilt er und schliesslich ist es neun Uhr und er steht in Wasserauen.

 

Schon im letzten Abschnitt der Zugfahrt erscheinen die ersten Marsmenschen. Diese 3 ringen rojosuiza ein Lächeln ab: winzige Marsmenschen, Marsmenschen in Zwergausführung. Schwer gerüstet zur Schlacht auf den Pisten der Ebenalp.

 

Ernster wird die Bedrohung vor dem Parkplatz am Eingang zum Strässlein zum Seealpsee. Marsmenschen auch hier, sich rüsten zum Bergkampf. Hoffentlich wollen die auch zur Bahn! Aber während rojosuiza keuchend hochstapft zum See, merkt er schon, dass er nicht ungeschoren davon kommt. Die Meute kommt hinter ihm her, holt ihn ein, überholt ihn. Das kommt – der Leser begreift es wohl – weil rojosuiza immer wieder die schöne Landschaft fotografieren muss...

 

Erst sind es ein paar, dann immer mehr: Marsmenschen! Sie fallen förmlich vom Säntis herab! und rudern sich danach über die schiefe Ebene am Seealpsee! – Man grüsst freundlich, und dann und wann blickt man sogar in ein Gesicht. Helmlos sind es echte Menschen!

 

Es ist noch nicht mal elf Uhr, es wimmelt inzwischen. In Gruppen und Grüppchen kommen sie vom Berg herunter. Immer noch wird rojosuiza von Tourengängern beim Aufstieg eingeholt. Am Mesmer-Aufwung legt er Schneeschuhe an, nimmt sie aber bald wieder ab: das Gelände ist ihm zu steil, und unter den Schneeschuhen haben sich Eisblöcke gebildet.

 

Das kleine Bergdrama vor ihm ist noch nicht das Zeichen aufzuhören. Ein Paar auf Tourenskis müht sich ebenfalls den Abhang hinauf. Der Mann meistert die Schräge souverän, sie rutscht immer wieder ab und schreit ein jedes Mal verzweifelt auf. Schliesslich gibt sie auf und fährt allein zurück; ihr Partner geht weiter.

 

In diesem Hang also, der junge Frauen zu Verzweiflungs-Schreien bringt, endet die heutige Gipfelbesteigung auch für rojosuiza. Im Versucht, den Geschossen von oben etwas auszuweichen, steigt er immer mehr nach rechts in die Flanke hinaus. Es wird immer steiler, und immer härter unter den Füssen. Auch unser Held droht jetzt abzurutschen. Wenn er den Halt verlöre, würde er zwar ziemlich an Geschwindigkeit gewinnen – und das wäre gewisse erwünscht! – aber es würde mitnichten aufwärts mit ihm gehen. Jetzt gälte es wieder zu drehen und nur unweit höher wäre dann der Mesmer erreicht…

 

Was geht ihm durch den Kopf, dem Tropf? – Unter grossen Mühen nur erreichte er den Messmer. Dann folgte das Täli, dann eine weit steilere Leiter, eine Schräge, noch ein Hang zur Wagenlücke, etc. Das stellt er sich alles ganz plastisch vor. Jetzt ist einmal sekundenlang Ruhe im Couloir. Wenn er jetzt absteigen würde… sogar wenn er dabei recht in Schuss geriete, Zeugen sind keine da… Die ersten Schrittchen sind wenig selbstsicher, man ist auf rasche Talfahrt gefasst. Aber es geht und nach einigen Minuten ist man wieder unten an der Stelle, wo die verzweifelte Frau aufgegeben hat. Aber hier nimmt die Steilheit ab und das Selbstvertrauwen wieder zu.

 

rojosuiza hoppelt zum Tal hinaus. Wenn einem die eine Freude entgeht, so gibt es meist eine andere. Was wartet am Ende des Tales auf rojosuiza? – Nun, die Forelle! Der Berggasthof Forelle öffnet jedes Jahr am 1. Mai. Aber heute, bei Pracht und Wonne und oh so viel Sonne? – Die neue Terrasse ist zum Teil freigeschaufelt. An der Hauswand, windstill, steht eine Reihe von Tischen, mit einem leeren Tisch ganz für rojosuiza allein. Oh, herrliche Sonne! Oh, herrliche Wärme! Oh, herrliche Cappuccini! rojosuiza ist ganz gerührt oh aller Herrlichkeit, die sich ihm bietet.

 

Lachen muss er innerlich auch: Hier sitzt er unter Spaziergängern, zwischen Tourenskifahrer und Marsmenschen, die ihre Rüstungen abgelegt haben! – unter Dutzenden von Leuten! – und letztets Mal war alles zu, das Weiss war nicht hell, sondern dunkel, und mutterseelenallein hat rojosuiza in diesem Gebiet seine Bergabenteur bestanden! Und zwischen den beiden Malen liegt nicht einmal eine Woche! Welche Macht wohnt im Wetterbericht! Welche Kraft im Namen ‚Samstag‘!

 

Ist der Gipfel gewonnen? – Der Gipfel ist nicht gewonnen. Aber die Einsichten, die Weisheiten, die nimmt rojosuiza gelassen mit sich mit. 


Tourengänger: rojosuiza
Communities: Alleingänge/Solo


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