Der Pic Coolidge ist zwar mit 3775 m kein niedriger Gipfel, geht aber zwischen den höheren Gipfeln Barre des Écrins (4102 m) und Ailefroide (3952 m) etwas unter. Andererseits verspricht er eindrucksvolle und spannende Nahblicke auf die Südwand bzw. der Nordwände der höheren Gipfel. Zudem gilt er als leichte Hochtour (nach Dauphiné-Standard), so dass wir ihn als unsere erste Hochtour in diesem Sommer auserkoren haben.
Als Ausgangspunkt haben wir das weltabgeschiedene und nur im Sommer erreichbare Nest La Berarde (1720 m) gewählt, da nur hier eine günstig gelegene Hütte, das Refuge de Temple Écrins (2410 m), gelegen ist. La Berarde ist einer der zentralen Zugangsorte für das „Viertausender-Gebirge“ Dauphiné (u.a. für Meije, Dome de Neige/Barre des Écrins, Les Bans, Aiguille Dibona), bietet daneben alpine Klettergärten und Klettereien und steht aufgrund seiner Kleinheit im krassen aber wohltuenden Gegensatz zu den weiteren „Viertausender-Zentren“ wie z.B. Chamonix, Grindelwald und Zermatt.
1. Tag:
Nach der Nacht in La Berarde starten wir etwas Dauphiné-untypisch bei wechselhaften Wetter zum Refuge de Temple Écrins. Anfangs folgt man dazu flach dem Tal nach Südosten. Nach gut 1 Stunde biegt man dann links ab, um in vielen Kehren am linken Hang steil zum Refuge de Temple Écrins zu gelangen. Nach gemütlichen 3 Stunden erreichen wir schließlich das Refuge de Temple Écrins und sind froh eine trockene Bleibe zu haben, da es zwischenzeitlich zu regnen begonnen hat. Den langen Nachmittag können wir aber beobachten, wie sich das Wetter --wie prognostiziert-- stetig verbessert und trocknen unsere Ausrüstung. Der morgige Tag wird nach diesem kurzfristigen Schlechtwetterintermezzo ein Traumtag werden.
Die Hütte ist sehr einfach und neben uns übernachtet nur eine weitere Zweierseilschaft dort, die am nächsten Tag auch den Pic Coolidge angehen wird.
2. Tag:
Über einen gut ausgeprägten Bergpfad geht es dann am nächsten Tag in Richtung Süden los zum Pic Coolidge. Nach einer knappen Stunde hält man sich links (Osten) in das Kar, in dem sich früher der Glacier de la Temple befand. Über riesige Geröllfelder und später auch Schneefelder, in immer steilerem Gelände und furchtbar lockeren Geröll, erreicht man mühsam aber im Schatten das Col de la Temple (3312 m). Am Col de la Temple empfängt uns aber dann die Sonne und die eindrucksvolle Aussicht auf die nahe 1000-Meter-Nord- und Nordwestwand der Ailefroide sowie den früher klassischen Coste-Rouge-Grat wird frei. Ab dem Col de la Temple folgt man dann dem Südgrat des Pic Coolidge, der anfangs ein breiter Schuttrücken ist, weiter Richtung Norden, um zu der sperrenden Felsbastion zu gelangen, die man auf einem schon vom Col de la Temple aus sichtbaren Band in leichter Kletterei von links unten nach rechts oben quert. Anschließend geht es in leichter Kletterei weiter zu den Gipfeleisfeldern - Alles in Allem in kurzweiligen und übersichtlichen Gelände. Der Schlussanstieg zum Gipfel erfolgt dann nochmals in leichter Kletterei über einen kurzen Grat. Die Aussicht vom Gipfel ist dann ungewohnt: Richtung Osten und Westen die Weitblicke bis zu den italienischen Alpen bzw. bis zum Vercors, Richtung Norden und Süden die Nahblicke auf die Barre des Écrins Südwand und die Nordwände von Ailefroide, Pic Sans Nom und Mont Pelvoux mit den Pause Extrem-Klassikern des Südpfeilers bzw. der Nordwände.
Der Abstieg bei besten Wetter führt uns dann am gleichen Tag bis nach Le Berarde wieder zurück. Wir freuen uns bereits, dass wir am nächsten Tag --wieder bei herrlichen Sonnenschein-- eine gemütliche Granitklettertour an der Tête de la Maye machen werden. Ganz ohne den typischen Trubel und Massenauflauf wie in dem Kletterhotspot Ailefroide, drüben auf der anderen Seite der Dauphiné.
Resumee:
Schöne, leichte Hochtour auf einen Aussichtsgipfel, der trotz seiner beachtlichen Höhe von 3775 m aufgrund seiner eingezwängten Lage zwischen den höheren Gipfeln nicht durch seine Weitblicke, sondern insbesondere durch seine Nahsichten auf die klassischen Nordwände von Ailefroide und Co. bzw. die Südwand der Barre des Écrins besticht. Eistechnische Schwierigkeiten sind nur sehr begrenzt vorhanden, allerdings wird leichte Kraxelei verlangt.
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