Děvín a Stohánek (Dewin und Struhanken)


Publiziert von lainari , 21. Oktober 2016 um 22:13.

Region: Welt » Tschechien » Zákupská pahorkatina
Tour Datum:15 Oktober 2016
Wandern Schwierigkeit: T2 - Bergwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: CZ 
Zeitbedarf: 4:45
Aufstieg: 310 m
Abstieg: 310 m
Strecke:10,5 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Auto bis Hamr na Jezeře
Kartennummer:1:50.000, KČT Nr. 14 Lužické hory oder KČT Nr. 15 Máchův kraj

Eine bunte Truppe unterwegs im farblosen Herbst
 
Der Septembersommer wurde von einer kühlen, regnerischen ersten Oktoberhälfte abgelöst. Etwas bang sah ich dem Termin der traditionellen Wanderung der ehemaligen Kollegen entgegen. Nach Konsultation unzähliger Wetterberichte gab ich dennoch das Startsignal. Die gute Anmeldequote relativierte sich kurz vor Toresschluss noch ein wenig, so dass wir schließlich in 2011er-Besetzung starteten. Nach dem Treff in Bad Schandau fuhren wir gemeinsam in einem Auto weiter.
Rasch verließen wir unseren „failed state“, derzeit Ziel unablässiger Medienschelte und von außen gesteuerter Aufwiegelei. Blieb noch die Frage zu klären, wer oder was hier eigentlich gescheitert sein soll - die Einwohner oder ihre „Anführer“? Wenn auch deren einziges Rezept die Spaltung der Bevölkerung in gute und schlechte Bürger ist…
Mit Überschreiten der Grenze zu unserem freundlichen, ausgeglichenen und lebensbejahenden Nachbarland heiterte sich auch unsere Stimmung auf. Ganz ohne satellitengesteuerte Unterstützung navigierte ich das Fahrzeug ohne Umweg zu unserem heutigen Ziel Hamr na Jezeře (Hammer am See) im Zákupská pahorkatina (Reichstädter Hügelland). Trotz der nicht mehr allzu frühen Stunde waren wir die ersten Parkplatzbesucher im Zentrum des Örtchens.
 
Hamr na Jezeře liegt am Hamerský rybník/Hamerské jezero (Hammersee), einem im 16. Jh. zum Antrieb eines Eisenhammers künstlich aufgestauten Gewässer. Das dort verarbeitete Eisenerz wurde in der umliegenden Region an den Kontaktstellen zwischen der Sandsteinplatte und dem diese fallweise durchdringenden Basalt gewonnen. Die besagte Landschaft erstreckt sich südlich des Sees und ist von einzigartiger Faszination, gleichwohl sie in der jüngeren Geschichte vom Menschen arg geschunden wurde. Da wäre zum Einen die langjährige Nutzung als Truppenübungsplatz (VVP Ralsko) des Deutschen Afrikakorps (1942-1943), der Tschechoslowakischen Volksarmee (1946-1968) und der Sowjetarmee (1968-1990). Das Areal wurde großflächig von Munition/-sresten befreit (30 cm tief in Waldlagen und 50 cm tief auf Offenflächen) und ist somit bis auf Einzelfälle (Luftwaffenschießplatz mit 100-jährigem Bauverbot) wieder nutzbar. Beim Betreten sollte jedoch auf der Gesamtfläche immer eine angemessene Vorsicht gewahrt werden, weil tiefer verborgene Kampfmittel durch Naturereignisse immer wieder an die Oberfläche gelangen können. Die zweite Beeinträchtigung ergab sich durch den Uranbergbau bei Stráž pod Ralskem (Wartenberg). In für den Publikumsverkehr gesperrten Bereichen rekultiviert der staatliche Bergbausanierer DIAMO ein einstiges Uranabbaugebiet und befreit es von Altlasten. Da der ursprünglich bergmännische Abbau in den 1970er Jahren durch untertägige chemische Laugung ersetzt wurde, scheint dies eine ewige Aufgabe.
 
Wir begaben uns zum Seeufer des Hamerský rybník/Hamerské jezero und folgten einer grünen Wanderwegmarkierung. Laut Karte hatte ich einen diagonal blau-weiß gekennzeichneten Rundweg erwartet, welcher aber jüngst ummarkiert wurde. Das gewählte Angebot (Hamerský okruh 9 km) ist dabei auf Grund von unsystematischen Farbwechseln nicht mehr als Einheit wahrnehmbar. Ob das an der abweichenden Betreuung (sonst: Staatsforst, hier: Militärwald-Behörde VLS) und daraus resultierender mangelnder Erfahrung liegt, bleibt offen. Nach dem Wechsel auf eine rote Markierung entfernten wir uns vom Seeufer und liefen durch bewaldetes Gelände, später leicht ansteigend. An einem Sattel bogen wir auf einen Stichweg ab und stiegen zum Gipfel des Děvín (Dewin) mit der gleichnamigen Burg hinauf. Die Befestigung wurde um 1250 von den Markwartingern gegründet und diente als Königsburg für Ottokar II. Přemysl, bis dieser auf die Burg Bösig umzog. Im Verlauf gelangte sie an die Familie von Wartenberg. 1444 marschierte der Oberlausitzer Sechsstädtebund zur Belagerung auf, konnte die Burg jedoch nicht einnehmen. Dies gelang dann 1645 den Schweden, die die Burg zerstörten. Unter dem Burgberg wurde später über diverse Stollen und Schächte Eisenerz abgebaut. Wir besichtigten die umfangreiche Burganlage und legten einen kleinen Frühschoppen ein. Die aufmerksame Kollegin entdeckte aufgrund einer bodennäheren Beobachtungsperspektive Pilze mit Knubbel obendrauf, die erst nach einer Recherche als Erdsterne identifiziert werden konnten. Wieder abgestiegen, erkundeten wir auf der gegenüberliegenden Seite des Sattels den Hamerský Špíčak (Hammer(er) Spitzberg). Zum Aufstieg liefen wir rechts an einem kleinen Steinbruch vorbei und mühten uns über einen alten Pfad an der Bergflanke steil hinauf zum Gipfel. Den offensichtlichen Doppelringwall ordnete ich auf den ersten Blick als slawischen Ursprungs ein. Nach einer Quellenauswertung erweist sich das als falsch. Archäologische Grabungen bestätigten lediglich die Existenz einer Befestigung zwischen dem 14. und 15. Jahrhundert. In Kammrichtung befanden sich beidseitig des Gipfels etagenartig gruppierte Schachtpingen des Eisenerzbergbaues aus dem 18. Jahrhundert. Während ich gedankenlos über die Mühsal des alten Bergbaues und Mauleseltransporte fabulierte, schwitzte derweil ein tapferer Ritter unter der Last von zwei Rucksäcken. Der direkte Abstieg über die Bergschulter zum Sattel wies eine Kletterstelle auf. Dank bewährter kollegialer Assistenz meisterten wir diese problemlos. Ab dem Sattel folgten wir dem Wanderweg bis zu einer Kreuzung mit Infopavillon. Mittlerweile hatte ein leichter Nieselregen eingesetzt.
 
Nach dem Wechsel auf eine grüne Markierung bogen wir um den Široký kámen (Breiter Stein) herum und besichtigten links des Weges die Felsenmauer Skalní divadlo (Felsentheater) mit dem Švarcvaldská brána (Schwarzwälder Tor). An der nächsten Kreuzung mit Infopavillon pausierten wir. Gestärkt liefen wir weiter und passierten nach wenigen Metern das Denkmal für den tschechoslowakischen Generalmajor, Held der Sowjetunion Antonín Sochor, der im August 1950 an den Folgen eines mysteriösen Verkehrsunfalls verstarb. Der damals 36-jährige Sochor hatte im II. Weltkrieg eine tschechoslowakische Freiwilligenbrigade innerhalb der Sowjetarmee angeführt. Danach war er unter anderem bei Aufbau und Ausbildung der Israelischen Armee tätig, die auch auf tschechoslowakischen Truppenübungsplätzen stattfand. Nach einem Heimflug von Israel wurde 1949 das Flugzeug mit ihm an Bord über Malta von Unbekannten abgeschossen. Ein anderes Mal kam es zu einer ungeklärten Schussabgabe auf ihn. Dann fand schließlich hier an dieser Stelle ein Verkehrsunfall statt, bei dem sein Škoda 1101 Tudor von einem Morris Commercial Leicht-LKW der Fallschirmtruppen ungebremst und ohne Ausweichversuch gerammt wurde. Nach dem Denkmal legten wir den Aufstieg auf die Felsenburg Stohánek (Struhanken) zurück. Diese relativ kleine Anlage wurde um 1430 von Beneš z Vartemberka (Benedikt von Wartenberg) als Vorburg von Děvín angelegt. 1444 wurde sie beim Vormarsch des Oberlausitzer Sechsstädtebundes zerstört. Im Laufe der Geschichte wurde sie als Kalvarienberg mit einem Kreuzweg ausgestattet und als Einsiedelei genutzt. Nach der Besichtigung stiegen wir ab und orientierten uns auf den nächsten anderthalb Kilometern nach einer blauen Wanderwegmarkierung, die hier völlig systemwidrig eingesetzt wurde (blau und rot ist für Fernwanderwege vorgesehen, gelb und grün für lokale Wanderwege). Nach einem Wechsel auf die rote Markierung passierten wir ein keines Moor und kamen bei mittlerweile sonnigen Bedingungen nach Hamr na Jezeře zurück. Ein hungrig murrender und knurrender Teilnehmer wurde bei einem Besuch auf dem dortigen Kalvarienberg mit der Marienkapelle von 1832 noch einmal ins Gebet genommen, bevor wir die Rückreise antraten. Nach einer Fahrt durch den Sonnenuntergang steuerten wir ein kleines gemütliches Wirtshaus in Vysoká Lípa (Hohenleipa) an. Der schwächelnde Zeitgenosse wurde durch eine Flüssigernährung mit böhmischer Gerstenkaltschale aufgepäppelt, bevor uns überaus duftende und würzige Speisen serviert wurden. Satt und zufrieden kehrten wir nach Bad Schandau zurück. Goldie dankt Schneewittchen, dem Baumstützer und dem Haubentaucher für den herrlichen Tag.
 
Die pausenbereinigte (gemütliche) Gehzeit betrug 4 h 45 min. Die Wanderung hat T1-Charakter, die Zugänge zu den Burgen/Bergen sind als T2 zu bewerten.

Tourengänger: lainari


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Kommentare (2)


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klemi74 hat gesagt:
Gesendet am 21. Oktober 2016 um 23:29
Da hattest Du mit Deiner Vorankündigung neulich ja recht: ist wirklich spannender als mein Wüstenspaziergang.

Gruß,
Karsten

lainari hat gesagt: RE:
Gesendet am 22. Oktober 2016 um 20:51
Versprochen ist versprochen ;-)

Übrigens herzlichen Dank einmal für Dein anhaltendes Interesse an derartigen Berichten!

VG Holger


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