Mont Blanc (4810 m) Überschreitung: Rifugio Gonella -> Aiguille du Midi


Publiziert von Sarmiento , 11. August 2016 um 17:03.

Region: Welt » Frankreich » Massif du Mont Blanc
Tour Datum: 3 August 2016
Hochtouren Schwierigkeit: ZS-
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: F   I 
Zeitbedarf: 2 Tage
Aufstieg: 3750 m
Abstieg: 1500 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Mit dem Bus nach Courmayeur - von Aosta oder durch den Mont-Blanc-Tunnel von Chamonix. Dann weiter mit dem stündlich verkehrenden Bus zur Endstation ins Val Veny.
Zufahrt zum Ankunftspunkt:Mit Bus und / oder Bahn nach Chamonix
Unterkunftmöglichkeiten:Rifugio Combal Rifugio Gonella Refuge des Cosmiques

Italienischer Normalweg hoch, Route des Trois Monts zur Aiguille du Midi runter

Zum Mont Blanc als Tourenziel etwas zu sagen ist eigentlich überflüssig. Wie man jedoch hoch kommt, dazu gibt es vermutlich genauso viele Ansichten wie Möglichkeiten.
Unsere Entscheidung fiel auf den italienischen Normalweg über das Rifugio Gonella. Hier startet man auf 1700 HM im hinteren Val Veny und arbeitet sich Stück für Stück bis auf 4810 HM hoch. Zwar inklusive eines kurzen Teils des vollen Normalweges, dafür in der Länge der Tour mit deutlich weniger Betrieb und einem abwechslunsgreichen Mix aus Wandern, leichtem Klettern im II-er-Bereich, Gletscher und Mixed-Gelände. Der Abstieg führte uns dann zur Seilbahn der Aiguille du Midi. Nach der Ankunft dort wartete allerdings noch eine böse Überraschung auf uns...


Hüttenaufstieg:

Wir starteten um 10:10 Uhr mit dem Bus von Courmayeur ins hintere Val Veny. Der fährt bis in den letzten kleinen Weiler namens Visaille auf knapp 1700 HM. Da das Wetter einen schönen Tag versprach, war der Bus sehr gut gefüllt, hauptsächlich mit Tagestouristen, lediglich mit 2 weiteren Mont-Blanc-Aspiranten. Wir starteten unsere Tour also endgültig zu Fuß gegen kurz vor 11 Uhr, der Wegweiser an der Brücke über die Doire du Val Veny gab den Hüttenaufstieg mit 5 1/2 h an. Na dann, schau mer mal, wie lange wir heute brauchen. Direkt zu Beginn folgt der Hüttenweg der kleinen, geteerten Straße zum Rifugio Combal nahe dem Lac du Miage - hier herrschte ein Betrieb wie auf einem Basar. Am Rifugio Combal, das wir nach einer knappen 3/4 h gemütlichen Wanderns erreichten, gab's dann einen letzten italienischen Kaffee und einen wunderbaren Heidelbeerkuchen - natürlich frisch gebacken am gleichen morgen, yummy! Die Karte kündigte längst an, was folgend sollte: Ein stunden- und kilometerlanger Hatscher über den geröllbedeckten Glacier du Miage bis an dessen flaches Ende. Um aber erstmal dahin zu kommen, steigt man einen kurzen, steilen Weg auf die rechte Seitenmoräne des Miage-Gletschers hinauf, folgt dieser einige hundert Meter auf ihrer unerwartet schmalen und steilen Krone und steigt erst auf den Gletscher ab, wenn die Felswände des Mont Tseuc näher kommen. Hier geht die Moräne allmählich in den Fels über und "flacht" soweit ab, um einen Abstieg auf den Gletscher überhaupt erst zuzulassen. Wir hatten sogar einen "local guide" mit 4 Beinen und 2 Hörnern vor uns, der uns freundlicherweise einen Teil des Moränenwegs zeigte. Ab hier kann man übrigens bereits die Hütte sehen - allerdings nur mit gutem Auge oder Fernglas. Jetzt folgt der unangenehme Teil: Ca. 2 - 3 h geht es ausschließlich über Geröll vorwärts. Zunächst links haltend, wechselt man nach einer guten halben Stunde auf den mittleren Geröllwall, der einen dann bis an das flache Ende des Gletschers bringt. Man passiert dabei rechterhand die steilen und eindrucksvollen Gletscherbrüche des Glacier du Mont Blanc sowie des Glacier du Dome. Letzterer ist ab morgen dann auch der weitere Weg - allerdings auch erst ab dessen spaltenärmeren, oberen Teil. Der Glacier du Miage nimmt nun deutlich Steigung auf, wobei sich rechts vor einem ein kleiner Gletscherbruch mit Spaltenzone zeigt - eine weiträumige Umgehung links ist empfehlenswert und nur ein kurzer Umweg. Hier holten wir einige vor uns gestartete Seilschaften ein, nachdem wir zuvor auf dem langen Gletscher mutterseelenalleine unterwegs gewesen waren. Nach dem Gletscherbruch führt rechts ein steiles Schneefeld Richtung Aiguilles Grises auf, dem man kurz folgt und das wiederum rechts in die schuttigen und vom Gletscher glattgebügelten Felsen verlassen wird. Riesige gelbe Punkte auf einigen großen Felsen helfen einem auch bei schlechteren Wetterbedingungen, den Einstieg in den Hüttenweg zu finden. Bei uns führte zudem eine klar erkennbare Spur durch das Schneefeld genau auf die Felsen zu. In den Felsen geht es in sehr einfacher Kletterei weiter nach oben, immer rechts haltend, und man gewinnt schnell an Höhe. Teils ist der Weg hier bereits etwas ausgesetzter. Eine kurze Kletterstelle mit Leiter und Kette bringt einen dann endgültig in Richtung des Glacier du Dome. Zunächst flachen Gelände und der Weg wieder etwas ab, bevor ein großes Schneefeld gequert wird. Und plötzlich thront da über einem die Hütte - deutlich näher als zuvor, aber noch einige HM entfernt - und über einer felsigen Kanzel. Und die wird nun zur eigentlich Crux des Hüttenzustiegs, den der letzte Teil windet sich elegant, aber doch teils deutlich ausgesetzt an dieser Felsnase entlang hoch über dem Glacier du Dome nach oben. Hier sind die meisten Teile mit dicken Tauen, Leitern oder Ketten versichert. Da wir nicht wussten, was da alles auf uns zukommt, haben wir sicherheitshalber den Gurt angelegt und ein improvisiertes Klettersteigset aus Bandschlingen gebaut - bis auf die ersten 10 m dieses Abschnitts ist das aber eigentlich nicht nötig, wie wir schnell feststellen mussten. Es ist eben eine Frage der persönlichen Absicherung - hier sollte jeder selbst entscheiden, ob er die will oder nicht. Jedenfalls ist dieser Abschnitt auch wunderbar - leichte Kletterei, fast immer gute Griffe (und zur Not ja meist auch ein Seil) und ein paar Leitern - und man steht direkt vor, oder eher unterhalb der 2011 neu gebauten Hütte. Die hat Platz für 70 Personen, ausschließlich Schlaflager und innerhalb der Hütten KEINE Türen! Die räumliche Trennung besteht eigentlich nur aus verschiedenen Eben innerhalb dieser Blechschachtel. Und trotzdem - sie ist eigentlich recht gemütlich. Die Betten sind breit und bequem - man könnte hier durchaus ein bisschen länger schlafen.

Aufstieg:

Aber an Ausschlafen ist hier nicht zu denken - "Frühstück" gibt es für alle um 24.00 Uhr nachts, das ist durchaus rekordverdächtig für die Alpen! Oder kennt jemand noch frühere Zeiten? Es ist jedenfalls gewöhnungsbedürftig, direkt nach dem Essen ins Bett zu gehen, den Wecker zu stellen - und der sagt einem trotzdem, dass man von nun an höchstens 3 1/2 h nächtigen darf. So gesehen: Kurz nach Sonnenuntergang klingelt er dann, der Wecker, und nahezu die gesamte Hütte erwacht zum Leben. Die anderen haben auch gar keine Chance, so ohne jede Tür zwischen den "Krachmachern" und ihnen selbst. Das Frühstück war leider eine mittlere Katastrophe, selbst für italienische Hüttenverhältnisse, und insbesonders mit Blick auf das, was uns an diesem Tag erwarten würde. Da gab es nur kleinste, abgepackte Zwiebackscheiben, etwas Butter und Marmelade, einen kleinen abgepackteb Kuchen und einen Pott Kaffee oder Tee - sonst nichts. Da kann man die Minuten zählen, bis der erste Hunger wieder aufkommt. Das war bei uns ca. eine halbe Stunde nach der Hütte. Man seilt sich übrigens direkt vor der Hütte an, da der Glacier du Dome nur ca. 10 min später das erste mal betreten wird. Den geht es dann linkerhand, immer in der Nähe der Felsen der Aiguillies Grises, hoch. Permanent wechselt die Steigung des Gletschers und damit auch die Häufigkeit von Spaltenzonen. Mit uns waren ca. 10 andere Gruppen von 2 - 4 Leuten auf dem Weg nach oben, daher war die Wegfindung trotz Dunkelheit nicht allzu schwer. Für diese Seite des Mont Blanc ist das übrigens geradezu Hochbetrieb, normalerweise "verirren" sich hier wohl nur wenige Gruppen am selben Tag nach oben. Nun gut, die Wettervorhersage war auch ideal und bisher hielt sie auch, was sie versprach: Auf gut 3500 HM war es für 3 Uhr morgens erstaunlich mild und nahezu windstill. Das sollte sich noch deutlich ändern... Ab ca. 3700 HM steigt man linkerhand einen steilen Seitenarm des Gletschers hinauf und gelangt zum ersten mal auf den hier wenig ausgeprägten Grat der Aiguilles Grises, der den Glacier du Dome vom Glacier de Bionassay trennt. Man folgt ihm nach oben - teils auf einem schmalen Firnband, teils durch Felsen, aber nie schwierig. Am oberen Ende wartet der Piton des Italiens (4002 HM), unser erstes Etappenziel. Wir erreichen ihn um ca. 4:30 Uhr. Und ab hier, unvermittelt, weht ein eiskalter, starker Wind über den Kamm. Wir hofften, diesem im Windschatten des vor uns liegenden Dome du Gouter bald entkommen zu können, aber weit gefehlt - der Wind nimmt immer mehr Fahrt auf und kühlt uns schnell aus. Bevor es noch ärger wird, pausieren wir ungewollt auf dem verdammt schmalen Grat und ziehen uns alles an, was der Rucksack hergibt. Alleine diese kurze Pause kühlt uns derart aus, dass wir dannach nur eines im Sinn haben: Laufen, laufen, laufen, nur um irgendwie selbst etwas Wärme zu produzieren. Links sehe ich mittlerweile fast nix mehr, da meine Brille komplett gefroren ist. Eigentlich ist alles in kürzester Zeit gefroren - Rucksack, Jacke, Seil, Schuhe. Der Wind und das fein verteilte Eis kriechen in jede noch so kleine Lücke. Kurz unterhalb des Dome du Gouter und vielleicht nach einer 3/4 h erreichen wir endlich eine Stelle, die windgeschützt ist - eine kleine Schneewehe von 2 m Höhe schirmt den Wind perfekt ab. Hier pausieren wir erstmals, essen und trinken fast den gesamten Tee leer. Links von uns liegen tief im Tal die Lichter von Saint Gervais, Sallanches, und in der Ferne funkelt Genf vor sicher her - endlich haben wir auch die Muße, diesen Anblick kurz zu genießen - wow! Ganz langsam dämmert es, und wir sehen zum ersten mal zum Mont Blanc empor - viele Stirnlampen, aber noch viel größere Sturmfahnen am Gouter- und Mont-Blanc-Gipfel lassen nichts gutes erahnen. Oh je, das kann ja was werden heute. War die Wettervorhersage nicht eigentlich viel besser? Es hilft ja nichts, wir müssen weiter. Wieder geht es rein in den Wind und geradewegs hoch auf den Dome du Gouter. Der hat hier wenige Spalten, die einen fast direkten Weg nach oben erlauben. Auch ist weiterhin eine Spur vor uns erkennbar. Erstaunlicherweise werden die Sturmfahnen oben langsam kleiner, und auch bei uns flaut ganz langsam der Wind ab, bis er im Col du Dome schließlich ganz weg ist. Mittlerweile ist es 6:30 Uhr, über dem Mont Maudit geht in den letzten Sturmfahnen eindrücklich die Sonne auf. Nun sind wir in der autobahnähnlichen Spur des Normalwegs über den Bosses-Grat angelangt, die Stirnlampen sind aus und der Wind ist weg - endlich geht es auch wieder mit Genuss vorwärts. Das Vallot-Biwak erreichen wir zügig, sodass wir direkt dahinter eine weitere kleine Essenspause einlegen und die ersten Sonnenstrahlen richtig genießen können. Wir sind später dran als die allermeisten Normalweg-Aspiranten, die wir nun deutlich weiter oben als Grat-Polonaisse ausmachen können. Für uns bedeutet das: Noch ist der Grat fast frei. Dann nix wie weiter, über die beiden Bosses-Kuppen und eine einzige, jedoch große Spalte arbeiten wir uns hoch. Mittlerweile kommen uns einige Gruppen wieder entgegen, so dass es teils sehr eng wird. Uns fällt auf: Bis auf wenige, humoristische Ausnahmen scheint man sich hier oben nicht zu grüßen. Ist da jeder mit sich selbst beschäftigt, oder sind hier tatsächlich so viele Leute unterwegs, die diesen netten Brauch einfach nicht kennen, weil der Mont Blanc ihr erster, echter Berg ist? Nach 5 freundlichen "Bonjour" oder "Ciao" unsererseits ohne Gegenreaktion tun wir's den andren gleich und sagen einfach nix mehr. Dann, endlich um 9:30 Uhr - nach 9 h und 1800 HM Aufstieg - sind wir oben. Sicher, andere waren schneller, aber wir haben ja auch Zeit und einen herrlichen Tag vor uns, dachten wir zu dem Zeitpunkt jedenfalls noch. Wir genoßen den Gipfel bei herrlichstem Panorama und - um diese Uhrzeit - mit gar nicht mehr so vielen anderen Bergsteigern und machten uns erst um 10:10 Uhr auf den Abstieg Richtung Aiguille du Midi.

Abstieg:

Erst geht es mäßig steil auf dem breiten Nordrücken des Mont Blanc bergab, bei der Mur de la Cote wird das Gelände hinunter zum Col de la Brenva allerdings noch einmal sehr steil. Für die 500 HM Abstieg bis hierhin benötigten wir bereits 1 1/2 h, das war u.a. einer langsamen Gehweise, aber hauptsächlich dem vielen Neuschnee der letzten Tage geschuldet. Die Idee, auf dem Weg noch den Mont Maudit "mitzunehmen", begruben wir ziemlich schnell. Wir querten auf der Cosmique-Spur unterhalb des Maudit auf dessen NW-Seite hin zum Col du Mont Maudit. Von den steilen Hängen bröselte permanent feines Eis herunter, teils von den Felsen, teils direkt auf dem Eis entstanden, aber sicher alles vom Sturm der letzten Nacht. Genau in dem Moment, als ich eine kleine Rinne durchlief, nahm die Bröselei erheblich zu - und ich pushte meinen Kumpel, Gas zu geben. Wer weiß, ob da nicht gleich noch viel mehr runterkommt? Mir wurde jedenfalls in diesem Moment das erste mal am Maudit etwas anders. Auf einmal, unvermittelt, war es vorbei und wir standem am Col - die Spannung wuchs: Wie würde wohl die berüchtigte Nordseite des Cols aussehen? Sie war wie erwartet voll von Schnee, aber auch mit einer guten Spur ausgestattet. Wir überlegten kurz vorsichtig abzusteigen, entschieden uns aber bis zum gangbaren Weg unterhalb der ersten großen Spalte abzuseilen. Dazwischen liegen noch ein paar steile Felsen, in denen bereits einige Bergsteiger saßen, kletterten oder sicherten. Aber zunächst mal war der Abseilplatz belegt - vor uns 2 Spanier, die ihr 30-m-Seil nicht entwirrt bekamen. Da kam mir glücklicherweise der Gedanke: "Nicht abwarten, was die machen, sondern einfach reindrängeln, unser 60-m-Seil einhängen und alle nacheinander daran runter lassen, das würde für alle bedeutend schneller gehen." So war's dann auch. Fast zumindest: Der erste der beiden beschwerte sich, was wir da für Knoten ins Seil gemacht hätten. Ihm klar zu machen, dass der Sackstich die Endknoten waren, um unten nicht aus dem Seil einfach herauszufallen, war eigentlich schon skurill genug. Er dachte allen ernstes, wir wollen ihn ärgern. Er hat den Knoten dann aufgemacht (zum Glück gibt's ja noch einen zweiten) und verschwand hinter den Felsen - immerhin vorbei an den anderen Leuten in den Felsen, die offensichtlich alle mit kürzeren Seilen unterwegs waren - der Plan mit dem langen Seil schneller durch diese Stelle zu kommen, schien aufzugehen. Nun gut, das Seil war frei - und der erste Spanier tauchte seilfrei auf der Abstiegsspur unter den Felsen auf und ging einfach weiter, ohne auf seinen Kumpel zu warten, der noch bei uns stand und sich erst einmal erklären lassen musste, wie man mit einem Tube abseilt. Man kann sich glaube ich denken, was wir in diesem Moment dachten. Einer der Gedanken war: Zum Glück sind die jetzt unter uns und nicht über uns. Gut, nachdem die beiden durch waren, waren wir an der Reihe. Wir waren schnell unten, hangelten uns dann noch weiter entlang der (von oben nicht einsehbaren) Fixseile unterhalb der Felsen bis über die erste große Spalte, wo man wieder gerade stand. Also wieder anseilen und weiter. Ganz weit unten, in einem Lawinenkegel, den die Spur quert, turnten mit großem Abstand zueinander bereits die beiden Spanier herum. Ich war immer noch ein bisschen sprachlos. Die steile Flanke war gut zugeschneit, sodass wir uns in der starken Mittagssonne beeilten, voranzukommen - eine Lawine weiter unten war wohl bereits vor einigen Tagen hier abgegangen, eine zweite jetzt gerade wäre nicht unmöglich gewesen. (nachträgliche Anmerkung: Ein paar Tage später kam tatsächlich genau hier eine runter und begrub 3 Menschen unter sich: NZZ: 3 Tote durch Lawine am Mont Maudit). Beim Queren der überhängenden Seracs am unteren Ende muss ich ehrlich gestehen, dass mir ein zweites Mal am Maudit deutlich anders wurde und ich das große Bedürfniss hatte, hier so schnell wie möglich wegzukommen. Dann noch durch den Lawinenkegel und in das breite und flache Col Maudit. Wieder pausierten wir kurz, aßen unser letztes Sandwich und schauten uns - mittlerweile ganz schön ermüdet - den Gegenanstieg zum Mont Blanc du Tacul hinauf auf. Es war mittlerweile 13:30 Uhr, wir waren seit 13 h unterwegs. Die fixe Idee, auch noch den Tacul mitzunehmen, nahm keiner mehr ernst und die Entscheidung auf den Gipfel zu verzichten war einfach. Also hoch auf die SW-Flanke des Tacul, ihn westlich queren, und hinein in dessen berüchtigte, spaltenreiche NW-Flanke - zum Glück war neben der Spur vom Gipfel des Tacul auch dessen Umgehungsspur gut sichtbar und wir kamen auf der passenden Höhe über der ersten, großen Spalte raus. Die Spur durch die NW-Flanke kommt in diesem Jahr gänzlich ohne Leitern aus, dafür muss man ganz schön um die vorhandenen Spalten herum meandrieren. Mittlerweile unter 4000 HM war der Schnee in der Nachmittagssonne bereits sulzig geworden, wir staksten auch aufgrund der Müdigkeit den Berg eher herunter als dass das wirklich noch als laufen zu bezeichnen wäre. Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis wir gegen 15:15 Uhr im Col du Midi standen. Wir waren fix und alle. Also schnell die letzten Riegel herausholen, die Kleidung auf ein erträgliches Maß reduzieren, aufgrund des Sulzes die Steigeisen ausziehen, und den letzten Anstieg zur Aiguille du Midi in Angriff nehmen. Unser Ziel war klar: Wir mussten spätestens um 17 Uhr an der Station sein, um den Bus um 18 Uhr ab Chamonix durch den Mont-Blanc-Tunnel nach Courmayeur noch zu erreichen. Dort stand unser Auto, und ein kleines, schönes Hotelzimmer samt Dusche wartete dort auch bereits auf uns. Die flachen Meter am Refuge Cosmique und den Südwänden der Aiguille du Midi vorbei zogen sich gefühlt ins Unendliche. Wir gaben trotzdem Gas und langsam steilte der Weg zum berühmten Firngrat an der Midi auf. Mittlerweile nebelte es dort zum Glück, sonst wäre es eine noch schweißtreibendere Angelegenheit geworden. Allerdings bereute ich im steiler werdenden Gelände etwas, die Steigeisen bereits weggepackt zu haben. Aber es ging auch so, und irgendwie waren wir so von unserem Plan getrieben, dass wir sogar noch 3 weitere Gruppen im kurzen Aufstieg hinter uns ließen. Mein Tempo kam mir schnell vor, aber vermutlich war es das nicht mehr, denn wir standen erst um 16:50 Uhr auf der Plattform der Aiguille du Midi. Endlich! Aber Freude, Erleichterung? Nicht in diesem Moment - es fühlte sich nur wie ein weiteres Zwischenziel des Tagesplans an.

Nachspiel:

Keine Zeit für Photos oder Glückwünsche, wir gingen genauso wie wir kamen zum Ticketschalter - angeseilt. Was für ein Anblick das gewesen sein muss. Alles ging fix, bis uns jemand vom Personal Platzkarten in die Hand drückte. Häh, was sollen wir hier oben damit? An der Gondel angekommen, wurde alles klar: Aufgrund des schönen Wetters hatten die Midi Unmengen an Leuten angelockt, die jetzt um 17 Uhr nachmittags alle wieder herunter wollten. Und da verstanden wir zum ersten Mal, dass unsere Nummer 47 noch nicht dran war. Gerade durften alle 44-er-Nummern einsteigen. Wir rechneten und sahen vor unserem geistigen Auge bereits den Bus davon fahren. Na wunderbar... Wir fragten nach, ob wir früher runterdurften, wegen des Busses. Keine Chance. "Idioten!" - der einzige Gedanke in diesem Moment. Wir mussten eine 3/4 h warten, bis wir in die erste Sektion gelassen wurden. An der Mittelstation ging das Spiel dann nochmals weiter, sodass wir erst gegen 18:30 Uhr ganz unten waren. Der Bus war natürlich längst weg.
Ja, was nun? Wir horchten, ob Italiener ausstiegen und fragten ein paar, ob sie aus Courmayeuer herübergekommen waren und uns mitnehmen könnten. Leider war keiner dabei - oder willens, uns mitzunehmen (einer sagte uns Hilfe zu, ging aufs Klo, und kannte uns beim Herauskommen auf einmal nicht mehr und sprach "überraschend" nur noch französisch. Sehr nett...) Wir starteten einen weiteren Versuch am Parkplatz der Seilbahn, auch ohne Erfolg. Selbst der Weg herüber zur Straße, die hoch zum Tunnel führt, schien uns in unserer leißen Verzweiflung nicht zu weit. Denn die Taxi-Preise durch den Tunnel (120 €) sind nicht bezahlbar, und ohne ein einziges Stück frische Klamotten ist ein Hotelbett auch nur die letzte Alternative. Aber auch Trampen am Tunnel selbst half nichts, eine halbe Stunde lang fuhren alle Autos ans uns vorbei. Völlig entnervt gaben wir auf. Zum Glück hatten die Handys noch genug Akku und so war schnell eine Unterkunft gefunden, die für Chamonix sogar bezahlbar war - leider am anderen Ende der Stadt. Und wieder eine 3/4 h laufen, das ist nach so einem Tag und diesem Erlebnis natürlich "Freude pur". Dort angekommen, genehmigten wir uns noch zumindest ein kleines Bier auf unseren Triumph. Ohne Abendessen übermannte uns die Müdigkeit und wir schliefen direkt ein.
Am nächsten Tag klappte dann alles so wie bereits für den Tag zuvor geplant. Außer der Stau vorm Mont-Blanc-Tunnel. Aber gut, wir waren immer noch müde und haben ihn einfach verschlafen.

Fazit:

Eine tolle Alternative zum französischen Normalweg, v.a. für diejenigen, deren Ambitionen nicht bis zum Peuterey- oder Brouillardgrat reichen, die aber vor langen Touren und etwas Kletterei auch nicht zurückschrecken. Plätze auf dem Rifugio Gonella sind offensichtlich auch kurzfristig zu erhalten, wir jedenfalls haben erst 3 Tage vorher angerufen. Der Hüttenzustieg zur Gonella ist schön und abwechslungsreich, zumindest bis auf das lange Geröll-Stück über den Gletscher. Unser Gipfeltag dauerte 16 1/2 h, ging über 2350 HM hoch und 1500 HM runter, legte aber v.a. dank des Weges am Maudit und Tacul vorbei auch enorm viel Strecke zurück. Alles in allem eine Tour für Gletscherliebhaber und Konditionsbolzer, sicher nur schwer mit dem Normalweg vergleichbar. Ein bisschen Schwindelfreiheit gehört auch dazu, denn der Grat vom Piton des Italiens hinüber zum Dome du Gouter ist wohl einer der meist ausgesetzten Firngrate der Alpen. Wer auf der Gonella übernachtet, sollte weder frühes Aufstehen (um 23:45 Uhr!) scheuen, noch den Wert des Frühstücks unterschätzen und sich entweder viel eigenes Futter mitnehmen - oder dort Sandwiches für den nächsten Tag ordern, die sind nämlich im Gegensatz zum Frühstück super - groß und lecker!

Tourengänger: Sarmiento


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