Warten Nord und durch die Tüfelsmüli aufs Schnebelhorn


Publiziert von Delta Pro , 20. Mai 2008 um 07:29.

Region: Welt » Schweiz » Zürich
Tour Datum:27 April 2008
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: Zürcher Oberland   CH-SG   CH-ZH 
Zeitbedarf: 5:00
Aufstieg: 790 m

Ein abenteuerlicher Frühlingstag im Tössbergland: Wiederholung von ossi’s Warten Nordwand-Route und Eröffnung des ersten Alpin-Aufstiegs aufs Schnebelhorn inklusive einer Gletscher(?)-Begehung

 

Was den Wagemut der Tössbergland-Bergsteiger betrifft, da ist ossi ungeschlagen! Wenn der Delta in einem ossi-T5 doppelt so zittrige Knie bekommt wie in der Gamsberg-Goldlochroute, ja wie sieht dann erst ein ossi-T6 aus? Auf jeden Fall hat die Warten Nordwand jetzt eine Zweitbegehung erfahren. Für schwache Nerven ist der Aufstieg dennoch nichts!


In dieser Züri-Oberland Tour der Superlative haben wir neben der Begehung der Warten Nordwand eine schöne Z4-Route über den Schindelberg Nordwest-Sporn begangen und die erste Alpin-Route am Schnebelhorn eröffnet – sie führt durch die vergessene Märchenwelt der geheimnisvollen Tüfelsmüli, in der sich unermessliche Schneeablagerungen befinden. Dieser Aufstieg gehört zu den schönsten und abenteuerlichsten Touren, die ich im Tössbergland je unternehmen durfte!


Ein traumhafter Frühlingstag – wie geschaffen für allerhand epische Unternehmungen: z.B. Dufour, Tödi – oder Begehungen im Tössbergland! Start beim Parkplatz Bärloch bei der Strahlegg mit diversen anderen Wanderern, die uns wegen dem Pickel im Gepäck etwas misstrauisch anschielen. Unter die Warten Nordwand und zügig den mit Bärlauch ergrünenden Hang gegen die Nagelfluhwände hinauf. Die Warten Nordwand gliedert sich in drei Abschnitte: eine untere, mässig steile Felsstufe, die durch ein breites Band von der senkrechten, rund 20 Meter hohen mittleren Stufe getrennt ist, und die ca. 40 Meter hohe Gipfelstufe, die unterschiedliche Steilheiten aufweist.

 

Wir nahmen die erste Stufen wohl auf ossi’s Via Fango in Angriff und querten dann auf dem Band nach links zum markanten Wurzelsporn von ossi’s Nordwand Route vom März 2007. In herrlicher Wurzelkletterei durchsteigt man den Absatz und erreicht die senkrechten Gipfelwände. Von hier geht es auf einem schmalen, sehr ausgesetzten Band nach links. Diese Passage ist nur absolut trittsicheren und erfahrenen Tössbergland-Kletterern zu empfehlen, da die Absturzgefahr beträchtlich ist, keine Griffe zur Verfügung stehen und der Boden unter feuchtem Laub teils schlammig ist. Ich würde das Band mit T6 bewerten. Man umrundet ein Eck, anschliessend flachen die Gipfelwände ab. Bei guten Verhältnissen kann man direkt über die mit Graspolstern besetzte Nagelfluhwand gegen den Gipfel steigen. Ich war etwas weniger mutig als ossi und bin noch etwas weiter nach links gequert und habe mich dann im steilen, rutschigen und griffarmen Gelände zum Gipfelkamm hochgearbeitet. Stock und Pickel sind in dieser Route hilfreiche Begleiter.

 

Wanderung auf den Schindelberg West-Gipfel und auf dem anfangs mässig steilen Nordwest-Sporn bergab. Der Einsatz der Hände ist selten nötig, ein Gemswechsel ist ab und zu erkennbar. Im unteren Teil ist der Sporn schlecht ausgeprägt. Zwei steile Stufen müssen überwunden werden. Beide sind relativ feucht und rutschig. Bäume und feine Wurzelgriffe erlauben jedoch eine Begehung. Nach knapp 300 Höhenmetern Abstieg erreicht man eine Wiese, Spur ehemaliger Bewirtschaftung der steilen Bergweiden im Tössbergland.

 

„Tüfelsmüli“ – als ich diese Ortsbezeichnung vor etwas mehr als einem Jahr auf der Karte entdeckte, war sofort klar, dass dies ein verstecktes Bijou im Tössbergland ist. Die Tüfelsmüli ist eine Aufweitung in einer wilden, schwer zugänglichen Schlucht am Südostfuss des Schnebelhorn. Im oberen Teil ist der Grund der Tüfelsmüli mit einem mächtigen Lawinenkegel ausgefüllt – hier herrscht Potential für den einzigen Gletscher im Tössbergland. Ob’s denn tatsächlich einer ist, wird im Herbst gecheckt!

 

Von der obersten Weide südlich der Tüfelsmüli führt auf ca. 970 m.ü.M. ein horizontaler Weg bis zu einem Bachlauf. Anschliessend quert man leicht aufwärts, bis man auf einem undeutlichen Gemswechsel den steilen Hang direkt unter einen eindrücklichen Wasserfall passieren kann. Über eine schlammige Passage erreicht man wieder festen Grund und in wenigen Schritten das „Innere der Tüfelsmüli“ (Z3-). Die Nagelfluhwände treten hier zurück und machen Bäumen Platz. Von allen Seiten stürzen Wasserfälle über die Felswände, vorne ist das leuchtend weisse Schneefeld zu erkennen. Die Tüfelsmüli ist ein Besuch wert!

 

Im Talgrund aufsteigend erreichen wir nach wenigen Minuten das Schneefeld. Auf dem wahrscheinlich gegen 10 Meter mächtigen Lawinenkegel kommen wir schnell in die Höhe, da es wohl einige Nagelfluhstufen bedeckt, die im Spätsommer Probleme bereiten könnten. Nach dem Ende des Schneefeldes wird das Gelände steiler und man muss die Hände zu Hilfe nehmen. Nach einer kleinen Verflachung, wo ein Ausstieg aus der Tüfelsmüli auf beide Seiten möglich wäre, verengt sich das Tobel zu einer steilen, offenen Nagelfluhrinne. Die zentrale Spalte scheint sehr tief zu sein und ist mit Dreck und Laub gefüllt. Sie bietet gute Tritte in der immer steiler werdenden Abschlusswand der Tüfelsmüli. Man steigt alles in der Rinne und überwindet so vom Ende des Schneefeldes rund 100 Höhenmeter. Die heikelste Stelle befindet sich nach dem Ende der Nagelfluh, wo sich im erdigen Boden keine Tritte und Griffe mehr finden. Ein Pickel ist hier sehr nützlich – sonst vollgas bergauf und nicht zurück in die Rinne rutschen! (Vielleicht muss man hier ja ein Fixseil installieren ;-) ) Anschliessend kann man leicht nach rechts hinausqueren oder die letzten Meter an Wurzelgriffen in der jetzt weniger steilen Rinne zurücklegen. Der Aufstieg durch die Tüfelsmüli liegt im Z4/Z5-Bereich. Über Wiesen auf den Wanderweg aufs Schnebelhorn, anschliessend über die beiden Warten-Gipfel zurück nach Bärloch.


Tourengänger: Delta, sglider


Minimap
0Km
Klicke um zu zeichnen. Klicke auf den letzten Punkt um das Zeichnen zu beenden

Galerie


In einem neuen Fenster öffnen · Im gleichen Fenster öffnen


Kommentare (4)


Kommentar hinzufügen

ossi hat gesagt: Gewaltig
Gesendet am 20. Mai 2008 um 10:01
Einmal mehr ein gewaltiges Leseerlebnis, dazu die freudige Feststellung, dass das Schnebelhorn nun auch eine Alpinroute aufweist.
Hinter Warten Gipfelschrofen: Ganz direkt hab ich die Gipfelschrofen auch nicht erklettert, die Erdauflage ist da erwiesenermassen nicht gerade vom Feinsten und die Nagelfluh noch viel weniger, ein leichtes Ausweichen ist sicher ratsam.
Pickel: Hmmm,den Pickel versteck ich immer tief im Rucksack. Ich komm mir mit dem Teil im Tössbergland stets irgendwie illegal vor;)

Wünsche Euch weiterhin unvergessliche Touren

ABoehlen hat gesagt: Gletscher im Tössbergland???
Gesendet am 20. Mai 2008 um 12:31
Ich muss zugeben, dass ich da sehr skeptisch bin, lasse mich aber gerne im Herbst vom Gegenteil überzeugen!
Im Trümmeltal bei Lauterbrunnen zeigte die Landeskarte noch bis vor einigen Jahren blaue Kurven (=Gletscher oder Firn) knapp über 1000 m. Die aktuelle Ausgabe zeigt davon aber nur noch einen winzigen Rest auf ca. 1300 m. Allerdings kommt in dieses Schattenloch, fast 3000 Meter unter dem Gipfel der Jungfrau wohl kaum je ein Sonnenstrahl hin!

Delta Pro hat gesagt: RE:Gletscher im Tössbergland???
Gesendet am 20. Mai 2008 um 20:06
Nun, ich verstehe, dass der geneigte Naturliebhaber da zweifelt - Gletscher am Schnebelhorn?! Mir geht es ehrlich gesagt gleich. Aber wer nicht ans Unmögliche glaubt... ;-)
Auf jeden Fall gibt es in der Tüfelsmüli ein "Potential" für einen Gletscher. Ob dieses ausgeschöpft wird, werde ich im Oktober klären. Die Chancen stehen wohl aber nicht besonders gut.
Gruss, Delta

Bombo hat gesagt: 1. Klasse
Gesendet am 20. Mai 2008 um 22:30
Salü Delta und Sglider

Zuerst Euch beiden Gratulation zu dieser Begehung - ich denke, zusammen mit Ossi habt Ihr nun garantiert das Tösstal in ein Licht gerückt, wo so mancher - und ich zähle mich auch gleich dazu - Berggänger ins Träumen versetzt.

Dir Delta möchte ich noch ein besonderes Kompliment für den Bericht aussprechen - mich hat dieser von der ersten Zeile bis zum Schluss weg super fasziniert und ich muss aufpassen, dass wenn ich Eure Route nach"exloriere", dass ich dann nicht bei jedem Schritt gleich Deinen Bericht konsultiere, in der Angst, ich könnte vergessen zu haben, etwas aus dem Bericht auszukundschaften.

Super Tour, genialer Bericht - das ist HIKR-Leben - geil gemacht!

Cheerio, Bombo


Kommentar hinzufügen»