Die große Cairngorms-Schleife: Fünf 4,000-Füßler und zwei sehr spezielle Bonus-Munros


Publiziert von highpointa , 11. Juni 2013 um 23:12.

Region: Welt » United Kindom » Schottland
Tour Datum:12 Mai 2013
Wandern Schwierigkeit: T4 - Alpinwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: GB 
Zeitbedarf: 2 Tage 18:45
Aufstieg: 3042 m
Abstieg: 3042 m
Strecke:42 Kilometer
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Von Aviemore über Loch Morlich / Glenmore bis zum Skicenter im Coire Cas. Die Strecke ist beschildert.
Zufahrt zum Ankunftspunkt:Siehe Ausgangspunkt.
Unterkunftmöglichkeiten:Cairngorm Lodge, das Youth Hostel der SYHA (http://www.syha.org.uk) in Glenmore am Loch Morlich. Adresse: Glenmore, Aviemore PH22 1QY, Tel.: 01479 861238, email: cairngormlodge@syha.org.uk
Kartennummer:Landranger Map 36 Grantown & Aviemore 1:50 000

Der Morgen nach den Wasserspielen am Ben Lui. Es schifft immer noch (oder schon wieder?), und daran wird sich einstweilen auch nix ändern. Die Wettervorhersage für die gesamten südlichen Highlands ist eher prasselnd als prickelnd. Dafür scheint es aber 150 Kilometer weiter nordöstlich in den Cairngorms aufzuziehen. Die Prognose verspricht für das höchste zusammenhängende Berggebiet der Insel zwar keinen spontanen Sommereinbruch, aber die zu erwartenden Niederschläge in den nächsten Tagen sind dort vergleichsweise überschaubar – nennenswerte Gewitterwahrscheinlichkeit erst am späten Nachmittag, davor höchstens mal kurze Schauer, bei durchweg kräftigem Wind.
 
Wir sind uns sicher,  damit in jedem Fall besser leben zu können als mit der Dauerberieselung in Crianlarich, brechen also dort unsere Zelte viel früher als geplant wieder ab und zockeln statt dessen gemütlich gen Aviemore. Als wir Großbritanniens bekanntestes Wintersportzentrum vier Stunden später erreichen, heißt es uns doch tatsächlich mit 45 angenehm wärmenden Sonnenminuten willkommen, ehe dunkle Wolken aufziehen und es leicht zu nieseln beginnt. Wir sind trotzdem schwer begeistert. Nach der gestrigen Erfahrung stellt dieser feine, kaum spürbare Sprühregen ganz ohne Zweifel eine signifikante Verbesserung der Lebensqualität dar.
 
Am Abend sitzen wir in der Cairngorm Lodge, dem Youth Hostel in Glenmore, gutgelaunt über der Landranger Map und gehen mit dem Finger auf derselben schon mal die angedachte Route ab. Der Plan: Die fünf höchsten Gipfel der Cairngorms, allesamt über 4.000 Fuß messend, in einem Rutsch aufsammeln. Das kann man bei guten Verhältnissen durchaus an einem dann ziemlich langen Tag bewältigen: Für 37 Kilometer Strecke und etwa 2300 Höhenmeter Auf- und Abstieg sind 11 bis 13 Stunden Gehzeit zu veranschlagen. Wir hatten mit dieser Option geliebäugelt, sie aber nach Rücksprache mit Ralph Storer, ausgewiesener Highlands-Kenner und Autor der besten Munro-Führer aller Zeiten („The Ultimate Guide To The Munros“, Luath Press, bisher vier Bände), wieder verworfen. Nach dem schneereichsten schottischen Winter seit langem sei dies im Moment über weite Strecken ein veritabler Wintermarsch, mit so viel weißer Pracht in den Corries und auf den Hochplateaus, dass er als Tagespensum kaum zu schaffen sei.
 
Wir nehmen den Rat des Fachmanns ernst und strecken die Tour vernünftigerweise auf zwei Tage. Das bietet sich ohnehin an, weil es auf halber Strecke eine zwar nicht sehr komfortable, aber äußerst praktische Übernachtungsmöglichkeit gibt: das Corrour Bothy. Die unbewirtschaftete kleine Schutzhütte liegt am noch jungen River Dee im Lairig Ghru, einem langen Trogtal, das urzeitliche Gletscher in die Hochflächen der Cairngorms gefräst haben. Schlafsäcke und Isomatten sind natürlich ebenso mitzuschleppen wie ausreichend Verpflegung, der Rucksack wird durch die Portionierung der Route in zwei Etappen merklich voller und schwerer. Aber dafür gibt’s optional auch mehr Ausbeute: Wer mag (und wir mögen), kann nun noch zwei weitere, ziemlich spezielle Munros auflesen, für die man im schon prall gefüllten Rahmen eines Daytrips wohl weder Zeit noch Muße hätte.
 
Sonntag, 12. Mai, 8:30 Uhr: Los geht’s! Unser Startpunkt liegt schon oberhalb der 600-Meter-Marke auf dem Parkplatz des Skicenters im Coire Cas. Dort stellen wir das Auto ab und steuern linkerhand den „Windy Ridge Path“ an. Dieser bestens ausgebaute, halbschuhtaugliche Wanderweg führt unschwer zum Berggasthof Ptarmigan auf 1097 Metern, den wir nach einer Stunde zügigen Steigens just in dem Moment erreichen, als die zwischen Skicenter und Ptarmigan pendelnde Standseilbahn gerade eine Handvoll Snowboarder auf eher kümmerliche Pistenreste spuckt. Hier, im „highest restaurant in the UK“, sind wir trotz der immer noch frühen Morgenstunde für einen Moment versucht, auf die Schnelle ein „highest pint in the UK“ zu verhaften, aber die Tür zum Gastraum ist leider noch verschlossen, weil der Eigner heute verpennt hat. Wir hätten aber wohl eh nur Tee ohne Schuß gekriegt: Alkoholausschank ist vor 12:30 in Schottland erstaunlicherweise per Gesetz untersagt. So schießen wir nur rasch ein Foto von der der „highest post box“ im Lande und ziehen weiter, knappe 150 Meter auf nach wie vor bestens ausgebauten Trail einen mäßig geneigten Hang hinauf und dem ersten 4,000-Füßler des Tages entgegen. Oben auf dem geräumigen Gipfelplateau leiten schließlich große Steinmännchen zum höchsten Punkt des Cairn Gorm, mit 1245 Metern (= 4084 Ft.) die Nummer sechs der schottischen Höhenrangliste.
 
Im Süden sehen wir schon unser nächstes Ziel: Ben Macdui, die Nummer zwei. Lange hielt man ihn mit seinen 1309 Metern (= 4295 Ft.) für den höchsten Schotten, bis sich mal einer die Mühe machte, genau nachzumessen und dabei festzustellen, dass der Ben Nevis noch 35 Meter höher in den Himmel ragt. Eine Gruppe von Lokalpatrioten mit zu viel Freizeit und einem ziemlich entrückten Verständnis von Prioritätensetzung hatte daraufhin ernsthaft erwogen, „ihrem“ Ben durch die Errichtung eines 36 Meter hohen Gipfelcairns den alten Platz an der Sonne zurückzuergaunern, kam aber offenbar noch rechtzeitig zur Besinnung und verzichtete letzten Endes auf den Vollzug dieser grandiosen Idee. Das ist vielleicht auch besser so.
 
Wir steigen derweil weglos etwa 150 Meter über die Südflanke des Cairn Gorm ab und folgen dann einer gut sichtbaren Trittspur den gegenüber liegenden Hang hoch zum wenig eigenständigen Gipfelchen des Stob Coire an t-Sneachda (1176m). Um den gegenüber liegenden Cairn Lochan zu umgehen –1215 Meter hoch, aber mangels nennenswerter Schartentiefe kein Munro –, schwenken wir die Höhe haltend nach links. Ab hier ist Stapferei durch knietiefen Schnee gefordert, aber wir finden dankenswerterweise eine schmale Spur vor, die zwei Burschen 500 Meter vor uns frisch gelegt haben, und kommen so gut voran. Zwei Kilometer weiter, wo unsere Route auf den offenbar ziemlich populären Macdui-Direktanstieg vom Skizentrum trifft, verbreitert sich die Spur gar zu einer breit ausgetrampelten Trasse, die im plötzlich aufziehenden dichten Nebel wie gerufen kommt und uns über sanft geneigte Hänge sicher auf den großflächigen Gipfel führt. Den Vermessungsstein auf dem höchsten Punkt sehen wir erst, als wir direkt vor ihm stehen. Arschkalt ist es inzwischen, es windet kräftig, weshalb unsere Rast kurz ausfällt. Wir posen für die üblichen Fotos und inspizieren noch schnell den Direction Indicator, der detailliert Auskunft gibt über die zahlreichen anderen Berge, die von dieser Stelle an klaren Tagen zu sehen sind. Heute sieht man allerdings keine zehn Meter weit.
 
Weiter geht’s, Richtung Südosten in den Whiteout und einen Schneehang hinunter, der in einem riesigen Blockfeld mündet. Entsprechend mühselig gestaltet sich bei diesem Untergrund das Vorwärtskommen. Immerhin steigen wir unterhalb der 1000-Meter-Marke aus der Wolke und haben endlich wieder Sicht. Rechterhand blicken wir ins Lairig Ghru und sehen auch erstmals das Corrour Bothy; in der Verlängerung unserer Laufrichtung lugt mit dem Carn a‘ Mhaim unser erster Bonus-Munro herüber und beeindruckt mit einer Physis, die so gar nicht ins übliche Bild der Cairngorms passen mag. Der Standard-Munro der Region ist ein massiger, tafelbergähnlicher Riese mit geräumigen Gipfelplateau, auf dem locker ein Flugzeug landen könnte. Carn a‘ Mhaim dagegen ist von schlankerer Bauart und überrascht als langgezogener, sich nach oben hin verschlankender Bergrücken. Zu seinem höchsten Punkt auf 1037 Metern führt ein bemerkenswertes Alleinstellungsmerkmal: der tatsächlich einzige Grat der gesamten Cairngorms!
 
Vom Sattel zwischen Ben Macdui und Carn a‘ Mhaim auf etwa 800 Metern kann man direkt ins Lairig Ghru absteigen, aber wir machen selbstverständlich weiter Höhe. Der Weg ist unkompliziert, der Grat - laut Führer eine „sharp ridge“ – in Wahrheit alles andere als scharf: im unteren Bereich breit wie eine Autobahn, oben dann zwar zunehmend schmaler werdend, aber nirgendwo wirklich ausgesetzt. Auch an der engsten Stelle wäre Gegenverkehr kein Problem; hier zwingt lediglich ein etwas rutschiges Schneefeld zu erhöhter Vorsicht. Wenig später, die Wolke hat uns inzwischen wieder, erreichen wir nach einem ersten False Summit dann auch den Cairn des echten und baggen Munro Nummer drei.
 
Das Tagessoll ist damit fast erfüllt. Jetzt müssen wir nur noch schnell 500 Meter über den Coire na Poite absteigen, dort auf den von der Derry Lodge kommenden Weg ins Lairig Ghru wechseln und nach vier Kilometern mit leichtem auf und ab im Corrour Bothy einrücken. Wir können es schon sehen, als uns die ersten Vorboten eines rasch aufziehenden Gewitters erwischen. Der Himmel öffnet die Schleusen, aus anfänglichem Nieseln wird binnen einer Minute ein kräftiger Platzregen. Wir legen einen Zahn zu, schaffen es gerade noch halbwegs trocken in die gute Stube und können nun von dort beobachten, wie der Wettersturz so richtig eskaliert. Es schüttet ohne Unterlaß wie aus Gießkübeln. Leidtragende sind zwei nette Holländer, die erst zwei Stunden nach uns bis auf die Knochen durchnäßt das Bothy erreichen.
 
Montag, 13. Mai, 8:00 Uhr: Länger als geplant bleiben wir in den warmen Schlafsäcken liegen. Draußen ist es unwirtlich, über Nacht hat es sogar ein bißchen geschneit. Als wir uns schließlich aufraffen können und vor das Bothy treten, empfängt uns leichter Nieselregen und ein diesiger Himmel. Unser Weiterweg beginnt direkt hinter der Hütte, wir müssen über den Talkessel Coire Odhar das westliche Plateau gewinnen. Der Pfad macht umgehend Höhe und bringt uns gleich auf Betriebstemperatur. Im oberen Teil, wo man vorteilhafterweise den Trittspuren folgt, die rechts des Bachlaufs im Zickzack aufwärts führen, stellen sich uns auf zunehmend steilerem Geläuf einige Schneefelder in den Weg, die nicht umgangen werden können. Für solche Fälle haben wir Steigeisen und Pickel im Marschgepäck, aber es geht einstweilen auch ohne. Der Schnee hat optimale Konsistenz und läßt sich bestens mit dem Stiefel bearbeiten. Stufen tretend überwinden wir die letzten Hindernisse, erreichen so nach insgesamt 450 Aufstiegsmetern den Sattel und werden dort fast von einer kräftigen Böe wieder ins Lairig Ghru geweht. Ein Vorgeschmack dessen, was uns in den nächsten Stunden bevorsteht: Wir wissen es noch nicht, aber Wind dieser Stärke wird schon bald unser ständiger Begleiter sein.
 
Linkerhand unseres Standpunktes liegt unser erstes Gipfelziel, der Devil’s Point. Von hier ist er in wenigen Minuten erreicht, erst einer Trittspur folgend, die zunächst die Höhe haltend schließlich über eine Blockhalde ansteigt. Oben wird ein Vorgipfel passiert und schon stehen wir am höchsten Punkt auf 1004 Metern. Der zweite Bonus-Munro dieser Tour - und als solcher ein ganz besonderer: zum einen wegen der grandiosen Aussicht, die er gemeinhin bietet (und von der wir zumindest ein bißchen was mitkriegen), zum anderen und vor allem aber wegen seines sensationellen gälischen Originalnamens. Bod an Deamhain heißt nämlich nicht etwa „Teufelspunkt“, wie man vermuten möchte, sondern – Tusch! –  „Penis des Dämonen“!
 
Der Legende nach geht die „jugendfreie“, völlig inkorrekte englische Übersetzung auf einen lokalen Guide namens John Brown zurück, der Queen Victoria in den 1880ern in die Cairngorms begleitete. Als sich Majestät nach dem Namen dieses markanten Berges erkundigte, der vor ihnen wie ein Wächter über dem Eingang ins Lairig Ghru thronte, verkniff sich Brown in vorauseilendem Gehorsam die gälische Bezeichnung – wohl wissend, dass Queenie sich nicht zufrieden geben würde, bevor er ihr nicht auch noch erklärt hätte, was das in Englisch bedeutet. Eine Peinlichkeit witternd, die er sich lieber ersparen wollte, „erfand“ er deshalb spontan den Begriff Devil’s Point und schlug insgeheim drei Kreuze, als das Blaublut diesen ohne weitere Nachfragen zur Kenntnis nahm. Ärgerlicherweise machte die aus der Not geborene Lüge schnell die Runde und hält sich seitdem hartnäckig: Bis heute ist Devil’s Point der offizielle Name unseres Munros. Den echten hat die Zeit vergessen, und nur ein paar standhafte (sic!) Tradionalisten kämpfen darum, ihn vorm endgültigen Absturz in die Vergessenheit zu bewahren. Unseren Segen haben sie.
 
Wir ziehen weiter, zunächst auf selbem Weg zurück in den Sattel und dann den gegenüberliegenden, verschneiten Hang hinauf. Der Firn trägt nicht, immer wieder brechen wir knietief ein, es wird mühsam. Auf der Höhe angekommen steuern wir den nächstgelegenen Cairn an. Stob Coire an t-Saighdeir ist stolze 1213 Meter hoch und doch kein Munro; dafür fehlt’s ihm an Eigenständigkeit. Die wiederum bringt der unmittelbare Nachbar Cairn Toul zur Genüge mit. Wir sehen ihn etwa einen Kilometer Luftlinie entfernt, müssen, um ihn zu erreichen, erstmal 50 Meter ab- und dann 120 wieder aufsteigen. Nahe der Route haben sich an den Abbrüchen ins Coire an t-Saighdeir große Wächten gebildet, deshalb halten wir ausreichend Abstand und stolpern über nervig rutschende Felsen und zunehmend vereiste Schneeflächen voran. Am Cairn des vierthöchsten Schotten auf 1291 Metern (= 4236 Ft.) angekommen haut uns ein kräftiger Wind fast um, drum halten wir uns hier nicht lange auf, sondern legen die Steigeisen an und ziehen weiter.
 
Eine knappe halbe Stunde später, nach 150 Metern Abstieg in einen Sattel und 120 Wiederanstieg, ist auch schon der nächste Munro erreicht, Sgor an Lochain Uaine, mit 1258 Metern (= 4127 Ft.) Platz fünf der Höhenrangliste. Der gälische Name ist nach wie vor offiziell und auch auf den Karten präsent, im allgemeinen Sprachgebrauch scheint sich in letzter Zeit aber immer mehr das dümmliche Alias „Angel’s Peak“ durchzusetzen, das irgendein Schlaumeier mal in die Welt gesetzt hat, um im mittelbaren Einzugsbereich des diabolischen Prengels eine Art Gleichgewicht des religiösen Schreckens wiederherzustellen. Ein ganz toller Geisterblitz, über den wir einen Moment lang sinnieren, während sich zwei Kilometer Luftlinie weiter und von unserem Gipfel durch ein tiefes Tal getrennt der Braeriach, unser letzter Cairngorms-Munro, gerade in aufziehenden Wolken verliert.
 
Um zu ihm zu gelangen, müssen wir Schwerstarbeit verrichten. Ein kurzer, noch gemütlicher Abstieg in einen Sattel, dann geht‘s im weiten Rechtsbogen leicht ansteigend auf ein weites, flaches, stark verschneites und komplett konturenloses Plateau. Der Wind nimmt zu, die Sicht ab. Peitschende Böen blasen uns immer wieder ein ziemlich schmerzhaftes Bombardement kleiner Eiskristalle in die Augen. Mit gesenktem Kopf latschen wir direkt in einen fulminanten Whiteout, spuren durch bis zu hüfthohe Verwehungen und kriegen allmählich eine Vorstellung davon, warum in Büchern über die Cairngorms immer wieder die Vokabel „subarktisch“ Verwendung findet. Die Höhe und Exposition dieser Berge sorgt hier gerne mal für extreme Wetterverhätnisse, wie man sie sonst vor allem nördlich des Polarkreises antrifft.
 
Nach zwei Stunden Blindflug durch die Twilight Zone suchen wir auf dem flachen Gipfelbereich des Braeriach, mit 1296 Metern (= 4252 Ft.) Schottlands Dritthöchster, vergeblich den höchsten Punkt. Der Cairn ist vollständig zugeschneit. Wir wissen, dass er direkt vor steilen Abstürzen ins Coire Bhrochain angehäuft wurde, und wo wir ihn vermuten, führen auch tatsächlich kaum noch erkennbare Fußstapfen nahe an den nur wenige Meter entfernten Abgrund heran und allem Anschein nach direkt auf die Wächte. Wir widerstehen der Versuchung und halten lieber Distanz. Zu sehen gibt’s hier eh nix.
 
Ein paar hundert Meter weiter aber geschieht unvermittelt ein kleines Wunder. Wir haben eben den Punkt passiert, an dem das breite Plateau in einem vergleichsweise schmalen Buckel ausläuft, als die uns umhüllende Wolke plötzlich aufreißt und den Blick auf so manchen Berg freigibt, den wir in den letzten 24 Stunden zwar bestiegen, aber wenig bis gar nicht gesehen haben. Schnell die Gunst der Minute genutzt und ein paar Fotos geschossen; obwohl jetzt sogar die Sonne scheint, bleibt es unbehaglich, denn der Sturm triezt uns weiter ohne Gnade. Wir lassen uns von ihm über das schneefreie Plateau des Sròn na Lairige treiben, flüchten ins hier sehr schmale Lairig Ghru und genießen vorübergehend Windschatten. Nach einem Gegenanstieg auf der anderen Seite bläst es uns aber auch schon wieder mit Macht in den Rücken und ins Chalamain Gap, der die Kräfte der Natur wie ein Windkanal  bündelt und die Kraxelei durch den wilden Trümmerbruch unnötig erschwert.
 
Als wir endlich durch sind, machen wir den Fehler, den gut ausgebauten, Richtung Sugarbowl-Parkplatz führenden Weg zu verlassen und einer vermeintlich direkter auf das Skizentrum zulaufenden Trittspur zu folgen, die sich aber bald im sumpfigen Gras verliert. Weglos queren wir die Talsenke, müssen dabei zwei Flüsse kreuzen und unzähligen Wasserlöchern ausweichen - die erhoffte Abkürzung ist leider keine. Aber irgendwann fällt auch hier letzte Vorhang. Um kurz nach sechs erreichen wir endlich den Parkplatz, etwas über zehn Stunden nach unserem Start am Morgen beim Corrour Bothy. Die Traverse ist gewuppt, sieben weitere Munros im Klingelbeutel.
 
Viel Aufwand, aber auch viel Ertrag.
 
STATISTIK TAG 1:
Gehzeit: 8:41 Stunden
Wegstrecke: 20,8 Kilometer
Aufstiegsmeter: 1337
 
STATISTIK TAG 2:
Gehzeit: 10:07 Stunden
Wegstrecke: 22,0 Kilometer
Aufstiegsmeter: 1705
 
ANMERKUNGEN ZUM GPS-TRACK:
  • Beim Abstieg vom Carn a‘ Mhaim haben wir den Hauptweg kurz verlassen, weil eine nach rechts führende Trittspur eine direktere und kürzere Linie versprach. Sie führte uns auf sehr matschigen und entsprechend rutschigen Untergrund, weshalb wir bald wieder zum Hauptweg zurückgekehrt sind. Bei trockenen Verhältnissen mag die Spur einen Versuch wert sein; bei Nässe bleibt man aber besser auf dem Hauptweg.
  • Unsere Direttissima nach dem Chalamain Gap ist nicht zu empfehlen. Besser auf dem gut ausgebauten Weg bleiben, bis zur Straße laufen und von dort etwa 100 Höhenmeter zum Parkplatz am Skicenter aufsteigen. Alternative: Gleich am Sugarbowl parken und die Tour von dort beginnen. So macht man die Höhenmeter am ersten Tag, wo sie noch nicht wehtun.

Tourengänger: highpointa


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