Über Bützi und Stockflue auf die Rigi Hochflue (1699 m)


Publiziert von Fico , 1. September 2012 um 22:41.

Region: Welt » Schweiz » Schwyz
Tour Datum:30 Juli 2012
Wandern Schwierigkeit: T5 - anspruchsvolles Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: I (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: Rigigebiet   CH-SZ 
Zeitbedarf: 8:30
Aufstieg: 1280 m
Abstieg: 1280 m
Strecke:Talstation Seilbahn Urmiberg-Bütziflue-Stockflue-Obertimpel-Egg-Rigi Hochflue-Zilistock-Ochsenalp-Gersau
Zufahrt zum Ausgangspunkt:cff logo Brunnen, Seilbahn Urmiberg
Zufahrt zum Ankunftspunkt:cff logo Gersau, Schiffstation
Kartennummer:1151 (Rigi), 1171 (Beckenried)

Nach dem eher trüben, regnerischen Wochenende schien der Montag geeignet für die Tour auf die Rigi Hochflue. Zwar hegte ich gewisse Zweifel, ob die Wege bereits genügend trocken wären. Dennoch wollte ich den Versuch wagen. Die Sonne schien wieder, es war warm, ja schwülwarm sogar. Mit dem Linienbus erreichte ich die Talstation der Seilbahn auf den Urmiberg. Wer sie benützt, erspart sich 800 Höhenmeter, also weit mehr als die Hälfte des zu bewältigenden Aufstiegs. Das war jedoch nicht in meinem Sinn, es war ja erst neun Uhr morgens und der Tag noch lang - sehr lange sogar, wie sich schliesslich herausstellen sollte. Mein Plan war, die alpine, weiss-blau-weiss markierte Route über Bütziflue und Stockflue zu nehmen, so als wäre es bloss eine kleine Variante zum weiss-rot-weissen Bergweg.

So fängt mein Abenteuer bei der Talstation der Seilbahn an, genauer gesagt im Dörfli auf 570 m Höhe. Denn dort trennen sich erstmals die Wege: der normale Bergweg auf die Rigi Hochflue und der andere, alpine über die Stockflue, der laut Wegweiser nur 20 Minunten länger ist. Obwohl ich gemächlich vorangehe, bin ich nach kurzer Zeit schweissgebadet. Auf dem Waldsträsschen auf 700 m Höhe, wo die eigentliche Kraxelroute beginnt, ziehe ich die Klettersteigausrüstung an. Lieber etwas zu früh als zu spät, sage ich mir, denn wer weiss, ob sich nochmals eine so gute Gelegenheit zum Anziehen bietet. Zwar hatte ich vorgängig einige Berichte über die Route studiert, doch ein genaues Bild kann man sich immer erst vor Ort machen.

Bald zeigt es sich, dass meine Bedenken unbegründet gewesen sind. Das Gelände ist zwar steil und es hat ein paar Kraxelstellen. Doch das Klettersteig-Set hätte ich ebenso gut erst auf dem Gipfel der Bütziflue (917 m) anziehen können. Platz dafür hat es dort mehr als genug. Der Abstieg über die beiden, etwa fünf Meter hohen Felsstufen ist ziemlich luftig, macht aber - gut gesichert am Drahseil - ebenso Spass wie der Aufstieg. Der Weiterweg durch die rauhen und griffigen Kalkfelsen ist gut ersichtlich und ein wahrer Genuss. Und es hat soviele weiss-blau-weisse Markierungen, dass man sich unmöglich versteigen kann.

Die Wegmarkierungen umgehen den letzten Teil der Stockflue (den sog. "Duumen" - vom Direktaufstieg habe ich leider erst später gelesen!) und führen von Norden her an die Gipfelfelsen heran. Drahtseile und eine Eisenleiter helfen auch hier über alle Schwierigkeiten hinweg. Es ist fast halb eins, als ich auf dem Gipfel der Stockflue (1137 m) stehe. Mehr als doppelt so lange wie am Wegweiser angegeben habe ich, einschliesslich aller Foto- und Trinkpausen, bis hierhin gebraucht. Der Abstieg ist mit dem Klettersteig-Set genauso problemlos wie der Aufstieg. Einzig der Rucksack muss sich an der engsten Stelle etwas durchzwängen. Das Restaurant bei der Bergstation der Seilbahn lädt zum Verweilen ein. Die Gelegenheit könnte passender nicht sein. Mit Kartoffelsalat, einem Bauernschüblig und einem halben Liter Apfelschorle stärke ich mich für den Rest des Tages.

Während ich so sitze, die Aussicht geniesse und bereits etwas Müdigkeit in den Gliedern spüre, kommt mir der Gedanke, es wäre eigentlich am Schönsten, anschliessend einfach mit der Seilbahn wieder hinunterzufahren. Dem stehen jedoch meine Pläne und mein noch immer ungebrochener Tatendrang entgegen. Vielleicht wäre es besser gewesen, ich hätte meinem spontanen Einfall nachgegeben und meine Tour zu einem gemütlichen Abschluss gebracht. Doch es ist ja noch früher Nachmittag, als ich wieder aufbreche, und nur zwei Stunden bis zur Rigi Hochflue, wenn man dem Wegweiser Glauben schenkt. Gleichwohl wandere ich schnurstracks zur Egg, und wegen der zusätzlichen hundert Höhenmeter verzichte ich auf den Aussichtspunkt Gotterli, um meine Kraftreserven zu schonen - ein untrügliches Zeichen, dass es um diese nicht mehr besonders gut steht.

Von der Alpwirtschaft Egg (1288 m) ist die Route über den Ostgrat bereits ansatzweise erkennbar. Meine Augen jedoch sind auf den schönen Südostgrat fixiert, so dass ich jenen erst später auf den Fotos erkenne. Noch im Ungewissen, wo der Weg durchführt, steige ich über Alpweiden hinauf. Bald befinde ich mich nicht in den erwarteten Kalkfelsen, sondern in einem Gemisch aus Schrofen, Grasbüscheln und Wurzeln. Die erhofften, gutgriffigen und von der Sonne erwärmten Felsen lassen weiter auf sich warten. Stattdessen balanciere ich über einen begrasten, ziemlich schmalen Grat und kraxle anschliessend weiter in der schattigen und abschüssigen Nordflanke steil hinauf. Bald komme ich zu einer Gedenktafel. Seit jener Bergtragödie sind auf den Tag genau 30 Jahre vergangen. Ob es wohl an jenem 30. Juli 1982 auch so rutschig war wie heute, schiesst es mir durch den Kopf. Schnell verscheuche ich die trüben Gedanken und konzentriere mich wieder auf den Weg. Drahtseile helfen zwar über die meisten heiklen Stellen hinweg. Teilweise sind sie aber nur oben befestigt und nach unten offen, so dass die Karabinerhaken des Klettersteig-Sets nichts nützen würden. Durch einen Kamin führt ein etwas längerer Steilaufschwung - diesmal gut ausgebaut, mit befestigtem Seil und Eisenbügeln - auf den Grat hinauf. Endlich verlässt der Weg die schattige Nordflanke! Die warmen Sonnenstrahlen und die Tiefblicke auf den blauen See sind unglaublich schön. Nachher ist es nicht mehr weit, bis ich auf dem Gipfel der Rigi Hochflue (1699 m) stehe.

Gerne wäre ich noch länger auf dem angenehmen, breiten Gipfelplateau geblieben. Meine einzige Sorge ist der Gedanke, wie ich von hier oben heil wieder hinunterkomme - und die inzwischen fortgeschrittene Zeit. Es ist fast fünf Uhr, als ich aufbreche, und noch weit bis Gersau. Der Abstieg über die warmen, gutgriffigen Kalkfelsen (die ich mir schon im Aufstieg gewünscht hätte!) erweist sich als problemlos und weit angenehmer als erwartet. Die fast durchgängigen Drahtseile sind ideal, um sich mit dem Klettersteig-Set einzuhängen, so dass die Hände frei sind und sich an den Felsen abstüzen oder festhalten können. Bereits vor der Alp Zilistock (1387 m) befindet man sich wieder in reinem Gehgelände. Etwas oberhalb der Ochsenalp (1040 m) entschliesse ich mich, den Weg über Fönenbergen (983 m) zu nehmen. Laut Karte verheisst er, abseits befahrener Strassen direkt nach Gersau hinunterzuführen.

Kurz nach Fönenbergen gibt mein GPS den Geist auf. Die Batterien sind leer - auch bei mir. Die Müdigkeit lässt die letzten fünfhundert Höhenmeter endlos erscheinen. Meinen rechten Fuss, den ich mir tagszuvor am Gersauerstock etwas verknackst habe, durchzieht ein stechender Schmerz, sobald ich ihn unvorsichtig aufsetze. Sparsam gehe ich mit meinen letzten Trinkreserven um und benetze nur ab und zu die ausgetrocknete Kehle. Drei Liter Flüssigkeit sind an einem solchen Tag noch zu wenig. So wird der Abstieg immer mehr zur Qual, je länger er sich hinzieht. Es ist 20 Uhr, als ich völlig entkräftet in Gersau ankomme. Seit meinem Aufbruch am Morgen bei der Talstation der Urmiberg-Seilbahn sind elf Stunden vergangen, davon geschätzte acht bis neun Stunden reine Wanderzeit und weit mehr als auf den Wegweisern angegeben. Ob es an der schwülwarmen Witterung, am Füssigkeitsverlust oder an meiner mangelhaften Kondition gelegen hat? Vielleicht ein wenig an allem. Jedenfalls ist dies mit ein Grund, warum ich lieber alleine unterwegs bin. So braucht wenigstens niemand ständig auf mich zu warten.

Fazit: Während die Tour über Bütziflue und Stockflue Genusskletterei in solidem Fels bietet, ist die Route über den Ostgrat auf die Rigi Hochflue heikel, ganz besonders wenn die Wege nicht genügend trocken sind. Ein Klettersteig-Set leistet an manchen Stellen gute Dienste. Der Abstieg in der Südflanke nach Gersau (und erst recht nach Brunnen) ist landschaftlich schön, aber weit. Genügend Trinkreserven sind wichtig, vor allem im Sommer: Lieber ein paar Liter mehr hinauftragen, als sich nachher (wie ich) mit "leeren Batterien" hinunterzuschleppen!

Tourengänger: Fico


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Geodaten
 12755.gpx Rigi Hochflue
 12756v1.kml Fönenbergen-Gersau

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