Schneefreie Himmelsleiter - Pizzo Tambo


Publiziert von dyanarka , 19. August 2012 um 08:47.

Region: Welt » Schweiz » Graubünden » Hinterrhein
Tour Datum:17 August 2012
Wandern Schwierigkeit: T4- - Alpinwandern
Hochtouren Schwierigkeit: WS+
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: Gruppo Tambo-Curciusa   CH-GR   I 
Zeitbedarf: 5:00
Aufstieg: 1250 m
Abstieg: 1250 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Autobahn Zürich-Chur-San Bernadino. Abzweig Spügenpass bei Splügen. Parken am Gernzpunkt.
Unterkunftmöglichkeiten:Splügen

Auf diese Tour hatte ich zwei Jahre gewartet. Auf einen Tag, wo vier Faktoren zusammenen kamen: Wolkenarme Wetterverhältnisse, schneearmes Terrain, körperliche Fitness und - arbeitsfrei! Am letzten Freitag war es dann soweit, die nach einem verregneten Juli heissen Nachschubtage der ersten Augustwochen hatten den hartnäckigen Schneefeldern der Höhenlagen im Eiltempo den Garaus gemacht. Meine Chance, mal in einer reinen Genusstour auf knapp 3300 Meter zu spurten, war gekommen!

Die Anfahrt zum Splügenpass stellte sich als ein mühseliges Geschleiche erst hinter einem holländischen Camper, dann in einer langen Kolonne durch eine enge Baustelle dar. Serpentinnengeschlängel im Schritttempo...
Aber dann ging es alles wunderbar leicht: Parken am Pass, Rucksack über, Stöcke ausdrehen und kurz hinter dem Grenzgebäude rechts hoch durch Wiesen, Felsrinnen und über braun-orange Schuttfelder  rauf auf das kleine Plateau mit See unterhalb des Lattenhorns.
Mehrmals verlor ich den Weg, fand ihn aber aufgrund der Geländestruktur mühelos wieder. Kleine Steinmännchen gaben die grobe Richtung vor, es spielte keine Rolle, ob ich einige Meter zu weit links oder rechts an ihnen vorbeieilte, das Terrain erwies sich als gut zugänglich.
So sollte es auch bleiben bis zum Gipfel, von dem ich einen ersten Eindruck am dunkelblau schimmernden Auge des besagten kleinen Sees am Lattenhorn bekam - der Pizzo Tambo ragte als mächtige Pyramide im Hintergrund auf, und meine ersten Gefühle bestanden aus Schreck und Unsicherheit: So weit noch! So steil! So dicke Wolken am Südhang!
Einen Moment lang zögerte ich, spielte mit dem Gedanken, mich mit dem greifbar nahen Lattenhorngipfel(chen) zu begnügen. Doch dann siegte das wilde Abenteuertier in mir: Ich geh jetzt DA RAUF!!!
Schnell noch runter zum Seeli, die Flasche füllen und dann weiter im Takt, immer Richtung Himmel. Unterwegs holte ich noch eine kleine Berggängergruppe aus drei Personen ein, die erfahren wirkten und mich angesichts der vom Comersee immer stärker heraufstürmenden Wolkenmassen beruhigten, mir versicherten, ich könne problemlos unter guten Sichtverhältnissen auch wieder zurückkommen, sie würden die Region hier kennen.
Na gut, also weiter.
Ich querte den traurigen Gletscherrest am Fusse des Tambos an seinem oberen Abschluss, eine nicht wirklich gefährliche Sache und sogar mit Leichtwanderschuhen wie ich sie heute trug möglich, nahm mir aber dennoch vor, auf dem Rückweg einen Kletterumweg über die schroffe, aber vom Terrain leicht zugänglich wirkende Bergflanke zu meiner Rechten zu machen. Über das raue Eis leicht bergab zu laufen war etwas anders wie bergauf, es würde zwar gehen, das sagte mir meine Erfahrung, aber wozu ein unnötiges Risiko eingehen?
Nun der letzte Aufstieg. Mit mulmigem Gefühl nahm ich zur Kenntniss, wie der Boden unter mit steiler und steiler wurde, nun fast schon senkrecht aufragend und unter mir die aufschiessenden Wolken, die, und das war vielleicht gar nicht so schlecht, den Blick in den Abgrund versperrten. Der steile Zickzackpfad wechselte plötzlich von der Ostseite direkt rüber an die Südseite und unvermittelt stand ich wenige zehn Meter unter dem Gipfel. Unter und hinter mir brodelnde Wolken, durchtränkt mit Sonnenlicht. Vor und über mir eine beinahe senkrechte Felswand!
Oh Gott!
Ich zögerte. Lang. Bestimmt drei Miuten stand ich wie angewurzelt da, kletterte dann vorsichtig einige Meter nach oben, dann wieder zurück, um zu sehen, wie mutig ich heute tatsächlich war. Zögerte noch einmal.
Alles hatte so wunderbar gut geklappt bis hierher. Die letzten Stufen auf dieser Himmelsleiter lockten mit einem Versprechen auf herrliche Aussichten. Mein Instinkt allerdings rückmeldete "Kehr um, das ist zu gefährlich!".
Tatsächlich entdeckte ich nun einige Haken für Seilanbringungen in der Felswand. Alles klar. Und ich hier ohne Seil. Nur mit mir selbst und einer dringend notwendigen Entscheidung.
Zum Glück siegte plötzlich der knurrige Wagemut - und ich kletterte schnurstracks einfach querfeldein nach oben! Ich war mir plötzlich sicher, dass ich es auch zurückschaffen würde - dies war doch MEIN Tag heute!
Oben .... Blick über die Wolken, wie vom Flugzeug aus! In alle Richtungen traumhafte Ausblicke. Nicht überall endlos weit, aber stets voller Licht, Tiefe und Schönheit.
Kurz nach mir hechtete ein genau wie ich nur mit nötigstem Gepäck und bekleidet mit einer knappen Running-Pant auf den Gipfelgrad und kontrollierte sofort seine Zeit auf der Stoppuhr. Ein fürwahr wilder Kerl, braungebrannt, mit hüftlangem, schwarzen Zopf und markantem Gesicht.
Neugierig fragte ich ihn sofort nach Herkunft und Zeitdauer, hatte ich doch selbst nur 1.50 h vom Splügenpass aus hier rauf gebraucht, unterwegs acht  Wanderer überholt und fast keine Pause gemacht, im Ganzen vielleicht sechs Minuten. Und er, der wilde Kerl?
1.15 h.
Wahnsinn! Nochmals mehr als eine halbe Stunde weniger!
Er blieb auch nur kurz, schnell noch ein paar Fotos, ein SMS und dann wieder Laufgürtel ran und runter den Berg.
Drei ältere Wanderer, die unter dem Gipfelkreuz Mittag machten, staunten uns halbnackte Bergsportfreaks an wie Zoobesucher. Ja, ja, auf extremen Gipfeln kommen schnell mal ein paar extreme Persönchen zusammen ...

Der Rückweg war dann keine grosse Sache mehr. Klettern, Schlendern, Rennen, noch ein Abstecher zum Lattenhorn, Aussicht geniessen, Steine sammeln und innerlich singen vor Freude, ob diesen PERFEKTEN Tags!






Tourengänger: dyanarka


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Kommentare (1)


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reichi1972 hat gesagt:
Gesendet am 16. September 2013 um 14:58
ich war ja wirklich schon einige male auf dem tambo, aber ich kann mich nicht daran erinnern an eine wirkliche kletterstelle gekommen zu sein und senkrecht war es dort auch nirgends


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