Cascade et Château du Nideck


Publiziert von Nik Brückner , 9. Mai 2018 um 18:32. Text und Fotos von den Tourengängern

Region: Welt » Frankreich » Vogesen
Tour Datum:28 April 2018
Wandern Schwierigkeit: T2 - Bergwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: F 
Zeitbedarf: 1:45
Aufstieg: 250 m
Abstieg: 250 m
Strecke:4,5km

Der Wasserfall Cascade du Nideck unterhalb der Burgruine Nideck gilt als der schönste in den Vogesen. Ob das stimmt, weiß ich nicht - er kann aber auf jeden Fall als der einzige gelten, den ich kenne.

Die Cascade du Nideck ist das Flüsschen Hasel, das sich über einen 25 Meter hohen Felsen aus Vulkangestein in die Tiefe stürzt. Aber keine Angst: Es passiert ihm dabei nichts. Geht ihm gut.

Die Waldelfe las ein Schild ("Cascade du Nideck"), als wir im Januar 2017 nach Waldersbach unterwegs waren. Seither stand er auf der Liste. Auf unserer Anreise ins Elsass im Frühjahr 2018 ging's dann endlich auch dorthin. Im Player: Bubus "El Eco Del Sol".



Wir parkten an der Staße beim Restaurant de Cascades (340 m) und wanderten ins Tal der Hasel hinein. Unter Felsen hindurch und über Geröllfelder ging es in den engen, von senkrechten Felswänden umschlossenen Talschuss hinein. Dann standen wir vor der ca. 25 Meter hohen Cascade du Nideck (400 m).

Nachdem wir die fallenden Wasser bestaunt hatten, stiegen wir rechts vom Wasserfall einen mühevoll im Schotter befestigten Weg hinauf. Oben ein paar Meter links, dann steht man auf einer Aussichtskanzel hoch über dem Tal. Wer sich traut, kann sich ganz vor wagen, und von oben in den Wasserfall schauen.

Oberhalb des Wasserfalls gibt es eine Burg, eigentlich sind's sogar zwei Anlagen, die man direkt übereinander errichtet hat, das Château du Nideck (573 m)

Nideck liegt am Abhang des Bärenberges auf einem steilen Rhyolith-Felsen über dem Haseltal. Es wird erstmals auf Siegeln aus dem Jahr 1262 erwähnt, aus dieser Zeit wissen wir von einem Burggrafen Gunther und einem Burchard de Nidecke. Im 14. Jahrhundert hatten die Grafen von Leiningen dann Anteil an der Burg, gegen Ende des 14. Jahrhunderts war sie Ganerbenburg mehrerer Straßburger Adliger. 1454 wurde Nideck dann als Raubritternest von Ludwig von Lichtenberg erobert. Danach verschwindet die Burg aus der Geschichte, vermutlich wurde sie kurz nach der Eroberung wegen ihrer Abgelegenheit aufgegeben.

Die Anlage ist in die beiden Teilburgen Ober- und Unternideck gegliedert. Obernideck muss um 1200 erbaut worden sein, Unternideck ist etwas jünger. Von der Oberburg sind Reste der Schildmauer, eines Wohnturms und der Umfassungsmauern erhalten. Die Unterburg mit dem noch erhaltenen 20 Meter hohen Bergfried wurde nach 1260 errichtet.

Im deutschen Sprachraum ist Burg Nideck vor allem durch die von den Brüdern Grimm 1816 überlieferte elsässische Sage vom Riesenspielzeug bekannt, die Adelbert von Chamisso zu dem Gedicht "Das Riesenspielzeug" inspirierte. Auch Ludwig Bechstein und Emil Strauß haben die Sage zu Literatur verarbeitet. Am bekanntesten ist aber wohl die Ballade von Chamisso. Der Dichter ist auf dem Turm der Unterburg auch auf einer Gedenktafel verewigt. Und zwar für dieses Gedicht:

Das Riesen-Spielzeug.

Burg Niedeck ist im Elsaß der Sage wohl bekannt,
Die Höhe, wo vor Zeiten die Burg der Riesen stand;
Sie selbst ist nun verfallen, die Stätte wüst und leer,
Du fragest nach den Riesen, du findest sie nicht mehr.

Einst kam das Riesen-Fräulein aus jener Burg hervor,
Erging sich sonder Wartung und spielend vor dem Thor
Und stieg hinab den Abhang bis in das Thal hinein,
Neugierig zu erkunden, wie’s unten möchte sein.

Mit wen’gen raschen Schritten durchkreuzte sie den Wald,
Erreichte gegen Haslach das Land der Menschen bald,
Und Städte dort und Dörfer und das bestellte Feld
Erschienen ihren Augen gar eine fremde Welt.

Wie jetzt zu ihren Füßen sie spähend niederschaut,
Bemerkt sie einen Bauer, der seinen Acker baut;
Es kriecht das kleine Wesen einher so sonderbar,
Es glitzert in der Sonne der Pflug so blank und klar.

Ei! artig Spielding! ruft sie, das nehm’ ich mit nach Haus.
Sie knieet nieder, spreitet behend ihr Tüchlein aus,
Und feget mit den Händen, was da sich alles regt,
Zu Haufen in das Tüchlein, das sie zusammen schlägt;

Und eilt mit freud’gen Sprüngen, man weiß, wie Kinder sind,
Zur Burg hinan und suchet den Vater auf geschwind:
Ei Vater, lieber Vater, ein Spielding wunderschön!
So Allerliebstes sah ich noch nie auf unsern Höh’n.

Der Alte saß am Tische und trank den kühlen Wein,
Er schaut sie an behaglich, er fragt das Töchterlein:
Was Zappeliges bringst du in deinem Tuch herbei?
Du hüpfest ja vor Freuden; laß sehen, was es sei.

Sie spreitet aus das Tüchlein und fängt behutsam an,
Den Bauer aufzustellen, den Pflug und das Gespann;
Wie alles auf dem Tische sie zierlich aufgebaut,
So klatscht sie in die Hände und springt und jubelt laut.

Der Alte wird gar ernsthaft und wiegt sein Haupt und spricht:
Was hast du angerichtet? das ist kein Spielzeug nicht!
Wo du es hergenommen, da trag’ es wieder hin,
Der Bauer ist kein Spielzeug, was kommt dir in den Sinn!

Sollst gleich und ohne Murren erfüllen mein Gebot;
Denn, wäre nicht der Bauer, so hättest du kein Brod;
Es sprießt der Stamm der Riesen aus Bauernmark hervor,
Der Bauer ist kein Spielzeug, da sei uns Gott davor!

Burg Niedeck ist im Elsaß der Sage wohlbekannt,
Die Höhe, wo vor Zeiten die Burg der Riesen stand,
Sie selbst ist nun verfallen, die Stätte wüst und leer,
Und fragst du nach den Riesen, du findest sie nicht mehr.


Wir bestiegen, was man besteigen kann, lasen Chamissos Gedicht, und machten uns dann auf den Rückweg. Diesmal wollten wir weiter oben im Hang gehen und wählten den aussichtsreichen Weg über den Hirschfelsen (534 m). Das ist eine schmale Felsschneide, die ins Tal hineinragt, und die man bis zum vordersten Punkt überklettern kann (T4/I) Von dort aus hat man dann einen tollen Blick hinunter in das schluchtartige Tal und hinter zur Burg Nideck.

Schließlich wanderten wir zurück zum Restaurant de Cascades (340 m), wo unser kloines Auto auf uns wartete. Dann verließen wir die Gegend, allerdings nicht ohne in Niederhaslach Station zu machen, wo eine Stiftskirche steht, die als eine der bedeutendsten gotischen Sakralbauten des Elsass gilt. Besonders eindrucksvoll sind die 14 mittelalterlichen Bleiglasfenster, die sich hier erhalten haben.

Der heilige Florentius, Bischof von Straßburg, gründete im 6. oder 7. Jahrhundert das Benediktinerkloster in Niederhaslach. Er muss so um 600 im Amt gewesen sein. Es gibt eine Heiligenlegende, deren älteste schriftliche Fassung um 1170–80 in Niederhaslach entstand. Nach ihr kam der iro-schottische Mönch nach langer Wanderung im Elsass an, wo er sich an der Hasel niederließ. Bald versammelten sich die Tiere des Waldes bei ihm (die Stelle heißt noch heute „Mättlein des Florentius“). Als die Jäger des Königs im Wald zur Jagd gingen, fanden sie daher kein einziges Tier. Da stießen sie auf Florentius, der die Tiere um sich gesammelt hatte, hielten ihn für einen Zauberer, und verprügelten ihn. Auf dem Rückweg gerieten sie dann in einen Sumpf. Da erkannten sie die Heiligkeit des Florentius und bereuten ihre Tat. Sie kehrten zu ihm zurück, und baten ihn um Verzeihung.

Als der König von alldem hörte, ließ er Florentius zu sich in die Pfalz Kirchheim holen. Als Florentius die Pfalz betrat, wobei er seinen Mantel über einen Sonnenstrahl hängte, wurde die stumme und blinde Tochter des Königs geheilt. Aus Dankbarkeit versprach der König dem Einsiedler so viel Land, wie Florentius während der Dauer eines Bades des Königs mit seinem Esel umreiten konnte. Natürlich schaffte der Heilige es, ein unglaublich großes Gebiet zu umreiten, aber der König ließ sich nicht lumpen und übertrug es ihm. Hier errichtete Florentius sein Kloster.


Als der Straßburger Bischof St. Arbogast starb, wurde Florentius dann zu seinem Nachfolger gewählt. Die Legende berichtet, dass er zunächst im St. Thomas-Stift in Straßburg beigesetzt wurde. Jedoch wurde der Leichnam im Jahre 810 durch Bischof Rachio nach Niederhaslach transferiert. Heute befinden sich die Reliquien in einem barocken Schrein an der Nordseite des Chores. Direkt darunter ist Rachios Grabstein.


Die Kirche hat er aber nicht auch noch gebaut. Sie wurde erst ab 1274 an Stelle des Vorgängerbaus errichtet, in den Rachio die Reliquien des Florentius übertragen ließ. Der Bau wird mit Gerlach von Steinbach in Verbindung gebracht. Er war einer von drei Söhnen des Erwin von Steinbach, Architekt an der Straßburger Münsterfassade (und später von Goethe in seinem Text "Von deutscher Baukunst" zum Helden stilisiert). Ein verheerender Brand am 4. Juni 1287, der nur den Chor unversehrt ließ, und Gerlachs Unfalltod 1330 führten zunächst zu Baustopps. Erst von 1335 bis 1385 konnte der Bau vollendet werden. Die Grabplatte des Gerlach von Steinbach befindet sich noch immer in der Stiftskirche.

Die dreischiffige Stiftskirche St. Florentius (heute Pfarrkirche Saint-Jean Baptiste) gilt als einer der bedeutendsten gotischen Sakralbauten des Elsass, nicht zuletzt wegen ihres Ensembles original erhaltener mittelalterlicher Buntglasfenster. Es ist, nach dem des Straßburger Münsters, das zweitgrößte im Elsass. Die berühmtesten Fenster sind das Florentiusfenster, das originelle Täuferfenster mit der Darstellung der Johannes-Predigt in einem großen Zentralmedaillon und natürlich die Fensterrose von 1325 in der Westfassade.

Von Bedeutung ist auch das Hauptportal der Kirche (um 1320), in dessen Tympanon Szenen aus der Vita des heiligen Florentius dargestellt sind, darunter Florentius als Eremit, seine Misshandlung durch die Jäger, die Heilung der Königstochter, der Mantel über dem Sonnenstrahl, die Weihe des Kloster, die Bestattung des Heiligen, und die Reliquientranslation.



Tja, ein fantastischer Abschluss eines fantastischen Tags. Wir haben das Haseltal mit seinen vielen kulturellen und historischen Hotspots kennengelernt, von den Riesen bis zum Heiligen, vom Wasserfall bis zum Mättlein des Florentius.

Tourengänger: Nik Brückner, Waldelfe


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28 Apr 18
Kultur und Unkultur auf den Donons · Nik Brückner

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