Vom Saas- ins Laggintal via Weissmies NE-Couloir


Publiziert von danski , 9. April 2017 um 20:54.

Region: Welt » Schweiz » Wallis » Oberwallis
Tour Datum: 8 April 2017
Hochtouren Schwierigkeit: WS+
Ski Schwierigkeit: SS
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-VS 
Zeitbedarf: 8:30
Aufstieg: 1000 m
Abstieg: 2400 m
Strecke:Hohsass - Weissmies; Abfahrt via NE-Couloir ins Laggintal
Zufahrt zum Ausgangspunkt:ÖV bis Saas Grund
Zufahrt zum Ankunftspunkt:ÖV oder Autostopp ab Gabi
Unterkunftmöglichkeiten:Lagginbiwak

Nach einer etwas durchwachsenen Saison ruhen momentan alle Hoffnungen auf einem highlight-reichen Frühling. Noch so manches Projekt schlummert seiner Realisierung entgegen. So war es auch mit dieser Geschichte, die NE-Wände der Fletsch - Lagginhorn und Weissmieskette einer genaueren Betrachtung zu unterziehen. Kaum zu glauben, aber auf der versteckten Seite dieser Riesen gibt es die eine oder andere skitechnische Herausforderung zu meistern. Was gibt es schöneres, als eine perfekte Linie von einem Viertausender mit einer Überquerung von einem in ein anderes Tal zu verbinden? Das NE-Couloir vom Weissmies bietet genau diese Kombination.

Weissmies

06:02, wieder einmal ist dies die Uhrzeit um einen intensiven Tag am Zürcher Hauptbahnhof zu beginnen. Dank perfekt abgestimmter ÖV-Verbindungen erreichen wir bereits um 08:48 Saas Grund. Die Massen von Skitourern, die sich zuvor in Visp auf Extrakurse verteilt haben, lassen wir nun definitiv hinter uns. Für gerade mal CHF 20.50 mit GA gondeln wir gemütlich in die Höhe. An einer der Mittelstationen verwirklicht sich ein Bahnangestellter als DJ und beschallt die Umgebung mit "Macarena", was wir als den perfekten Auftaktsong für unsere Tour erachten. Wenn es einen Film über unsere bevorstehende Tour gäbe, dann würde er genau hier mit diesem Song starten. Mühelos erreichen wir schwebend die Bergstation Hohsass. Die Schneelage ist dürftig, aber der Weissmies macht seinem Namen alle Ehre. Makellos erhebt er sich noch ganz ohne Spuren vor dem tiefblauen Himmel. Wir nehmen uns etwas Zeit, unsere Aufstiegsroute zu studieren. Auf die Normalroute durch die grossen Spalten verspüren wir keine Lust. Unter dem P. 3307 bietet sich die Möglichkeit, den Gletscher sicher zu umgehen. Der Hang ist zwar ziemlich steil, aber objektiv viel sicherer als die Normalroute. Das ist unser Plan und so fahren wir auf der Piste bis ca. 3020m ab, wo wir anfellen und den gegen oben hin immer steiler werdenden Hang mit einer musterültigen Spuranlage verschönern. Irgenwann wird es zu steil und wir bauen um auf bootpack. In sehr schönem Schnee spuren wir nun abwechselnd bis ca. 3400m. Von hier geht es bequem per ski weiter auf ein kleines Plateau auf ca. 3500m. Wir befinden uns bereits über der berüchtigten Spaltenzone des Triftgleschters und genehmigen uns eine Pause mit Aussicht. Von anderen Gruppen, die gleichzeitig starteten und die Normalroute in Angriff nahmen, fehlt jede Spur. Das stört uns nicht, ganz im Gegenteil, es ist immer eine Freude, die Spuranlage selber bestimmen zu dürfen, erst recht an einem Viertausender. Natürlich kostet es uns einige Anstrengung durch den zeitwiese tiefen Pulver zu spuren. Dennoch kommen wir efreulich zügig voran und befinden uns bald am Gipfelaufbau, den wir soweit als möglich queren. Eisiger, vom Wind arg in Mitleidenschaft gezogener "patagonischer" Schnee macht dem Vorwärtskommen auch mit Harscheisen bald ein Ende. Wir wechseln auf Steigeisen und nähern uns dem Gipfel schnaufend. Die Höhe ist natürlich spürbar, ohne dass sie sich negativ auswirkt. Nach rund 3.5h stehen wir ganz oben, ein überwältigendes Gefühl, auch wenn das der einfachere Teil unserer ganzen Unternehmung war. Noch immer sind andere Gruppen nicht höher als 3500m gekommen. So geniessen wir den Gipfel für uns alleine. Ein ausgesetztes aber einfaches Gratstück bringt uns unserer Abfahrt näher. Grosses Kino mit Tiefblicken nach Domodossola und Lago Maggiore, läppische 3700m tiefer...

NE-Couloir

Natürlich spüre ich eine gewisse Nervosität, denn bei solchen onsight-Befahrungen weiss man nie, wie sich die Bedingungen präsentieren. Rasch entpuppt sich diese als unbegründet, denn was wir präsentiert bekommen, sieht einfach nur sehr gut und einladend aus. Nur auf den obersten 20HM muss man Acht geben, die vom Wind und der Sonne vereisten Stellen zu umfahren. Wir gönnen uns auf einem Logenplatz auf genau 4000m eine Pause, bevor wir die herbeigesehnte Abfahrt in Angriff nehmen. Dann gilt unsere Konzentration ganz der Kontrolle der Schwerkraft, die wir alleine mit den Skikanten und eingespielten Bewegungsabläufen beherrschen. Ich darf eröffnen und fühle mich sofort im Element. Die ersten 50HM sind etwas über 45° steil bevor der Hang unter diesen Wert zurückfällt und geradezu flach wirkt. Natürlich kommen wir beide gehörig ins Schnaufen. Noch ist der Schnee recht konsistent und man darf in ohne Übertreibung als für solche Unterfangen perfekten Pulver bezeichnen. Je tiefer wir vorstossen, desto variabler wird leider der Schnee und es lässt sich nicht mehr ganz so unbeschwert kurven. Mit abnehmender Höhe pendelt sich die Steilheit bei 45° ein und die Exponiertheit kommt mehr zur Geltung. Dank eines Topos wissen wir jeweils genau, an welchen Stellen wir kleinere Felsstufen umfahren müssen. Langsam wird uns bewusst, dass wir uns in einer grossen Linie befinden, denn 800HM in diesem Terrain auf Ski zu bewältigen, das passiert auch uns nicht alle Tage. Um sicheren Grund zu erreichen, sind die letzten 50-100HM abseilend oder abkletternd zu bewältigen. Wir bevorzugen die Abseilvariante, müssen aber bald feststellen, dass sich kaum geeignete Ankerpunkte finden lassen. Da abseilen überhaupt keine Fehlertoleranz zulässt, entscheiden wir uns fürs Abklettern. Immerhin sind wir damit nicht einem zweifelhaftem Felsen ausgeliefert und können den Abstieg eher kontrollieren. Unter uns befindet sich ein weiteres, steiles Schneefeld, das wir recht angenehm in gut gestuftem Fels erreichen. Die darauffolgende Felsstufe ist abermals exponiert. Aus Mangel an einer guten Abseilmöglichkeit klettern wir auch diese Stelle ab, was besser geht als befürchtet. Nun folgt nur noch eine steile Querung in gutem Trittschnee und wir können erleichtert wieder in die Skibindungen einsteigen. Der Bergschrund ist nicht der Rede wert. Kurz darauf befinden wir uns in wirklich üblem Bruchharsch, der sehr viel Kraft erfordert. Im Wechsel mit ansprechenderen Pulver- und Hartschneepassagen gelangen wir auf die Seitenmoräne beim P.2494., woo wir uns mit der Gretchenfrage Lagginhorn NE-Couloir ja oder nein am Folgetag inkl. Nacht im Lagginbiwak befassen müssen. Wir kommen rasch und einstimmig zum Schluss, dass wir mit der Linie am Weissmies mehr als glücklich und zufrieden sein dürfen und es für den Moment keine Steigerung braucht. Unter dem Strich, wir kehren noch zurück nach Zürich, das rein geografisch nicht eben um die nächste Ecke liegt. Durch wunderbaren Sulz kurven wir nach Gärtjini, wo wir auf Abfahrtsspuren treffen, die uns praktischerweise den Weg durch das unübersichtliche Labyrinth von Bidumji weisen. Speditiv erledigen wir auch diesen Teil der langen Abfahrt und erreichen auf den letzten Schneeresten den Talboden des Laggintales auf genau 1600m. Damit hätten wir erfolgreich 2400 anspruchsvolle Abfahrtshöhenmeter bewältigt. Weit müheloser und rascher als erhofft erreichen wir die Simplon-Passstrasse um 18:15. Wir sehen gerade noch, wie der letzte Postautokurs in die Galerie eintaucht. Dass wir alles auf die Karte Autostop setzen müssten, war uns eh bewusst und so versuchen wir es zuerst vor der Laggintal-Kurve. Allerdings erfolglos. Ein Positionswechsel nach Gabi bringt nach wenigen Versuchen den erhofften Erfolg. Ein italienischer Skitourist mit guten Deutschkenntnissen nimmt uns mit bis Simplonhospiz, wo das gleiche Spiel von vorne beginnt. Wie immer sind es schliesslich Einheimische die sich der verlorenenen Skitouristen annehmen. In Brig reicht es uns in letzter Minute sogar noch auf den IC nach Zürich, das wir 16 Stunden nach dem Start erreichen. Schon grossartig, was man in diesem Land in einem Tag alles erleben kann!

In den Wänden von Laggin- und Fletschhorn verbergen sich weitere anspruchsvolle Linien. Keine Frage, wir kehren eines Tages zurück!

Tourengänger: danski


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Kommentare (3)


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orome hat gesagt:
Gesendet am 10. April 2017 um 06:19
Coole Tour (de Suisse)! Die schlechet Saison scheint wohl ein alpenüberspannendes Problem zu sein, umsobesser, wenn sich so etwas dann trotzdem ausgeht!
Hier ists ziemlich vorbei, zu mindest mit den für mich interessanten, es fehlen einfach die oberen 1500m.
Grüße
Manuel

Zaza hat gesagt: Weiss Gott keine miese Sache!
Gesendet am 10. April 2017 um 15:00
Gratuliere, das ist als öv-Tagestour nur sehr schwer zu toppen...

Lg zaza

danski hat gesagt: RE:Weiss Gott keine miese Sache!
Gesendet am 10. April 2017 um 18:31
Merci! Falls man Autostopp auch als öffentliches Transportmittel bezeichnen kann... ;)


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