Matterhorn über den Liongrat


Publiziert von Matthias Pilz , 26. August 2016 um 14:09.

Region: Welt » Italien » Aostatal
Tour Datum: 7 August 2016
Hochtouren Schwierigkeit: ZS+
Klettern Schwierigkeit: III (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-VS   I 
Zeitbedarf: 2 Tage

Der Blick von Breuil auf das Matterhorn und der immer mehr abtauende Schnee der letzten Kaltfront am Hörnli waren dann doch zu verführerisch. Wir wollten also einen Besteigungsversuch von der italienischen Seite über den Liongrat auf das Matterhorn machen. Dieser Grat ist zwar deutlich anspruchsvoller als der Hörnligrat auf der Schweizer Seite, das sollte jedoch nicht allzu problematisch sein und zudem wegen der größeren Schwierigkeiten sollte hier weniger los sein. 
Der Aufstieg führt über das Carellbiwak, eine nicht bewirtschaftete Hütte nach dem ersten Drittel des Grates. Wir begannen den Aufstieg zum Biwak um 6 Uhr in der Früh, um einen guten Schlafplatz zu ergattern. Gegen Mittag waren wir beim Biwak, und es war schon ziemlich voll. Die Hütte ist etwa 5x8m groß und verfügt über einen 3-stöckigen Schlafraum mit 60 Betten und einen Vorraum zum Kochen. In der obersten Etage fanden wir noch zwei freie Plätze. 
Den Nachmittag verbrachten wir mit warten. Und es wurden immer mehr und mehr Bergsteiger. Bis zum Abend waren es bereits knapp 100. Viele kamen auch noch vom Gipfel herunter und brauchten auch einen Schlafplatz. In der dritten Etage herrschte mittlerweile Dampfsauna-Betrieb, das Atmen fiel bereits schwer! Zuletzt schliefen Leute am Boden, auf und unter den Bänken, sitzend unter den Regalen, auf der Terrasse vor der Hütte – um aufs WC zu kommen, musste man von unserem Schlafplatz gut 10 Minuten einplanen. Zum Glück warfen um 1 Uhr die ersten Spanier die Nerven weg und sie starteten zum Gipfel. Wie üblich löste das eine Lawine aus und auch unsere zusätzliche Motivation (“Die ersten Bergführer sind gegangen!”) trug dazu bei, dass sich das Biwak bald etwas leerte. 
Wir begannen den Aufstieg um 5.30 Uhr, etwa eine Stunde nach der letzten Partie vor uns. Bereits nach 30 Metern Kletterei standen wir im Stau. Doch mit viel Aufmerksamkeit konnten wir immer wieder die Fehler oder Pannen der anderen Seilschaften ausnutzen und diese überholen (Italiener verknoten ihr Seil in den dicken Fixseilen, Spanier verlieren die mehr als offensichtliche Route, Engländer klettert in die Schlüsselstelle, obwohl dort bereits 2 Personen hängen und muss höchst kraftraubend warten, Schweizer beginnt mit einem Bergführer zu streiten, weil sich die Seile verheddern, Italienischer Bergführer wirft die Nerven weg, weil sein japanischer Gast kein Wort englisch oder sonst noch was versteht, Japanerin verwechselt ständig links und rechts bei den Anweisungen ihres Bergführers, Norddeutsche Bergsteiger vergeben einen guten Startplatz vor einer Engstelle: “Günther, isch muss Mal scheißen!” und viele weiter Pannen).
 
Der Aufstieg war anstrengend und langwierig, jedoch ohne große Einzelschwierigkeiten. Und gegen Mittag standen wir auf dem italienischen Gipfel, wenig später am etwas höheren Schweizer Gipfel. Den geplanten Abstieg über den Hörnligrat verwarfen wir, da sich bereits auf den oberen zwei Abseilstellen etwa 30 Bergsteiger miteinander verknotet hatten. Und so ging es über den Liongrat ziemlich einsam wieder zurück zum Biwak und weiter ins Tal, wo wir spät aber gut ankamen. 
 
Was bleibt ist die sicher sehr eindrückliche Route und die vielerorts schöne Kletterei, ganz besonders aber die lustigen Begegnungen mit Bergsteigern (oder jenen Personen, die versuchen solche zu sein)!
 
ZUSTIEG: Von Breuil (am besten parkt man kostenlos bei der Seilbahn) mit der Seilbahn hinauf zur ersten Station "Plan Maison". Nun am schönen Wanderweg flach nach links zum Rifugio Duca degli Abruzzi. An den schönen Seen vorbei nach links in einen kleinen Wiesensattel. Nun in Kehren über gebankten Fels aufwärts, am Croce Carrel vorbei, und so zum Beginn des ersten Firnfelds. Dieses hinauf und durch eine verdeckte Felsrinne einfach hinauf. Nun wiederum über gut gestuften Fels aufwärts zum Beginn des (spaltenlosen) Gletschers. Auf diesem rechtshaltend steil aufwärts bis unter die Felsen des Testa Leone. Hier nun über Bänder nach rechts queren (bei Vereisung schnell sehr heikel) bis ins Colle del Leone. Meist empfiehlt es sich, ganz am obersten Rand direkt bei den Felsen zu gehen! Aus dem Sattel über eine Platte und den folgenden Schutt aufwärts und nach links auf eine Kuppe unter den Felsen. Über den Grat direkt hinauf und entlang der beiden Fixseile aufwärts. Über das dritte nun folgende Fixseil sehr steil und anstrengend senkrecht aufwärts. Über leichte Felsen in einem Linksbogen (nicht zu weit, sonst gerät man in die Schusslinie des WC...) zum an die Felsen geklebten Bivacco Carrel.
 
ROUTE: Im Grunde ist die gesamte Route aufgrund der Steigeisenkratzer stets einfach zu finden - das schaffen die meisten trotzdem nicht, also immer selbst mitdenken! Vom Biwak über den steilen Aufschwung entlang der Fixseile aufwärts. Eine gestufte Querung leitet nach rechts, wo man auf einen Kettenstand trifft. Hinter einem Felszipfel durchschlupfen und so zum nächsten Fixseil in einem Kamin. Danach in einer schweren Rechts-Links-Schleife aufwärts und wiederum über Bänder nach rechts. Stahlseile erleichtern den Weg übers Leichentuch und über einfache Stufen erreicht man das Gran Corda. Über dieses 25m hinauf und nun viele Seillängen (I-III) aufwärts zum Pic Tyndall. Von hier 15m abklettern (II) und weitere zwei Grateinschartungen (II) luftig überklettern (vermutlich die schwersten Kletterpassagen). In kombiniertem Gelände unschwer aufwärts zum Beginn des letzten Fixseils, welches über die Jordan-Strickeiter direkt unter den Gipfel führt. Vom Italienischen Gipfel kurz sehr exponiert in der Nordflanke hinab und über den schmalen Firngrat zum (etwas höheren) Schweizer Gipfel.
 
ABSTIEG: Wie Aufstieg. Wir haben an vielen Stellen abgeseilt und waren damit recht flott. Es gilt, eine gute Taktik zu finden, um nach den einzelnen Abseilern immer wieder eine kurze gesicherte Querung zum nächsten Stand machen zu können.
 
SCHWIERIGKEIT: ZS+ im Fels III und III+, Schnee bis 40°. Ab dem Colle del Leone praktisch durchgehende Kletterei, welche zwar nie schwierig ist, jedoch auch keinen Augenblick der Unaufmerksamkeit erlaubt.
 
ABSICHERUNG: ++/++++, Fixseile und vereinzelte Bohrhaken sowie wenige Normalhaken. Zackenschlingen und zwei mittlere Friends helfen bei der Absicherung.
 
WETTER: Traumtagerl
 
MIT WAR: Tanja

Tour beschrieben von Matthias Pilz (mammut-extreme@gmx.at), ©Matthias Mountaineering

Tourengänger: Matthias Pilz


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