Tödi-Westwand-Wintervariante


Publiziert von Clariden , 9. Oktober 2014 um 19:42.

Region: Welt » Schweiz » Glarus
Tour Datum: 6 Juni 2014
Hochtouren Schwierigkeit: ZS+
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-GL   CH-GR   Tödigruppe 
Aufstieg: 2700 m
Abstieg: 2700 m

Der Tödi ist für mich einer der schönsten Berge überhaupt. Wenn ich nachts das Glarner Land hinauf fahre und schließlich der Tödi zeitweise im Mondlicht majestätisch erstrahlt bin ich tief berührt. Was ein Berg.
Und als Solotour kommt vor allem die Westwand in Frage. 
Den ersten Versuch starte ich am 25.7. 2013, nachdem ich über die Claridennordwand die Planurahütte erreiche. Die Beschreibungen von outivity, 3614adrian, petitNic und insbesondere die von Alpinist habe ich dabei. Cornels (Alpinists) Wegillustrationen mit mehreren Photos die er während des Anstieges aufnimmt und darauf den Weiterweg einzeichnet (somit aus der Perspektive die sich dem Bergsteiger zwangsläufig auch bietet) finde ich genial und zukunftsweisend. Dadurch sollte die Führerliteratur, deren verbale Beschreibungen oft genug hilflos erscheinen, ersetzt werden.
Ich wollte die Wand begehen, wenn sie guten Trittschnee aufweist, also die sog. Wintervariante, nicht im Hoch-Spätsommer, wenn sie ausgeapert ist und damit sowohl sehr brüchig als auch steinschlägig. Da Winter und Frühjahr schneereich waren, fragte ich beim Hüttenwart nach den Verhältnissen, trotz der fortgeschrittenen Jahreszeit. Leider hatte ich  Hans Rauner dann wohl ziemlich missverstanden als er von "super" Verhältnissen sprach und einerseits bejahte, dass sie noch Schnee hatte und andererseits ergänzte "und etwas Gerümpel". Wahrscheinlich war der Wunsch Vater des Gedankens, dass ich das so verstand, dass überwiegend Schnee und wenig (brüchiger) Fels anzutreffen ist. Tatsächlich war es umgekehrt und ich stieg nicht ein.
2. Anlauf: Im März 2014 ist es ungewöhnlich warm, in Tallagen bis über 20°. Wieder rufe ich Hans Rauner an, der diesmal entschieden abrät: Die Wand sei etwas für Mai/Juni, jetzt sei das nur Gewühl. Die Wärmeperiode dauert ungewönlich lange an, so dass ich mir doch wieder Hoffnungen mache, entscheide mich aber schließlich stattdessen am 15.3. 14 die Hausstock-Nordostwand zu begehen, die da wirklich gute Verhältnisse hat. Ob auch Tödi-West zu diesem Zeitpunkt in gutem Zustand gewesen wäre? Um diese Jahreszeit dürften die Sonnenstunden in NO und SW-Wänden etwa vergleichbar sein? Tödi reicht allerdings etwas höher. Was meint der Leser dieser Zeilen? Oder war sogar jemand zu diesem Zeitpunkt in Tödi-West?
3. Anlauf am 9/10.4. 2014: Ich steige durch das Val Russein auf, um schon mal die Westwand in Augenschein zu nehmen. Die erste Stunde nicht so erbaulich, rege Bautätigkeit und große LKW auf dem Weg. Nach einer Stunde wird es einsam, nach 2 Stunden wird etwa von der Alp Russein aus das erste mal der Blick auf die Westwand frei gegeben. Grandios und verdammt steil. Letzteres ist zu einem großen Teil vom Standpunkt des Beobachters abhängig, das kenne ich schon und bin guter Hoffnung, dass noch welche kommen werden, aus denen die Westwand weniger steil erscheint. Ich bin früh unterwegs, da es schon recht warm ist und die Nasschnee-Lawinengefahr am Sandpass berücksichtigt werden muss.
Problematisch erscheint mir die Wegfindung in dem Felsgürtel oberhalb des langen Querganges, der vom Westgrat am sog. Tisch beginnend (P 3066) in die Wand zieht. Ich habe auf 2 Bildern versucht meine Linie zu markieren. Ist nicht ganz einfach, weil das Couloir, welches vom Quergang hoch zieht nach NW gerichtet ist und deshalb beim Anblick von SW nicht richtig zu erkennen ist. Danach wieder ein leicht ansteigender Quergang nach rechts, zuletzt eher leicht absteigend, um gewissermaßen das letzte Couloir zu nehmen, das sich anbietet.
Tolle Eindrücke am Abend, am nächsten Morgen bläst aber schon an der Hütte ein Wind, der in dieser Stärke nicht angesagt war. Und am Gipfel des Tödi zeigt sich eine, vorerst winzig kleine, Wolke.
Als ich die Schulter und den "Tisch" erreiche, von wo der Quergang beginnt, ist sie schon deutlich größer geworden und ich muß mich gegen den Sturm regelrecht anstemmen. 
Das wars mit dem zweiten Versuch. Trotz praktisch Windstille in der SW-Wand ist mir bei diesem NO-Sturm (ich würde so 80-90 km/h schätzen bei angesagten 30) ist mir schon das Risiko von relevantem Triebschnee oben im Bereich des Ausstieges aus der Wand zu groß. Dazu kommt die Wolke, die mir vor allem im Abstieg die Sicht behindert. Ich gehe den Quergang zu 2/3, aber nur, um dann durch eines der beiden großen Couloire, die vom Quergang nach unten ziehen, abzusteigen, da dies den Rückweg verkürzt. Dabei ist der erste Teil des Querganges stellenweise aper, dort aber extrem heikel, da der kleinspittrige Schotter bockelhart gefroren ist, die Eisglasur aber viel zu dünn ist, um mit den Steigeisen oder Pickeln darin Halt zu finden.
Als ich beim weiteren Abstieg beim Rückblick das letzte Mal den Tödi sehe, reicht die Wolke bis fast zum Quergang. Wäre eine ziemlich Horrorvorstellung bei null Sicht den Weg vom Gipfel zum Ende des Trichters und von diesem durch den Felsgürtel darunter zu finden. 
4. Anlauf: Im Verlauf des Frühjahres habe ich irgendwann noch mal alles gepackt, will eigentlich schon los fahren. Meteo sagt stabiles niederschlagsfreies Wetter voraus, spricht zwar von leichter Föhntendenz aber nur 30-40 km/h  zwischen 3000 und 4000m.  Zum Glück komme ich aber dann doch noch tel. zur Planurahütte durch und erfahre, dass man vor der Hütte fast weg geblasen wird.
Es braucht halt Geduld, irgendwann wird es passen und irgendwann ist am 5./6.6. 2014
5. Anlauf Über Pfingsten ist ein stabiles Hoch angesagt, kurz vorher hat es noch wenig Neuschnee gegeben, so dass ich eigentlich gerne bis Pfingstsonntag/Montag gewartet hätte, aber es soll über die Feiertage mit jedem Tag wärmer werden und das ist nicht gut und gibt dann den Ausschlag die Tour vorher, am 6.6. zu machen. Nicht entscheidend, aber sehr angenehmer Nebeneffekt ist, dass ich an diesem Tag alleine, nicht nur in der Westwand sondern auch auf dem Gipfel bin, was an den Tagen danach wohl unwahrscheinlich gewesen wäre.
Ich wäge die verschiedenen Aufstiegsmöglichkeiten ab: Wie im April aus dem Val Russein mit Übernachtung auf der Planurahütte: Müsste ich wieder schon sehr früh los, weil die Nasschneelawinengefahr unter dem Sandpass jetzt noch größer ist als im April, ich könnte aber nochmal die Wand studieren. Oder von Thierfehd, was landschaftlich schöner ist und einen späteren Aufstieg zulässt. Oder als Tagestour aus dem Val Russein bei der das Gefühl des Alleinganges nicht durch die Hüttenübernachtung gewissermaßen "verwässert" wird und zudem den Vorteil hat, dass ich den Quergang vermeide, der so heikel war, auch wenn es nicht sehr wahrscheinlich ist, das die Bedingungen diesmal genauso sind, wie im April. Möglich wäre auch eine Hüttenübernachtung und dann Abstieg vom Sandpass, um die Westwand von unten anzugehen.
Ich entscheide mich für die Tagestour, reise am Nachtmittag an, beziehe ein schönes und recht günstiges Hotel und lege mich um 2030 hin. Beim Einchecken sage ich, dass ich schon um kurz vor 2400 wieder auschecke und bekomme das Angebot als Ausgleich umsonst zu Abend zu essen. Leider nehme ich das Angebot an, was meinen kurzen Schlaf stört. Aber immerhin, so einigermaßen schlafe ich 3 Stunden. Um 2330 geht der Wecker, meine Sachen inclusive der Stirnlampe liegen neben dem Bett und nach 20 Minuten verlasse ich das Hotel, um genau 2400 starte ich aber Punta Grande.
Kalkuliert habe ich so, dass ich den Quergang auf ca 3000hm erreiche, wenn es ausreichend hell ist, da ab dort die Wegfindung schwierig ist. Bzw. etwas später los gehe, um von kurz unterhalb noch einen besseren Überblick zu haben. Kurz vor der Alp Caprein geht ein befahrbarer Weg ab und ist mit dem Mountain Bike Zeichen versehen, ohne Angabe, wohin es geht. Dieses ist aber generell der direkteste Weg zur Alp Russein, was ich leider erst im Abstieg realisiere. Stattdessen gehe ich, wie auch im April, auf der anderen Bachseite weglos zur Alp Russein, kostet sicher 15 Minuten. Ab Alp Russein (unmittelbar bei dieser gibt es eine Brücke über den hier sehr breiten Bach) am einfachsten auf der im Sinne des Austieges linken Bachseite. Im Juni war hier weiterhin der (mit JEEP) befahrbare Weg zu erkennen und am kräfteschonendsten. Das Tal gabelt sich bei P 1845 erneut, man geht wieder rechts, weiter auf der linken Bachseite bleiben, mittlerweile trennt eine recht tiefe Schlucht die beiden Seiten, weiter oben  ist der Übergang auf die rechte Bachseite problemlos. Ab ca 2100 liegt Schnee, aber fest, problemlos ohne Steigeisen zu begehen. Schliesslich muss ich mich für eines der Couloires entscheiden, das rechte ist steiler und direkter, ich wähle aber das linke, da ich mir von dessen Ende einen besseren Überblick erhoffe, was dann auch zutrifft.
Um kurz nach vier ca auf 2400 mache ich eine kurze Rast, um etwas zu trinken und zu essen, die Steigeisen zu montieren, Stöcke gegen Pickel zu tauschen und lasse das, was ich ab hier nicht mehr benötige zurück.  
Der Aufstieg ist sodann erstaunlich unproblematisch. Schon im Zustiegscouloir zum Quergang sehr guter Schnee, nur in dem kurzen Teil des Querganges, den ich noch machen muss, ist Wühlschnee. Meinen ersten Versuch, den Quergang ansteigend auf das nächste Couloir zu verlassen, muss ich aufgeben. Ich kann so viel wühlen wie ich will, ich komme einfach nicht hoch, nur weiter rein, bis ich bis zum Bauch drin stecke. Also ein kurzes Stück zurück, dann weiter waagerechter Quergang und schließlich gerade hinauf auf besagtes Couli. Bis zu diesem ist der Schnee weiter von der "Wühlsorte" aber immerhin, es geht. Ab dem Couli, das den steilsten Teil der Route darstellt, bis praktisch zum Gipfel dann wieder hervorragender hart gefrorener Schnee. Zwar etwas anstrengender als Trittschnee, da nur die ersten beiden Paare der Steigeisenzacken greifen und die Waaden gefordert werden. Und auch die Pickelhauen müssen richtig rein geschlagen werden, haben dafür einen Sitz, dass jede für sich das ganze Körpergewicht halten würde. Gibt ein sehr sicheres Gefühl. Spannend wird es nur am Ende des kurzen, steilen Coulis nochmals bezügl. der Wegfindung. Kommt hier nach der beabsichtigten erst leicht ansteigenden , zuletzt leicht fallenden Quergung (s.o. bzw. Bild) wirklich  ein letztes Couli, das dann schräg nach links oben an den Beginn des großen Trichters führt? Ja es kommt. Jetzt noch ein bißchen Kondition zeigen, gebührenden Abstand von den wenigen herausragenden Steinen halten (drumherum kann es Löcher geben oder Fels mit nur dünner Auflage). Bald nach dem Durchschlupf zwischen 2. und 3. Turm kommt der Südgrat in Sicht und über diesen einfach und weniger steil dann bald der Gipfel. Den habe ich ebenso wie die ganze Tour für mich alleine. Außer dem Wind, der ist auch noch da und drängt mich, ebenso wie die tageszeitliche Erwärmung, zum Aufbruch nach einer halben Stunde. (In der Wand war es windstill) Ich hatte mir beim Gang durch den Trichter immer wieder die Landmarken im Fels gemerkt, die mir jetzt beim Rückweg dessen Ende bzw. das anschließende Couli zeigen. Hätte ich das nicht getan, würde ich mir jetzt sehr schwer mit der Orientierung tun. Und würde eine Wolke die Sicht behindern hätte ich ein ernstes Problem (und gerne die "beam me up Scotty" Funktion). 
Der Wetterbericht traf diesmal aber zu, es blieb praktisch wolkenlos, der Schnee war im Abstieg nicht mehr hart, erst Trittschnee später Firn, blieb alles im grünen Bereich. Aus dem großen Quergang auf 3000m wähle ich im Abstieg diesmal das rechte Couli, da einzelne kleine Steine herab kommen und eher in das linke gehen. Als ich mein Depot auf 2400 erreiche ist es mittags, ich mache ausgiebig Rast und halte während des langen Abstieges viermal meine Füße in den Bach. Das tut gut, der Tag ist schön und lang am 6.6. und es drohen keine Gefahren mehr.
Ich denke die Bedingungen waren so gut es in dieser Wand überhaupt nur geht. Beim Vergleich mit den eingangs genannten Begehungen hatte wohl nur outivity genauso gute Bedingungen, bei den anderen kam deutlich mehr Fels zum Vorschein und der ist in der Tödiwestwand von keiner guten Qualität. Und der reichliche Schnee war gut verfestigt, die Lawinengefahr dürfte sehr gering gewesen sein.
Trotz dieser guten Bedingungen ist allerdings klar, dass man sich spätestens ab dem Quergang auf ca 3000m permanent in "Stürzen verboten Gelände" bewegt und die Lawinengefahr erfordert, dass der Tag selbst und die voraus gehenden nicht zu warm sind und man sehr früh aufbricht. Tatsächlich hätte ich noch mindesten eine Stund früher in die eigentliche Wand einsteigen können.
Ausrüstung:
Steigeisen, 2 Pickel (ich hatte 2 Sum`teck von Grivel, die haben schon eine sehr gute  heiß geschmiedete Haue, sind sehr leicht, aber keine eigentlichen Steileisgeräte, die wieder deutlich schwerer wären, m.E. ein guter Kompromiss) Pickelsicherung, Helm,
Zur Gewichtsoptimierung nur 1 Liter Wasser, 0,5 hätten auch gereicht, da problemlos nachgefüllt werden kann, evtl. dann Micropur zum Wasser desinfizieren zusetzen, hatte ich dabei, diesmal aber nicht verwendet. Auch sonst gewichsoptimiert, kleiner Rucksack, Deckeltasche abgenommen.



Tourengänger: Clariden
Communities: Alleingänge/Solo


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