Von Marburg nach Waldkappel


Publiziert von Vandrer , 11. Juni 2014 um 12:41.

Region: Welt » Deutschland » Östliche Mittelgebirge » Sonstige Höhenzüge und Talgebiete
Tour Datum: 6 Juni 2014
Wandern Schwierigkeit: T1 - Wandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: D 
Zeitbedarf: 5 Tage
Strecke:theoretisch: 121 km, praktisch: 135+ km

Vorwort

 

Da sich spontan vom 6. bis zum 10. Juni fünf freie Tage ergaben, galt es, den Rucksack zu packen und die Stiefel zu schnüren. Zusammen mit dem etwas später dazustoßenden F., einem bewährten Wandergenossen, sollte es auf dem Elisabethpfad/Jakobsweg entgegen der üblichen Richtung von Marburg aus nach Waldkappel gehen. Was die Tage außer sengender Hitze, Schweiß, Blasen und einem grenzwertigen Gewitter brachten (und warum es trotzdem wunderbar war), mag der geneigte Leser den nun folgenden Zeilen und Lichtbildern entnehmen.

 

 

Tag 1: Marburg - Langenstein (theoretisch: 21 km, praktisch: 28+ km)

 

Ja, theoretisch hätten es nur 21 km sein sollen, da aber der Elisabethpfad/Jakobsweg zum einen nur in eine Richtung markiert ist und zum anderen selbst diese Markierungen mäßig sind, irrte ich schon kurze Zeit nach Aufbruch um 10 Uhr in den Marburger Wäldern umher und suchte nach dem weißen E auf rotem Grund bzw. der bekannten Muschel. Letztlich fand ich den Weg und kam bald am Elisabethbrunnen vorbei, wo mich das kühle Nass erquickte. Dass es kein Trinkwasser sein soll, war der Auskunft nicht eindeutig zu entnehmen und ich lebe noch.

 

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Der Elisabethbrunnen bei Marburg/Schröck

 

Dann durchquerte ich Schröck, verzichtete auf das nervige Markierungsgesuche und konnte leicht über die Felder hinweg die hoch aufragende Amöneburg (Name sowohl der Stadt wie der Burgruine) anvisieren. Der Weg dorthin führte über Feldwege und war wenig reizvoll. Immerhin hatte ich ein schönes Ziel vor Augen. Nach einem Anstieg der etwas Schweiß forderte, denn die Temperaturen lagen außer am letzten Tag um die 30°C (gefühlt teils deutlich darüber), erreichte ich den "Gipfel" um 14 Uhr und tat das einzig Vernünftige: Schuhe aus, trinken, futtern, Nickerchen im Schatten. Um 15 Uhr brach ich guter Dinge wieder auf, da um 16.30 Uhr Wanderkumpane F. in Kirchhain abgeholt werden wollte. Aber es kam leicht anders...

 

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Nord-südlicher Blick auf die Amöneburg

 

Es kam anders, weil die Markierung, auf die ich mangels klarer Orientierungspunkte nun doch wieder angewiesen war, mich im Stich ließ und ich so gezwungen war, laut fluchend einen Umweg zu nehmen. Dieser Umweg "schenkte" mir 5 km, wodurch ich verspätet und etwas genervt in Kirchhain ankam. Ein gemeinsamer Kaffee entspannte uns beide aber - auch F. war verschiedentlich gestresst. Gegen 18 Uhr gingen wir los und kamen recht bald in Langenstein an, wo wir weder einen Äbbelwoi noch eine freie Grillhütte auftreiben konnten, da letztere von einem Haufen erstaunlich zivilisierter Jugendlicher okkupiert war. Wir fanden jedoch eine schattige Wiese mit Blick auf die Amöneburg und beschlossen, dort zu bleiben. Diese Entscheidung stellte sich während der Nacht in zweifacher Weise als wenig klug heraus.

 

Tag 2: Langenstein - Treysa (theoretisch: 23 km, praktisch: 30+ km)

 

Das Übel der Wiese lag zum einen in massivem Taubefall, worüber ich tatsächlich auch nachgedacht, es aber mit Blick auf die am nächsten Tag zu erwartende knackige Sonne abgetan hatte. Das rächte sich in der Nacht: Mittels verschiedener Abdeckungen verhinderte ich ein totales Durchnässen des Daunenschlafsacks. Dies hinderte mich nur deshalb nicht am Schlaf, weil zum anderen die Wiese mir eine ordentliche, noch lange anhaltende Heuschnupfenattacke beschert hatte und an Schlaf sowieso nicht zu denken war. Entsprechend frisch und glückselig stapfte ich neben dem unverdrossenen F. her und nervte ihn mit meinem Geröchel und Geschniefe sicherlich, obwohl er sich nichts anmerken ließ.

 

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Ein schöner Platz - für Leute mit Biwaksack und ohne Heuschnupfen

 

Der Weg nach Momberg in der Hitze und auf den vielfach asphaltierten Wegen schaffte uns beide ziemlich. Nachdem sich unsere Suche nach einer Kaffeequelle als vergeblich erwies, hielten wir unser obligatorisches Mittagsnickerchen an einem schattigen Plätzchen im kleinen Momberger Wasserpark. Als wir wieder aufbrachen und am Friedhof Wasser zapfen wollten, wies uns ein älterer Herr nachdrücklich auf die viel bessere Quelle kurz nach Momberg hin. Und in der Tat: Die gute Wasserqualität und die Kühle waren eine Wonne! Zudem führte auch der Weg danach endlich durch etwas waldigere Landschaft, was schlicht schöner und zudem schattiger ist als der andauernde Marsch über Feldwege. Allerdings verloren sich auch hier bald wieder die Markierungen und wir gingen einigermaßen frei Schnauze, was sich leider nicht immer auszahlte: Auf einer Bundesstraße beispielsweise bei knackiger Hitze zu gehen und dann auch noch die bereits beschrittenen 2,5 Kilometer aufgrund eines Irrtums wieder zurückmarschieren zu müssen, kratzt mitunter etwas an der Motivation. Irgendwie kamen wir um etwa 16 Uhr dennoch in Treysa an und wurden dort reichlich entlohnt: In der Gartenhütte von F.s Eltern schliefen wir und davor wurde zünftig gegrillt. Abgesehen von der leichten Störung durch die Russendisko bei den Nachbarn war dies die einzige Nacht, wo wir beide längere Stücke durchschlafen konnten.

 

Tag 3: Treysa - Sondheim (ca. 24 km)

 

Dies würde ein eher entspannter, wenngleich trotz der Temperaturen immer noch gut schweißtreibender Tag werden: Kaffee und Plausch mit F.s Familie, dann Marsch zum Spießturm südwestlich von Spießkappel inklusive kurzer Pause, Sonnenbrandbegutachtung bei F. und Photoschießen.

 

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Wenn mein Arm so aussähe... F. steckte das aber erstaunlich gut weg


Ein Höhepunkt ist nach einem knackigen Schweißmarsch der Silbersee, wo wir erst ausgiebig rasteten und dann badeten. Während der Rast hatten wir Gelegenheit die anderen Gäste ausgiebig zu mustern. Die Kommunikation mancher Leute war bemerkenswert umständlich: "Hier kann man ja auch Trampel-Boot [= Tret-Boot] fahren wie am... ähm... Edersee." - "Hä?" - "Wie am Edersee!" - "Trampel-Boot, oder was?" - "Ja, hier kann man wie am Edersee Trampel-Boot fahren." Stiltechnisch den Vogel abgeschossen hatte eine sehr füllige Dame von etwa 17 Jahren im Neon-Netz-Poncho/-Kleid über ihrem Bikini ("Netz KANN gut aussehen..."). Nervig wurde ein alter, vielleicht aber auch schon seniler Herr neben uns, der die Jungschwäne durch ununterbrochenes, mantraartiges "Komm, Schwan, komm" anzulocken versuchte (ca. 20 Wiederholungen). Dass sie schließlich ans Ufer hüpften, dürfte wohl eher dem saftigen Gras zu verdanken gewesen sein.

 

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"Komm, Schwan, komm!" - Flauschige Jungschwäne und ihre achtsamen Eltern

 

Nach dem an sich sehr erquickenden Bad im Silbersee ging es weiter, allerdings hatte ich einen alten Fehler wiederholt: In relativ engen Schuhen mit frisch gewaschenen Füßen zu wandern, führt zumindest bei mir sofort zu Blasen. Dadurch verlangsamte sich unser Tempo massiv - immerhin ging in umgekehrtem Verhältnis mein Heuschnupfen etwas zurück. Angesichts einer möglichen Gewitterfront entschieden wir uns kurz nach Sondheim dazu, unser Lager in einem Waldstück aufzuschlagen, von wo aus wir einen guten Blick ins Tal und in nord- bzw. nordwesthessische Gefilde hatten.

 

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Lichtspiele über dem Kellerwald

 

Ein Gewitter gab es nicht, dafür relative Windstille + Hitze = Mücken. Ich persönlich war froh über mein Moskitonetz. F. hingegen verkroch sich tief in seinen Schlafsack und zog sich ein Funktionshemd über Kopf und Schirmmütze. Da alles schwarz war, hatte ich das Gefühl, einen Leichensack neben mir liegen zu haben. Immerhin regte sich aus dem Leichensack bitterster Widerspruch, als ich später - etwas unbedacht - meinte, wie genial es doch sei, unterm Tarp so einen tollen Rund-um-Blick zu haben...

 

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Schönwetter-Aufbau des Tarps

 

 

Tag 4: Sondheim - Waldstück auf der Höhe zw. Schnellrode u. Vockerode-Dinkelberg (37 km)

 

Aus der Hitze der vergangenen Tage zogen wir den Schluss, erheblich früher zu starten. Um 6 Uhr brachen wir entsprechend auf. Die Sonne lugte gerade über die Baumwipfel und verhieß einen weiteren heißen Tag.

 

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Dafür muss man früh auf den Beinen sein

 

Und in der Tat: Der Tag wurde wieder heiß und wir füllten ständig unsere Flaschen nach. Gleichzeitig hatten wir an dem Tag einen ziemlich guten Lauf. Das mag zum Teil an den zwei Kaffees, die wir einmal um 7 Uhr in Homberg (Efze) und einmal gegen 13 Uhr in Malsfeld zu uns nahmen, gelegen haben. Einen Hauptgrund wird aber auch eine leichte Gewöhnung an die Hitze dargestellt haben. Außerdem schienen meine Beine - Blasen und andere Zipperlein ignorierend - in einen Automatismus zu verfallen, der uns weit trug. Gleichwohl blieb es F., der Tempo und Strecke machte.

 

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F. marschiert voran und zieht mich mit

 

In Spangenberg rasteten wir nach einem anstrengenden Anstieg und brachen dann zu den letzten Kilometern für den Tag auf. Der nun beginnende Wegabschnitt nach Spangenberg bis Waldkappel war für mich mit Abstand der beste: endlich weniger Asphalt, mehr Wald, mehr zu gucken.

 

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Blick zurück auf das Schloss Spangenberg (der Rest des Orts wird aus der Perspektive schön verdeckt)

 

Auf einem Weg, der gelegentlich von mal mehr, mal weniger gelungenen Kunstwerken gesäumt ist, ging es noch einige Zeit voran, bis wir einen Schlafplatz meinten, gefunden zu haben. Die Horden von Fliegen und Bremsen, die sich wohl an uns zu laben erhofften, verscheuchten uns aber schnell wieder und wir wurden einige Meter weiter fündig. Das Wetter schien auch so stabil zu sein, dass wir uns mit der Plane begnügten und auch recht schnell dösten.

 

Tag 5: Waldstück auf der Höhe zw. Schnellrode u. Vockerode-Dinkelberg - Waldkappel (16 km)

 

Im wortwörtlichen Sinne kam das böse Erwachen wie ein Paukenschlag: Gegen Mitternacht waren wir gerade dabei - vielleicht auch aufgrund der, wie wir später feststellten, an sich schon merkwürdigen Stille - in wirklichen Schlaf überzugleiten, als direkt über uns ein derartiger Donner loskrachte, wie wir ihn beide noch nicht erlebt hatten. Der Schreck saß einigermaßen tief (F. sprach für uns beide später, als er meinte, dieses Erlebnis würden wir kaum mehr vergessen). Dann kamen die Blitze. Wir packten mit etwas zittrigen Fingern die Sachen zusammen und waren uns einig, dass wir eigentlich nicht viel tun könnten. So hockten wir uns also auf unsere Isomatten mit angezogenen Knien und geschlossenen Füßen. Der Poncho lag griffbereit. Etwas später ging denn auch der Schauer los und wir warfen die Ponchos über. Wir waren ab 2 Uhr so übermüdet, dass wir trotz Gewitter und Regen versuchten, jeweils mit Rucksack im Poncho eingewickelt etwas zu dösen, denn mehr war nicht zu tun. Als sowohl dies nur mäßig fruchtete als auch das Wasser seinen Weg zu uns fand, brachen wir bei einsetzender Dämmerung um 4 Uhr auf. Das Gewitter ließ allmählich nach.

Für mich waren die letzten 16 km nach Waldkappel über Reichenbach eine ziemliche Tortur: Die Blasen und die Anstrengung des Vortags sowie eine zunehmende Übermüdung machten sich bemerkbar. In Reichenbach hätte ich fast hingeschmissen, als wir später um 9 Uhr jedoch in Waldkappel einen sehr guten Kaffee schlürften, war ich sehr froh, durchgehalten zu haben.

Dies ist denn auch mein Fazit dieser kleinen Tour: Hitze, Blasen & Co. sorgten zwar für verschärfte Bedingungen, aber immerhin wurde nach zwei Abbrüchen endlich einmal wieder eine Wanderung teils mit Lust, teils mit Wille durchgezogen - und in bester Begleitung!

Bestärkt hat mich die Unternehmung auch in der Überzeugung, dass die Ferne zwar manchmal locken mag, dass gleichzeitig jedoch in der Heimat noch einiges Unentdeckte liegt: Sei es die Natur, seien es die Gebäude oder auch einfach die Menschen. Die positiven und amüsanten Momente mit der "Urbevölkerung" konnten hier gar nicht ausreichend gewürdigt werden und die oben ironisch gezeichneten Aspekte sind nur der eher negative Teil, das heißt: werden der Sache nicht gerecht.

Kurzum: Ich habe das Wandern wieder einmal in einem sehr erdenden Sinne erleben können!


Tourengänger: Vandrer


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