Monte-Rosa-Tour


Publiziert von Sibille , 18. September 2010 um 14:50.

Region: Welt » Schweiz » Wallis » Oberwallis
Tour Datum:16 August 2010
Hochtouren Schwierigkeit: WS
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-VS   I 
Zeitbedarf: 5 Tage

Tag 1: White out am Castor
Nach 9 Uhr brechen eine Kollegin und ich mit einem (uns von früheren Touren bekannten) Bergführer in Zermatt zu unserer Spaghetti-Tour auf. In der Gondel aufs Kleine Matterhorn werden wir, bevor wir überhaupt etwas geleistet haben, von einer koreanischen Familie fürs Fotoalbum festgehalten und mit „Korean Ginseng candies“ versorgt. Oben angekommen, lassen wir es mit einem Tee im Restaurant gemütlich angehen, das trübe Wetter drängt nicht zur Eile. Trotzdem haben wir den Eindruck, dass die Sonne durch die Wolkendecke drückt und uns später einen schönen Tag bescheren wird.
Als wir nach 11 Uhr schliesslich aufbrechen, führt eine Spur durch viel Neuschnee übers Breithornplateau in Richtung Pollux. Es fühlt sich an wie eine Schnee(schuh)tour ohne Schneeschuhe, so winterlich wirkt die Gegend, insbesondere im Vergleich zu meinen Eindrücken vom letzten Jahr, als ich an einer Tagestour auf den Pollux teilnahm.
Wir gehen am Pollux vorbei, wo nur noch eine schwach erkennbare Spur durch die Flanke zum Castor hochführt. Selbst in der Spur reicht der Neuschnee bis zu den Knien, wir rutschen ständig, sodass der Aufstieg an den Kräften zehrt. Schon bald wird es kühl, von der Sonne keine Spur mehr. Wir steigen trotzdem weiter hoch, wobei die Sicht vom aufkommenden Wind stark beeinträchtigt wird. Der aufgewirbelte Neuschnee lässt alles um uns herum weiss werden. Nach dem Queren einer Felsrippe stehen wir wenig später auf dem Vorgipfel (4206 m) des Castors, von wo aus der Schneegrat auf den nur 17 Meter höher gelegenen Gipfel führen würde. Dieser Schneegrat ist aber bei dem inzwischen tobenden Sturm nicht mal ansatzweise zu erkennen, weshalb an ein Weitergehen nicht zu denken ist. Es ist bitter kalt, der aufgewirbelte Neuschnee fühlt sich im Gesicht wie Nadelstiche an, die Hände sind steif vor Kälte, da ich die dicken Handschuhe etwas spät angezogen habe.
Der Abstieg entpuppt sich als die eigentliche Herausforderung an diesem Tag, da die Aufstiegsspur ebenso wenig zu erkennen ist wie die Stelle, wo wir die Felsrippe gequert hatten. So steigen wir auf der Suche danach zweimal zu weit ab und müssen uns durch den teilweise hüfthohen Schnee wieder hoch kämpfen. Zum ersten Mal habe ich so in den Bergen erlebt, wie schnell man, auch an einem so genannt einfachen Berg, die Orientierung verlieren kann, und wie schnell bei garstigen Verhältnissen eine Extremsituation eintreten kann. Bei einer dieser falschen Abstiege entlang der Felsrippe bricht direkt hinter dem Bergführer ein Schneestück in die Tiefe, kurz bevor meine Kollegin ebenfalls darauf getreten wäre…
Glücklicherweise finden wir danach das richtige Felsstück zur Querung und kämpfen uns durch den vielen Schnee den steilen Hang (Lawinengefahr!) hinunter. Als ob wir an diesem Tag nicht schon genug erlebt hätten, bricht unser Bergführer am Fuss des Castors bis zu den Schultern in eine Gletscherspalte ein.
Einerseits die Anstrengung der vergangenen Stunden - die widrigen Verhältnisse liessen uns stetig Weitergehen ohne etwas zu trinken - die Schrecksekunde oben und dann wahrscheinlich doch auch die Höhe: mein Magen rebelliert, mir wird übel. Die Erleichterung ist riesig, als wir schliesslich gegen 18.40 Uhr, nach fast 8 Stunden, beim Rifugio Val d’Ayas eintreffen. Eigentlich hätten wir den Castor auf dem Weg zur Sella-Hütte überschreiten wollen. Dass wir unser Programm bereits am ersten Tag abändern mussten war jedoch völlig unbedeutend angesichts der Tatsache, dass wir an diesem Tag unglaubliches Glück hatten! Mindestens drei Schutzengel sind mitgeflogen…
 
Tag 2: Transfer
Nach einem angenehmen Abend und einer Nacht im Viererzimmer (auch dort reicht es, wenn einer schnarcht!) ist nicht mal ein Blick aus dem Fenster nötig, um zu realisieren, dass der Wind nicht abgenommen hat. Er pfeift um die Hütte und lässt uns die Idee, doch nochmals zum Castor hochzusteigen, vergessen. Wir entscheiden uns ins Tal abzusteigen und so zur Mantova-Hütte zu gelangen, wo wir am zweiten Tag sowieso planmässig übernachten wollten. Hätten wir es am Vortag zur Sella-Hütte geschafft, so wäre die Liskamm-Überschreitung auf dem Programm des zweiten Tages gestanden. Bei dem starken Wind und dem vielen Neuschnee wäre aber eine Überschreitung bestimmt ebenfalls nicht möglich gewesen.
Der Rest des Tages ist also schnell erzählt: Abstieg ins Val de Veraz, dann via Résy zu drei Sesselliften, welche uns ins Val de Gressoney befördern. Hier überlege ich kurz die Tour für mich zu beenden, da ich immer noch mit Übelkeit zu kämpfen habe (evtl. auch durch den noch nicht ganz abgeklungenen Jetlag meiner Kanada-Reise) und wir das Glück am Vortag schon genug herausgefordert hatten. Ich entscheide mich dann doch dafür, erst den kommenden Morgen abzuwarten, in der Hoffnung, dass die Übelkeit dann verschwunden sein würde.
So fahren wir mit Sessellift/Gondel hoch bis etwa 200 Meter unterhalb der Montova-Hütte, welche wir am frühen Nachmittag erreichen.
 
Tag 3: Vincentpyramide – Balmenhorn – Ludwigshöhe – Signalkuppe
Kurz nach 5 Uhr, eine Stunde früher war der Wind noch sehr stark, stehen wir als eine der letzten Gruppen auf, frühstücken (wo haben sie in Italien nur das sättigende Müesli versteckt?!) und verlassen gegen 5.45 Uhr die Hütte. Der Wind hat nun deutlich nachgelassen und ich fühle mich endlich besser (ohne Brechreiz!) und bin deshalb voller Vorfreude auf den heutigen Tag.
Wir steigen hoch, an der Gnifetti-Hütte vorbei, während der Tag langsam erwacht. Wunderschön ist der Blick zurück: die Sonne, das Wolkenmeer…
Die meisten Seilschaften lassen die Vincentpyramide links (d.h. eigentlich rechts) liegen, sodass wir alleine den Gipfelhang in Angriff nehmen. Der Wind bläst hier wieder stark und hat den Schnee zu einem festen, kunstvollen, wellenartigen Muster geformt. Böenartig raubt der Wind uns zwischendurch den Atem oder lässt uns torkeln, als hätten wir bereits zum Frühstück Gipfelchampagner getrunken.
Auf dem Gipfel angekommen geniessen wir kurz (brrrr!), aber ganz alleine das Panorama inklusive Sicht auf die nächsten Gipfel, welche wir auf dem Weg zur Signalkuppe „mitnehmen“ werden.
Das Balmenhorn, welches eher als unbedeutender Felshaufen angesehen werden kann, ist  nach einem kurzen Aufstieg über einige Stahltritte schnell erreicht. Anschliessend laufen wir weiter den Hang hoch auf einen Grat, welcher vom Lisjoch zur Ludwigshöhe führt. Das Wetter hat sich wieder verschlechtert, ausser weiss ist nichts zu sehen, es windet wieder stark…
Wir verlassen den Gipfel, kurz darauf auch den Grat und gelangen auf direktem Weg durch den Tiefschnee wieder auf die eigentliche Spur. Diese führt uns an einem gigantischen Eisabbruch vorbei, dann in einer weiten Rechtskurve hoch in Richtung Signalkuppe. Auf dem letzten Steilstück heisst es nochmals Zähne zusammen beissen: der Wind bläst uns teilweise fast um, es fällt mir schwer gleichmässig zu atmen, was die Höhe nicht leichter ertragen lässt. Im Schneckentempo geht’s Schritt für Schritt weiter, der aufgewirbelte Schnee ist wie Schmirgelpapier im Gesicht… Dann endlich, einige Meter unter dem Gipfel ist die Hütte zu erkennen, die wir kurz nach 12 Uhr erreichen.
Die Margherita-Hütte ist gemütlich, nicht überfüllt, gut organisiert und das Sechserzimmer angenehm. Abgesehen von einem „Druck“ im Kopf habe ich hier glücklicherweise - im Gegensatz zu anderen Alpinisten - keine Probleme mit der Höhe und der Appetit ist sogar ausgesprochen gross. Der geringere Sauerstoffanteil in der Luft und die erhöhte Herzfrequenz sind natürlich insbesondere beim Liegen in der Nacht deutlich spürbar, aber viel schlechter als die beiden Nächte davor habe ich nicht geschlafen.
 
Tag 4: Zumsteinspitze – Parrotspitze – Corno Nero
Nach 6 Uhr stehen wir auf, knabbern an Zwieback und verlassen gegen 6.45 Uhr die Hütte. Der Wind pfeift uns um die Ohren, doch immerhin sehen wir nun endlich wie phantastisch die Aussicht von der Hütte ist: Sonnenstrahlen rücken Dufourspitze und Nordend bereits ins beste Licht, während der Liskamm noch fast vollständig in deren Schatten steht. Gegen Süden blicken wir auf eine Wolkendecke hinunter… Es hat sich gelohnt, eine Nacht auf dieser einzigartig gelegenen Hütte zu verbringen!
Wir steigen etwa 100 Höhenmeter hinunter und gleich wieder hinauf Richtung Zumsteinspitze. Der Wind bläst stark, bläst mich zwischendurch fast um. Wir erreichen den Schneegrat und kurz darauf überwinden wir die letzten paar Höhenmeter im Fels. Die Aussicht ist wunderbar vor allem in Richtung Dufourspitze (fast auf Augenhöhe), Nordend, Mischabelgruppe mit dem Dom, Lagginhorn und Weissmies. Auch am Liskamm kann ich mich am vierten Tag unserer Tour kaum satt sehen, und schön ist es nun die Signalkuppe mit der Margherita-Hütte endlich bei guter Sicht zu sehen, nicht nur zu erahnen wie am Tag davor!
Ursprünglich wären wir gerne nach der Zumsteinspitze (als Höhepunkt unserer Tour) auf die Dufourspitze geklettert, doch der starke Wind und der viele Schnee machen uns einen Strich durch die Rechnung. Hinzu kommt, dass ich wahrscheinlich selbst bei guten Verhältnissen nach drei Nächten mit sehr wenig Schlaf wahrscheinlich an die Grenze meiner Kräfte gekommen wäre.
So wollen wir „wenigstens“ noch die verbleibenden Gipfel in der Nähe erreichen, bevor wir uns an den Abstieg zur neuen Monte-Rosa-Hütte machen. Wir steigen von der Zumsteinspitze hinunter, folgen der Auf-/Abstiegsspur der Signalkuppe, unter einem gigantischen Eisabbruch durch, bevor wir den Anstieg zum Seserjoch erreichen. Bei wiederum böigem Wind steigen wir auf hartem Schnee stetig hoch, erreichen den Grat der Parrotspitze, folgen ihm weiter bis zum Gipfel. Der Wind ist zu stark um länger zu verweilen, so steigen wir weiter ab und gleich wieder hoch zum Grat der Ludwigshöhe, um auf möglichst direktem Weg zum Corno Nero zu gelangen. Zwar ist es bis auf die letzten Meter des Gipfels wiederum ein Aufstieg im Schnee, diesmal aber immerhin deutlich steiler, sodass es eine willkommene Abwechslung zum bisherigen „Schneewaggel“ ist. Oben, gleich neben der Madonna geniessen wir ein letztes Mal den Blick hinüber zum Liskamm, zur Signalkuppe, Zumsteinspitze und Co, bevor wir definitiv absteigen.
Der Corno Nero hat mir zusammen mit der Überschreitung der Parrotspitze in diesen Tagen (neben dem wunderbaren – wenn überhaupt sichtbaren – Panorama) am besten überhaupt gefallen.
Wir steigen die steile Schneeflanke vom Corno Nero hinunter und erreichen wiederum über den Grat der Ludwigshöhe die Abstiegsspur zur Monte-Rosa-Hütte. Nun wird es ENDLICH windstill und vor allem auch wärmer. Bei phantastischem Wetter und Panorama geniessen wir den Abstieg durch das Spaltenlabyrinth bis zur neuen Monte-Rosa-Hütte.
Dort verbringen wir den Nachmittag auf der Sonnenterrasse, bei Baulärm (an einer Fassade wird nach dem Helikopterunfall gearbeitet), was aber unsere Freude hier zu sein nicht beeinträchtigt. Am späteren Nachmittag erfahren wir von den mit Feldstechern bewaffneten Beobachtern, dass vier Personen (anscheinend ohne Seil?!!) einen Weg durch die Spalten des Zwillingsgletschers suchen. Ein eher makaberes Schauspiel, das sich uns nun auf der Terrasse bietet. Am nächsten Tag erfahren wir, dass es die vier Berggänger tatsächlich unversehrt nach Zermatt geschafft haben.
Die neue Monte-Rosa-Hütte ist enorm grosszügig gebaut, die Räume, insbesondere der Speisesaal, sind lichtdurchflutet. Dennoch gleicht die Hütte (neben den Toiletten mit fliessendem Wasser hat es einen Waschsaal mit Duschen!) eher einem Hotel, als einer Berghütte.
 
Tag 5: Gletschertrekking nach Furi
Das Beste an der Monte-Rosa-Hütte war die Nacht! Obwohl ein Gast in unserem Zimmer schon ordentlich am Sägen war, schlief ich ein, bevor ich überhaupt meine Ohropax reinstöpseln konnte! Trotz Geschnarche schlief ich fast durch und erwachte 7 Stunden später fit wie ein Turnschuh ;-)
Das Frühstücksbuffet ist genial (halt wie in einem Hotel), insbesondere das Müesli und das Brot, sodass wir kurz nach halb acht gestärkt die Hütte verlassen und auf den Gornergletscher absteigen. Es folgt ein schönes (etwa dreistündiges) Gletschertrekking bis zum Riffelhorn, wo wir den Gletscher zuerst über Felsblöcke kraxelnd verlassen und später auf einem Wanderweg Furi erreichen.

Tourengänger: Sibille


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