Fleischbank Ostwand, ...auf Dülfers Spuren!


Publiziert von hgu , 6. Februar 2010 um 19:48.

Region: Welt » Österreich » Nördliche Ostalpen » Kaiser-Gebirge
Tour Datum: 7 Oktober 2009
Klettern Schwierigkeit: VI (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: A 
Zeitbedarf: 6:00
Unterkunftmöglichkeiten:Stripsenjochhaus auf der Nordseite oder Wochenbrunner Alm auf der Südseite.

Bildbericht derzeit unter:
http://picasaweb.google.com/ueberberg/KaisertourOkt2009

Fleischbank Ostwand, Dülferführe

Bei bestem Wetter quälen wir uns am 7. Oktober 2009 von der Südseite zum Ellmauer Tor hinauf. Die Steinerne Rinne steigen wir bis zur Notrufsäule nach Norden ab und gelangen so zum Wandfuß der Fleischbank-Ostwand. Wir legen unsere Klettergurte an, hängen das nötige Material an und suchen den Einstieg.
Die Spannung ist schon seit dem Abmarsch zu spüren. Mit Ehrfurcht stehen wir vor diesem steilen Gemäuer.

Es geht los!

Ich starte nervös und vorsichtig auf dem Balkon die erste Rechtsquerung in leichtem 3er- Gelände, finde einen alten Haken und 15 Meter weiter in einer tiefer liegenden Nische den ersten Standplatz. Ein blinkender Klebehaken sitzt hier neben einem älteren Ringhaken und bildet den soliden Standplatz.
Holger folgt und übernimmt die zweite, etwas schwerere ebenso querende Seillänge.
Im Nachstieg erreiche ich seinen Standplatz und befinde mich nun unter den s.g. Spiralrissen, die den Start in die eigentliche Route eröffnen.
Anfangs unklar, ob im markanten Riss oder rechts daneben anzusteigen ist, taxiere ich den Routenverlauf und muss dann doch nach rechts queren. Dies stellt wenige Meter über dem 2. Standplatz bereits die erste Crux dar. Ein alter Haken beruhigt meine Nerven und hilft mir bei der Querung zum blinkenden Klebehaken. Hier steht es sich trotz der Steilheit recht bequem und ich sondiere den weiteren Weg. Zügig, auch von ängstlicher Unruhe getrieben, klettere ich durch die Risse steil aufwärts. Bis zum nächsten Stand, der ca. 15 Meter höher liegt, sehe ich nur noch ein paar alte rostige Haken, die aus der Zeit der Erstbesteigung stammen können.

Hans Dülfer gelang bereits 1912 die Erstbesteigung dieser Route. Sie gilt heute als Klassiker und geniest einen legendären Ruf.

Schnaufend erreiche ich die kleine Höhle, in der sich der 3. Stand versteckt.
Holger folgt und wird mit dem ein oder anderen Foto in seinen Aktionen verewigt.
Mit Beginn der 4. Seillänge ist die erste 6er-Stelle zu überwinden. Ein kurzer aber abgespeckter Aufschwung wird schnell mit Hilfe des gut platzierten Bohrhakens überwunden. Diese 4. Seillänge verläuft anschließend im oberen 4. Grad gemäßigt aufwärts und wird von einer gleich schweren 5. Seillänge abgelöst, die ich wieder führe. Meine Nervosität ist weg, ich fühle mich gut und genieße die Kletterei.

Nun steht das erste Highlight an; der erste lange Quergang. Wir hatten in der Planung und Vorbereitung zur Tour meinen Start gewählt, um Holger hier im Vorstieg zu wissen.
Anfangs muss er den Rest der Spiralrisse 10 Meter steil und griffarm hinauf. Nach harter Kletterei erreicht er dort den Hauch eines Balkons. Eine kurze Verschnaufpause und er quert ausgesetzt 20 Meter über abweisende Platten nach links und erreicht an einer Kante den 6. Standplatz. Diesen schweren Quergang, im oberen 6. Grad notiert, hat Hans Dülfer seinerzeit als Seilquergang gemeistert, wobei ein Pendelseil auch heute seine Methode zulässt. Ich folge Holger und erlebe einen atemberaubenden Tiefblick bei der ausgesetzten Querung.

Bei Holger angekommen, übernehme ich wieder das Material und durchsteige die 7. Seillänge. Der obere 5. Grad ist gefordert und muss meist über längere Strecken hakenlos geklettert werden. Die „leichteren“ Seillängen (4. und 5. Grad) haben auf 30 bis 40 Meter keine Bohrhaken, sind aber mit wenigen alten Nägeln versehen, die den Nerven und der Orientierung dienlich sind. Wechselnd arbeiten wir uns in der Fleischbank-Ostwand höher. Die Kletterei ist genussvoll, griffige Wandstücke, steile Risse und kleine Dächer charakterisieren die Wand.

Wir wissen, dass die Crux am Ausstieg wartet. Die Ausstiegsrisse führen auf den Nordgrat und zählen die 13. und 14. Seillänge. Unsere Berechnung geht wieder auf und ich darf den ersten Riss, mit einer schwachen 6, vorsteigen. Kraft raubend und mühsam arbeite ich mich 30 Meter von Haken zu Haken durch den tiefen Riss, der mehr einen Kamin darstellt, höher.
Ich spreize und stemmte mich steil hinauf und finde Gefallen an der anstrengenden Kletterei. Viele alte geschlagenen Haken und der ein oder andere „gebohrte Silberling“ machen die Seillänge auch sicherungstechnisch wirklich akzeptabel.
Holger muss nun den Schlussakkord spielen; die 14. und letzte Seillänge mit dem Ausstieg auf den Nordgrad. Nochmals ein ca. 40 Meter steiler Risskamin, abdrängend und sich nach oben weitend, mit einem finalen Wechsel von der rechten auf die linke Kaminseite. Alte Mauerhaken und eine uralten Reepschnur, in eine hauchdünne Sanduhr gefädelt, müssen helfen, den Richtungswechsel aus dem abdrängenden Kamin zu schaffen.
Mit Gottvertrauen und beherztem Zufassen schwingt sich Holger auf die linke Seite aus dem Ausstiegsriss heraus und landet unter einem überhängenden Felssporn. Hier leiten die alten Rostgurken geradewegs hinauf und erfordern nochmals maximalen Krafteinsatz.. Holger wühlt sich durch und erreicht kurz vor 17:00 Uhr den Nordgrad der Fleischbank. Ich kann Holger folgen und habe es im Nachtsieg natürlich leichter. Durch die Beobachtung seiner Bemühungen kann ich einen weiteren Vorteil verzeichnen und so stehe ich gegen 17:15 Uhr neben ihm auf dem Nordgrad. Diese letzten 40 Meter sind im Topo mit 6 oder 5/A0 angegeben. Angefühlt hat sich diese letzte Tortour wie eine schwache Sieben!

Noch knapp drei leichte Seillängen über den Nordgrad und wir stehen auf dem Gipfel der Fleischbank. Ein tolles Gefühl, als wir uns im Gipfelbuch eintragen und unsere Hochachtung vor Hans Dülfer zum Ausdruck bringen können.

Die Zeit ist uns davon gelaufen und wir müssen uns sputen! Schnell ist der Abstieg vorbereitet und wir seilen durch die Schöllhornrinne ab. Wir queren zur Karlspitze, verirren uns kurz in eine Steilrinne und finden auf den richtigen Weg zurück. Am Fuße vom Gipfelaufbau der Karlspitze seilen wir erneut ab und gelangen durch den Herrweg zurück zum Ellmauer Tor. Von hier zieht sich ein gewaltiges Geröllfeld hinab, fast bis zur Gruttenhütte. Wir testen vorsichtig an und dann geht es in Windeseile hinab. In kürzester Zeit fahren wir das gesamte Geröllfeld ab und joggen mit dem letzten Licht des Tages ins Tal. Wir erreichen mit Einbruch der Dunkelheit das Auto. Erschöpft und gezeichnet halten wir unseren eigenen Anblick per Selbstauslöser im Bild fest.
Beim Betrachten dieses Bildes können wir uns später davon überzeugen, dass wir fertig aber restlos zufrieden waren!

 

hgu im Oktober 2009

 

 


Tourengänger: hgu


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