Talleitspitze (3408 m) via NO-Grat / Normalweg


Publiziert von Sarmiento , 28. Juli 2023 um 15:02.

Region: Welt » Österreich » Zentrale Ostalpen » Ötztaler Alpen
Tour Datum:27 Juni 2023
Wandern Schwierigkeit: T5+ - anspruchsvolles Alpinwandern
Hochtouren Schwierigkeit: WS
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: A 

Die Talleitspitze ist quasi der Hausberg von Vent, und trotzdem führt sie eher ein Schattendasein. Einerseits sind auf dem NO-Grat 1500 HM ohne Hütte im Auf- und Abstieg schon ein Batzen, andererseits ist insbesondere der oberste Teil des Grates ziemlich brüchig - was auch erklärt, warum es auf einen solch durchaus prominenten Berg keinen markierten Weg gibt.
Und wenn es schon mit dem Weg nichts ist, dann müssen Besucher halt anders angelockt werden - beispielsweise mit der inflationären Anzahl von 3 Gipfelkreuzen auf verschiedenen Höhenlagen.


Talleitspitze NO-Grat / Normalweg

Zunächst ein paar Eckdaten:
 
Zeitbedarf: 7:30 h inkl. Pausen, ab Vent und bis dorthin zurück
- 1:15 h ab Vent bis zum Hörnle
- 1:00 h ab dem Hörnle bis zum Zahneter Kofel
- 1:45 h ab dem Zahneter Kofel bis zum Gipfel
- 0:45 h Gipfelpause
- 2:45 h Abstieg auf dem Aufstiegsweg
 
Schwierigkeiten: Max. II
 
- am Gipfelgrat zwischen namenlosen Vorgipfel im NO-Grat auf ca. 3100 m, und Hauptgipfel einige Stellen I, kurz vorm Gipfel auch mal eine Stelle II

Vent - Hörnle

Der Morgen in Vent ist ruhig, das Wetter so lala, und so machen wir uns um kurz vor 8 gemütlich von Vent aus auf.

Aus dem Dorf heraus folgen wir erstmal dem Weg zur Martin-Busch-Hütte, am Ochsenlegerlift entlang, bis der Weg etwas abflacht und ziemlich gerade dem Niedertal folgt. Kurz später auf ziemlich genau 2000 m Höhe zweigt rechts (mit Wegweisern markiert) der Weg zum Hörnle sowie zum Hohlen Stein ab - letzterem haben wir auf dem Abstieg noch einen kurzen Besuch abgestattet.

Für die nächsten gut 350 HM folgt dann ein schier endloser Zickzack durch die Latschen nach oben. Naja, zumindest ist es schön, und in seiner Eintönigkeit auch wiederum irgendwie abwechslungsreich... Als die Latschen immer weniger und kleiner werden, zieht der Weg vom hier kaum ausgeprägten Grat nach links weg, in die Flanke zum Niedertal. Dort gibt's dann nochmal 2, 3 Wendungen, dann geht's wieder zurück in Richtung "Grat" - und plötzlich taucht das Gipfelkreuz vom Hörnle auf.

Hörnle - Zahneter Kofel

Außer eines Beweisfotos (ja, wir waren wirklich hier!) gibt's hier nichts weiter zu bestaunen, und so ziehen wir schnell weiter. Der Weg ab hier ist schon merklich weniger begangen, aber immer noch gut erkennbar. Er meandriert hier, am wiederum etwas flacheren Grat, mit deutlich größeren Schleifen nach oben, und bietet auch mal mehrere Varianten an, die aber allesamt nach oben führen. Irgendwann wird der Grat auch wieder steiler, die ZickZacks wieder kleiner, und für kurz geht der Weg direkt auf der grasig schuttrigen Gratkante nach oben. Er verlässt die Kante nach links in eine kleine Mulde, während rechts über einem das nächste Kreuz auftaucht - das vom Zahneter Kofel. Ab der Mulde gibt es verschiedene, kaum sichtbare Varianten quer nach rechts oben zum Kreuz, die allesamt nicht allzu schwer sind.

Zahneter Kofel - Gipfel

Zu diesem zweiten Gipfelkreuz des Tages, das eigentlich nur aus 2 zusammengetackterten, krummen Holzstämmen besteht, habe ich insgesamt drei verschiedene Namen gelesen: Zahneter Kofel oder Ochsenkopf, wahlweise auch Obere Schale, was sich vermutlich auf die große Hochfläche direkt hinterm Kreuz bezieht. Welcher der Namen richtig ist, und ob es überhaupt DEN richtigen Namen gibt, kann ich leider nicht sagen.

Nach ausgiebiger Pause (wir haben Zeit, das Wetter hält, wenn auch auf verbesserungswürdigem Niveau) geht's also weiter. Direkt hinterm Kreuz öffnet sich die besagte karge Hochfläche aus kleinsten Felsstufen und viel grünem Gras dazwischen - von einem NO-Grat keine Spur mehr. Kein Wunder, dass wir hier ein paar verdutzte Schafe antreffen.

Die Hochfläche wird einmal weglos in NO-Richtung in ca. 20 Minuten gequert - immer das Geröll- bzw. Schneefeld links des steilen Vorgipfels anpeilend. Ab hier ist genau auf dem steilen Grat vor einem ein markanter Steinmann erkennbar - den sollte man tunlichst ignorieren und wie bereits gesagt das Blockgelände links davon anpeilen! Es gibt auch Spuren bzw. Begehungen über den Grat bzw, zackigen Vorgipfel, sogar auch in nordseitiger Umgehung scheint es Umgehungsspuren zu geben, aber beides ist wohl noch viel bröseliger und v.a. schwerer als das Blockgelände links (südseitig) des Grates.

Am Ende der Hochfläche wird diese von einer kurzen Felsstufe abgeschlossen, an der sich auch prompt wieder ein Weg mit ein paar Steinmännern wiederfindet. Von nun an heißt es Hände aus den Hosentaschen, da immer wieder kleine Wändchen oder Steilstufen im Geröll zwischen flachem Gelände und Schneefeldern auf uns warten. Die Steinmänner führen uns erst leicht links ansteigend, dann wieder - unter einer etwas auffälligeren Steilstufe - rechts heraus. Wir müssen kurz ein steiles Firnfeld auf einen größeren Schuttbuckel mit Steinmann hoch.

Hier steht man seitlich genau nebem dem steilen, felsigen Vorgipfel - und erkennt hier auch gut, warum man diesen umgeht: Drüber zu klettern wäre deutlich aufwändiger als im (zugegebenermaßen auch nicht schönen) Blockgelände einfach links daran vorbeizukraxeln.
Auch der Weiterweg ist gut erkennbar: Links zieht ein Art Moränengrat auf den nächsten Schuttbuckel hoch, dem wir bis an dessen "Gipfel" folgen. Dann geht's in großem Rechtsbogen um das Kar zwischen besagtem Schuttbuckel und dem eigentlichen Grat, der noch rechts von uns liegt. Gut daran: Wir verlieren keine Höhenmeter. Schlecht: Im Kar liegt noch viel Schnee, sodass wir teils mehr als hüfttief im Schnee versinken - beim Rückweg werden wir uns sicherlich einen anderen Weg hier durch suchen...

Am Ende des Schneefelds geht's noch kurz ein paar Blöcke hoch - und wir sind zurück am NO-Grat, der hier auch erstmals wirklich wie ein Grat aussieht. Der Blick nach oben lässt zweifeln: Alles sieht sehr sehr locker und rutschig aus. Wir gehen weiter und suchen uns entweder auf dem Grat oder links davon den einfachsten Weg nach oben. Mal ist es erstaunlich fest, mal rutscht einem alles unter den Füßen weg. Konstant ist nur, dass hier nichts konstant ist, und der Untergrund permanent wechselt.

Immer wieder türmt der Grat für ein paar Meter steil und teils auch sehr ausgesetzt auf, sodass sich in der linken (SO-seitigen) Flanke alternative Wege finden müssen. Meist heißt das, ein paar Meter in die Flanke queren, und dann wieder eine Rinne oder einen einfachen Pfeiler zurück auf den Grat zu nehmen. Das gelingt uns offensichtlich ganz gut, da wir hier erstaunlich geräuschlos (im wahrsten Sinne des Wortes) und schnell vorwärts kommen.

Kurz vor dem Gipfel steilt der Grat nochmals sehr exponiert auf. Links würde eine sehr breite Verschneidung locken - um auf diese rüber zu kommen, müssten wir allerdings ein steiles Schneefeld queren. Nur mit Zustiegschuhen erschien uns das zu gefährlich, sodass wir hier ausnahmsweise direkt rechts des Schneefeldes blieben und dem Grat weiter folgten. Das erklärt dann auch die kurze II-er-Kletterstelle am Ende dieses Stücks, die man sich ohne Schneefeld vermutlich sparen kann. Die war unerwartet rutschig und sehr exponiert, sodass das dann auch die Schlüsselstelle des Aufstiegs bildete.

Dann folgten nochmals ein paar flachere Meter auf schmalem Grat, bevor dann der Schlussanstieg folgte: In interessant geschichtetem Fels wechselt man nun für die letzten HM auf die rechte Gratseite, da es links von einem senkrecht für etliche Meter nach unten geht. Nach ein paar Gratmetern kann man auch in die rechte Flanke wechseln, in der sogar sowas wie ein Pfad durch den Felsschutt erkennbar ist. Ganz oben, am Ende der Flanke, wartet ein kurzes 3-m-Verschneidungskaminchen, dass einen dann direkt auf den Vorgipfel bringt. Jetzt nur noch über ein paar Felsen turnen, eine kurze Scharte queren, wieder ein paar Meter hoch - und wir stehen am Gipfelkreuz.

Da das Wetter immerhin zu halten scheint (Gewitter wären möglich, sind aber weit und breit keine zu sehen), machen wir eine ausführliche Pause. Der erhoffte Rundumblick ist von hier aus definitiv gegeben, und eindrucksvoll ist auch der Blick das gesamte Venter Tal entlang bis nach Zwieselstein. Genau gegenüber erhebt sich die Wildspitze, die von hier aus zum Greifen nah aussieht.
Erwähnenswert ist auch noch, dass wir laut Gipfelbucheintrag erst die zweite Seilschaft in diesem Jahr am Gipfel sind. Dass er selten besucht wird, wissen wir ja - aber so selten? Das glaube ich dann irgendwie doch nicht. Wir tragen uns also noch ein, und machen uns dann nach einer guten dreiviertel Stunde wieder auf den langen Abstieg

Abstieg

Der folgt fast immer dem Aufstiegsweg. Lediglich im Bereich des steilen Vorgipfels, der umgangen wird, wechseln wir nicht wieder über das tiefe Schneefeld auf den (nun von oben gesehen) rechten Moränengrat, sondern queren etwas tiefer über einen Schottergürtel auf ihn. Dadurch kommen zwar nochmals ein paar Meter Gegenanstieg dazu, aber insgesamt scheint dieser Weg der beste durch das große und etwas unübersichtliche Block- und Schotterfeld neben dem Vorgipfel zu sein.

Ganz unten, kurz vor Vent, statten wir dann noch dem Hohlen Stein einen Besuch ab. Dem Namen nach erwartet man hier doch etwas größeres, höhlenartiges. Unsere Enttäuschung hielt sich ob des kurzen Abstechers aber eher in Grenzen. Zudem amüsiert uns noch die Infotafel, die ja nicht gänzlich ausschließen will, dass unter diesem Brocken auch "der Ötzi möglicherweise und unter Umständen übernachtet haben könnte". Mehr Konjunktiv geht nicht.

In Vent angekommen, steuern wir das erstbeste Café an, verleiben uns noch einen herrlichen Palatschinken ein, bevor's zurück in die Pension geht.

Fazit

Ein absolut empfehlenswerter Berg, wer a) lange An- und Abstiege nicht scheut und b) Geröll, Schotter, Blockgelände und Schneefelder - kurz: Wildes, wegloses Gelände nicht scheut. Die Mühen werden mit grandioser Aussicht auf nahezu die gesamte Ötztaler Bergprominenz belohnt, und vom Gipfelkreuz auf seine Pension (und sein Auto) runter gucken zu können, geht auch nicht bei jedem Berg dieser Höhe.

Ich möchte dennoch davor warnen, gerade den Gipfelgratabschnitt zwischen ca. 3100 und 3400 m Höhe zu unterschätzen, da es hier sowohl einige sehr exponierte Stellen als auch eine ganze Menge großer und kleiner loser Felsen gibt. Wer "nur" mal weglos wandern will, für den ist dieser Berg definitiv nichts - dafür ist er zu anspruchsvoll.

Tourengänger: Sarmiento


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