Drei mal ex im Erzgebirge V


Publiziert von lainari , 6. Mai 2023 um 18:14.

Region: Welt » Tschechien » Krušné hory
Tour Datum: 1 Mai 2023
Wandern Schwierigkeit: T2 - Bergwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: D   CZ 
Zeitbedarf: 5:45
Aufstieg: 280 m
Abstieg: 280 m
Strecke:18 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Auto oder Bus Linie 368 Glashütte-Kurort Altenberg bis Fürstenwalde (verkehrt nicht an Feiertagen/Wochenenden)
Kartennummer:1:33.000, SK Nr. 03 Osterzgebirge oder 1:50.000, KČT Nr. 6 Krušné hory - Teplicko

Verschwunden: Böhmisch Müglitz, Ebersdorf und Streckenwald
 
Ein schöner Frühlingstag war angekündigt. Der Tag startete mit einem frostigen Morgen. Ich fuhr zum oberen Ortsende von Fürstenwalde und parkte an einer Weggabelung. Von hier lief ich Richtung Ort und passierte das Gasthaus. Wenige Meter Richtung Müglitz weitergegangen, bog ich auf einen Flurweg ab. Auf dem Erzgebirgskamm war zwar kein Frost aber es pfiff ein unangenehm böiger Wind. Zwischen Wiesen und Feldern gewann ich etwas an Höhe bis es zum Schwarzbach hin wieder abfiel. Etwas entfernt kamen die Schwarzen Wiesen, auf tschechischer Seite Černá louka genannt, in den Blick. Dann erreichte ich das Schwarze Kreuz. An der tschechischen Grenze entlang, lief ich am Schwarzbach (früher auch Sernitzbach genannt) talwärts. Dort wo sich die Grenze nach links vom Bach trennt, gab es eine Querungsmöglichkeit durch einen Trittstein. Am anderen Ufer wandte ich mich zunächst aufwärts und nahm im angrenzenden Wald die Verfolgung eines alten Mühlgrabenlaufes auf, anfangs bergwärts Richtung Fassungspunkt. Dann schritt ich das etwa 1,6 km lange Gesamtbauwerk auf voller Länge ab. Der Mühlgraben hatte eine Besonderheit, auf 1,4 km Länge wurde Wasser des Sernitzbaches zugeführt, die letzten 200 m hatten gegenläufiges Gefälle und führten Wasser der Müglitz zu. Das Abschreiten des Grabens wurde teilweise durch Fallholz und Grabendurchstiche erschwert. Unterwegs nahm ich eine Bewegung wahr und hielt inne. Ein in einiger Entfernung stehendes hundeartiges Tier entpuppte sich bei näherer Betrachtung als ungewöhnlicher großer Rotfuchs mit schmutzig beigebraunem Winterfell. Ich hatte zunächst auf einen Wolf getippt. Wohlbehalten erreichte ich das einstige Siedlungsgebiet des Ortes Böhmisch Müglitz/Mohelnice. Dieses bildete ein schmales Band am Talboden des Bachtales der Weißen Müglitz/Mohelnice. Zur Namensherkunft gibt es u. a. folgende Erklärung:
In der gesamten Tallage südlich des Mückenberges siedelte einst der slawische Stamm der Mogelin dem Wortsinn nach zwischen den Hügeln/am Hügel. Ihr Anführer nannte sich Mike. Nach ihm soll der Berg später Mickenberg/Mykenberg und nach einer Fehldeutung schließlich Mückenberg benannt worden sein.
Der Ort Böhmisch Müglitz/Mohelnice bestand zumeist aus Pochwerken, Mühlen und Gasthäusern an einer vorbeiführenden Handelsroute. In den 1950er-Jahren wurde er mit der Errichtung der Tschechoslowakischen Grenzzone abgerissen. Dabei wurden die Häuser von Panzern überrollt und zum Einsturz gebracht.
 
Auf einer Fahrspur wanderte ich durch die Steinrückenlandschaft der flachen Talflanke bergwärts. Stückweise weglos hielt ich dann über die Wiesen auf den höchsten Punkt zu und kam zum Gipfel Mohelnice. Dieser hat offenbar keinen historischen deutschen Namen. Wegen des Windes zog ich mich zur Frühstückspause in einen von Büschen gesäumten Graben zurück. Anschließend überquerte ich die Hochfläche und kam in das einstige Siedlungsgebiet des Ortes Ebersdorf/Habartice. Der Ort wurde 1363 ersterwähnt. Der Name geht in beiden Sprachen auf den Lokator Eberhart zurück, die tschechische Version ist dabei eine Ableitung aus dem Lateinischen:
Eberhartsdorf > Ebrhardiville > Habartivilla > Habartice
└> Eberzdorff > Ebersdorf.
Der langgezogene Ort erstreckte sich von Böhmisch Müglitz über den Kamm bis zum Talanriss eines am südlichen Erzgebirgsabhang beginnenden Tales. 1843 gab es 203 Häuser/1226 Einwohner. In den 1950er-Jahren wurde der Ort mit der Errichtung der Tschechoslowakischen Grenzzone abgerissen. Auch hier kamen Panzer zum Einsatz. Die heutige Spurenlage ist entsprechend dürftig. Nach einem Abstecher zur Ruine der Kaserne der Grenztruppen folgte ich dem rot markierten Wanderweg. An einer höher gelegenen Waldkante hatte man einen weiten Ausblick. Später passierte ich die Kleinsiedlung Adolfov (Adolfsgrün), die früher zu Streckenwald gehörte. Nun ging ich an der Straße weiter. Auf einer angrenzenden Wiese hatte man im Herbst (vermutlich mit Fördergeldern zur Pflege der Erzgebirgswiesen) komplett kunststoffverpackte Heuballen abgelegt aber nicht eingesammelt/benötigt. Nun hatte der Wind den Winter über unzählige Kunststofffetzen in der Landschaft verteilt. Ich kenne einige Orte wo derartige Ballen inklusive Verpackung ohne jeglichen Sinn und Nutzen endgelagert werden. Vielleicht sollte sich dort mal jemand ankleben…
 
So gelangte ich zum einstigen Siedlungsgebiet des Ortes Streckenwald/Větrov. Dieser bestand Anfang des 20. Jh. aus 108 Häusern und hatte 508 Einwohner. Dabei gab es 5 Gasthäuser. In den 1950er-Jahren wurde auch dieser Ort mit der Errichtung der Tschechoslowakischen Grenzzone abgerissen. Ein recht radikales Vorgehen hat nur wenige Spuren überdauern lassen. Auf einem unmarkierten Flurweg hielt ich Richtung Grenze zu. Im lichten Wald an der Grenze zeterten Rabenvögel aufgeregt herum. Weglos unterwegs, entdeckte ich zunächst einen umherstreifenden Rotfuchs und später einen tarngefleckten Sondengeher. Auf einem besonnten Wall an der Grenze ließ ich mich zur Mittagsrast nieder. Gestärkt lief ich danach weiter vorbei am Forsthaus Haberfeld. Dahinter ging es hinaus auf die freie Fläche, zu den wenigen verbliebenen Häusern von Rudolphsdorf. Kurz danach kam das obere Ortsende von Fürstenwalde in den Blick, vor dem ich nach rechts zur Straße hin abbog.
 
Die pausenbereinigte Gehzeit betrug 5 h 45 min.
Die absolvierte Strecke ist auf den vorhandenen Wegen mit T1 zu bewerten.
Vom Schwarzen Kreuz bis Böhmisch Müglitz (Erkundung Mühlgraben) ist die Schwierigkeit T2.
Die Route ist teilweise als Wanderweg markiert.

Tourengänger: lainari


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Kommentare (2)


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zaufen hat gesagt: CSSR-Grenzzone
Gesendet am 7. Mai 2023 um 11:03
Interessanter Bericht über die Grenzzone der früheren CSSR. Es ist ziemlich unbekannt, dass die CSSR die Grenze auch zur SBZ/DDR derart sicherte - habe mich dazu gleich mal etwas belesen. Bisher dachte ich immer, die innerdeutsche Grenze sei am stärksten gesichert gewesen, weil die Flucht für Ostdeutsche wegen gleicher Sprache am attraktivsten gewesen wäre. Ein Segen, dass solche Zeiten im größten Teil Europas jetzt vorbei sind und die Grenzen kaum noch erkennbar sind.

lainari hat gesagt: RE:CSSR-Grenzzone
Gesendet am 7. Mai 2023 um 11:57
Die Tschechoslowakische Grenzzone mit ihren Sicherungsanlagen ging der Sicherung der innerdeutschen Grenze voraus, weil nach dem Krieg viele gut ausgebildete Tschechen und Slowaken über die SBZ/DDR nach Westberlin/Westdeutschland augereist sind. Nach dem Mauerbau wurde die Grenzsicherung der ČSSR zur DDR schrittweise zurückgefahren. In den 1970er-Jahren wurden dann viele Grenzübergänge ausgebaut und es war halbwegs normaler Reiseverkehr (auch Tagesausflüge) möglich.

In meinem vorletzten Bericht war das Thema auch schon vertreten, inkl. zweier historischer Aufnahmen.


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