Im Brennspiegel der Mehlinger Heide


Publiziert von Nik Brückner , 16. August 2022 um 10:37. Text und Fotos von den Tourengängern

Region: Welt » Deutschland » Westliche Mittelgebirge » Pfälzerwald
Tour Datum:14 August 2022
Wandern Schwierigkeit: T1 - Wandern
Wegpunkte:
Zeitbedarf: 1:30
Aufstieg: 37 m
Abstieg: 37 m
Strecke:6 Kilometer
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Auf der L401 zum Parkplatz Mehlinger Heide am südlichen Ortsausgang Mehlingens

Heiden gibt's nicht nur in Norddeutschland, Heiden gibt's überall! Nein nein, Heiden, nicht Heiden. Die gibt's zwar auch überall, aber Heiden eben auch. Und hier soll es schließlich um Heiden gehen, nicht um Heiden. Nur damit wir uns nicht missverstehen.

Heiden.

Die Mehlinger Heide zum Beispiel, bei Mehlingen (logisch). Das ist die größte Heide Süddeutschlands. Keine Ahnung, wer der größte Heide Süddeutschlands ist. Wäre aber interessant zu wissen. Vielleicht kennen sich die beiden ja.

Heiß! Die Heide. Finger hoch: Wer steht auf heiße Heiden? Denn die Mehlinger Heide bietet so gut wie keinen Schatten, und wirkt zudem wie ein Brennspiegel. 34, 38 Grad hammer jetzt regelmäßig hier in der Gegend. Aber hey, es wird schon nicht so schlimm werden.

Und: Wer braucht schon Schatten! So fuhren die Waldelfe und ich Mitte August in die Mehlinger Heide. Warum ausgerechnet dann, wenn's am heißesten ist? Weil dann die Heide blüht! "Ready to Fail" von Quandary im Player, weil's damit mehr Spaß macht.



Geparkt haben wir auf dem großen Parkplatz Mehlinger Heide (321 m) an der L401, am südlichen Orzausgang Mehlingens. Nordwärz geht's los. Zum Glück, Richtung Norden wird's ja meist kühler. Am Spielplatz vorbei durch einen schmalen Streifen Wald, dann am Waldrand entlang nach links. À propos Wald:

Noch 1912 war das Gebiet rund um Mehlingen vollständig mit Wald bedeckt. Buchen vornehmlich. Der Wald diente damals zur Holzgewinnung, als Weide und als Brennholzquelle. Allerdings wurde damals regelrechter Raubbau wurde in den hiesigen Wäldern betrieben, schon eine ganze Weile. Das ging irgendwann so weit, dass das Forstamt sogar in Sorge um den Waldbestand war.

Heute wird der Wald von der Heide ferngehalten. Würde man ihn nicht zurückhalten, wäre die Heide in 10, 15 Jahren verschwunden. Und das ist keine leichte Aufgabe. Will man verhindern, dass eine mit rund 150 Hektar riesige Fläche verbuscht und sich schließlich wieder in einen Wald zurückverwandelt, muss der Mensch eingreifen. Beziehungsweise das Schaf. Neben Mahd, Brandrodung, Plaggen und Choppern (nicht mich fragen) ist nämlich auch die Beweidung mit einer Heidschnuckenart eine Möglichkeit, die Heidelandschaft zu erhalten. Solche Maßnahmen sind allerdings in jedem Fall aufwändig, kostspielig und logistisch anspruchsvoll.


Wir wanderten erstmal Richtung Geräusch - und standen alsbald auf einer Fußgängerbrücke über einer Autobahn.

Tatsächlich - seit etwa zwanzig Jahren durchschneidet die A63 das Naturschutzgebiet. Entsprechend umstritten war der Bau der Autobahn in diesem Abschnitt. Nachdem der Bau der A63 in den 1970er Jahren begonnen worden war, dauerte es bis ins Jahr 2001, bis bei Mehlingen eine geeignete Trassenführung gefunden werden konnte. Durch die größte Heide Süddeutschlands. Wie das immer geht.

Drüben geht's wieder kurz durch ein Waldstück - erneut ein Rest des Mehlinger Waldes von 1912.

Warum 1912? Damals änderte sich die Landschaftsnutzung erheblich: Ein 92 Hektar großes Gelände musste an die Heeresstandortverwaltung in Kaiserslautern abgetreten werden, für die Nutzung als Exerzierplatz. Dafür gab es gutes Geld: Die Gemeinde erhielt im Tausch für Grund und Boden 74.000 Reichsmark.

Schon zur Zeit des Ersten Weltkriegs wurden also Teile des Gebiets als Truppenübungsplatz genutzt. 1937 kehrte das Militär dann zurück. Damals wurde mit weiteren Abholzungen begonnen, und schon 1938 fanden die nächsten Truppenübungen statt. Dies setzte sich nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs fort. Zunächst übernahmen die in Kaiserslautern stationierten französischen Besatzungsstreitkräfte den Platz. Später wurde ein Teilbereich von den US-Streitkräften als Raketenbasis sowie durch Fernmeldeeinheiten genutzt.


Das ist auch der Grund, warum wir hier auf den Wegen blieben. Natürlich hat man später aufgeräumt, aber Garantien kann niemand übernehmen, dass im Boden nicht noch das eine oder andere liegt, das explodieren kann.

Nach dem Ende des Kalten Krieges wurde der Übungsplatz an Deutschland zurückgegeben. Die französischen Flächen im Jahr 1992, die US-Flächen zwei Jahre später. Dennoch besteht auch nach all diesen Jahren noch Gefahr durch Munitionsreste im Boden. Deshalb ist das Betreten des Geländes nur auf zwei gekennzeichneten Hauptwegen erlaubt.

Nachdem man das Waldstück durchquert hat, geht's einen Hügel hinauf. Zugegeben, bei der Hitze nicht einfach, aber irgendwie müssen die 37 Höhenmeter dieser Tour ja zusammenkommen. Und plötzlich steht man vermeintlich mitten in der Wüste. Nur der Donnersberg am Horizont errinnert daran, dass man sich hier in der Pfalz befindet.

Im Laufe der Zeit hat der militärische Übungsbetrieb mit seinen ständigen Bodenverletzungen zur Entstehung einer Heidelandschaft geführt. Es bildete sich ein Muster aus Grasfluren, Sandflächen, Strauchheiden und Waldbeständen.

Links befindet sich der Aussichtspunkt "Höhe 325" (325 m), mit einem kleinen Hüttl, in dem Infotafeln über die Mehlinger Heide informieren.

Die Heide ist - trotz Autobahn - heute nämlich ein Naturschutzgebiet. Es umschließt eine Fläche von rund 410 Hektar, von denen die eigentliche Heidelandschaft die genannten rund 150 Hektar umfasst - das größte deutsche Heidegebiet außerhalb Norddeutschlands.

Wir wanderten vom Hüttl aus nach Westen, durchs Herz dieser wilden, trockenen Landschaft.

Bereits kurz nach der Rückgabe des französischen Gebiets 1992 leitete das rheinland-pfälzische Umweltministerium erste Maßnahmen ein, die zum Ziel hatten, die besondere Tier- und Pflanzenwelt, die sich hier entwickelt hatte, unter Schutz zu stellen. Wegen der langwierigen Suche nach einer Trassenführung  für die A63 dauerte es allerdings bis 2001, bis eine Rechtsverordnung zum Naturschutzgebiet Mehlinger Heide erlassen werden konnte. Ziel der Unterschutzstellung ist die Erhaltung von Zwergstrauchheiden und Borstgrasrasen mit offenen Sandflächen und Sandrasen sowie temporären Kleingewässern, von Magerrasen mit offenen Sandflächen und einem Teich.

Unterwegs Richtung Westen wandert man auf dem sandigen Weg durch vergraste Flächen, die mit üppig blühenden Zwergsträuchern wechseln, und nur von wenigen kleinen Baumgruppen durchsetzt sind.

Auffällig ist dabei natürlich vor allem die Besenheide selbst, die im August blüht, und dann ihre immense Farbwirkung entfaltet. Dazwischen wachsen Süßgräser wie etwa die Draht- oder Schlängel-Schmiele, die hier auch mal größere Flächen einnimmt. Daneben wachsen hier das Borstgras, das Hundsveilchen, der Dreizahn, das Tüpfel-Johanniskraut, das Kleine Filzkraut und der Haarschwingel. Allesamt reichlich in der Mehlinger Heide vertreten. Weitaus seltener sind zum Beispiel das in der Pfalz sonst als verschollen geltende Wiesen-Leinblatt sowie das überaus seltene Alpen-Leinblatt.

Unterwegs passiert man einen alten Unterstand, an dem sogar noch einige Schienenmeter zu sehen sind. Sie erinnern an die frühere Nutzung des Gebiets. Einige "Felsen" ein Stück weiter entpuppen sich ebenfalls als Betontrümmer.

Am westlichen Ende der Heidefläche angekommen, wandten wir uns nach rechts, um am nördlichen Rand der Heide wieder zurück nach Osten zu wandern.

Überall zu unseren Füßen hopst und wuselt es! Die Heide gehört vor allem mehreren verschiedenen Hüpfern, allen voran natürlich der Heidegrashüpfer. Darunter sind aber auch die allgegenwärtige Blauflügelige Ödlandschrecke und die Blauflügelige Sandschrecke. Gottesanbeterinnen fühlen sich in der Heide ebenfalls wohl. Der schwarz glänzende Kahnkäfer krabbelt unter Hölzern herum, unter Steinen dagegen häufiger Zauneidechsen. Und weil es in der Mehlinger Heide auch einige kleine Tümpel gibt (vielleicht nicht unbedingt im August), soll es hier auch Kreuzkröten geben, und gar nicht wenige.

Beim Wandern am Waldrand sollte man aber nicht nur auf den Boden schauen - auch in der Luft gibt es interessante Heidebewohner zu entdecken.

Die nur etwa 15 cm lange Heidelerche etwa, die als einzige Lerche auch gern mal auf Bäumen sitzt, am Liebsten auf Kiefern. Der Gesang des Vogels ist mit bis zu 100 unterschiedlichen Strophen, die in einer festgelegten Reihenfolge aneinandergereiht werden, besonders abwechslungsreich. Besonders selten ist der Ziegenmelker, die einzige Nachtschwalbenart, die in Europa vorkommt.

Wir wanderten bis kurz vor den Jüdischen Friedhof Mehlingens (322 m), und wandten uns hier wieder nach rechts (Süden), noch einmal hinauf zum Aussichtspunkt "Höhe 325" (325 m). Drüben liefen wir den Hügel wieder hinunter, überquerten noch einmal die Autobahn, und nahmen gleich danach den Weg, der parallel zu ihr hinüber zum Heideerlebnispfad führt.

Dieser Heideerlebnispfad wurde 2007 eingeweiht. Er führt durch den kleineren, durch die A63 abgeschnittenen Teil der Mehlinger Heide. Auf dieser nochmal ca. 1,5 Kilometer langen Runde kommt man an zwölf Stationen und mehreren Infotafeln vorbei, die über die Tier- und Pflanzenwelt der Heide informieren. Auch der schon erwähnte Spielplatz, ein Insektenhotel und ein Grünes Klassenzimmer gehören dazu.

Trotz der Bullenhitze wanderten wir also noch auf dem Heideerlebnispfad nach Norden hinunter, drehten dort nach rechts und folgten dem Pfad vorbei an Insektenhotel und Klassenzimmer bis zurück zu unserem Ausgangspunkt, dem Parkplatz Mehlinger Heide (321 m).


Und da hatte die Vorsehung ein Nachsehen mit uns, und zwar in Form eines Eiswagens! Ohnehin eine der großen unbesungenen Erfindungen der Menschheit, ist so ein Wagen umso willkommener, wenn er am Hitzepol der Pfalz steht. Aus seiner rollenden Eisdiele heraus dielte uns der Eisdieler all sein Zitroneneis. Restlos.


Fazit

Herrliche Runde. Wer zur Blüte im August kommen mag, macht das am Besten recht früh, so wie wir, oder richtig früh, so wie die ganzen Fotografen. Schaut mal hier.

Tourengänger: Nik Brückner, Waldelfe


Minimap
0Km
Klicke um zu zeichnen. Klicke auf den letzten Punkt um das Zeichnen zu beenden

Galerie


In einem neuen Fenster öffnen · Im gleichen Fenster öffnen


Kommentar hinzufügen»