Dos di Dalun, Cima Ceda Orientale & Occidentale: Drei Brenta-Gipfel über der Forcolotta di Noghera


Publiziert von rele , 16. August 2022 um 11:49.

Region: Welt » Italien » Trentino-Südtirol
Tour Datum:13 Juli 2022
Wandern Schwierigkeit: T5 - anspruchsvolles Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: I 

Wer über den Sentiero Palmieri zwischen der Agostini- und Pedrotti-Hütte in der Brenta unterwegs ist, wandert über die Forcolotta di Noghera, einen kleinen Pass, umgeben von drei (mit ein wenig Kraxelei) noch "erwanderbaren" Gipfeln. Auch als Tagestouren von der Pedrotti- oder Agostini-Hütte sind sie gut erreichbar: Allesamt äußerst selten besucht, und daher besonders im Hochsommer eine schöne Abwechslung zu den wuseligen Brenta-Steigen.

Dos di Dalun (wahlweise auch Doss di Dalum), T4, I+:
Wir starten von der Agostini-Hütte mit einer Idee aus dem Uralt-AV-Führer Brenta aus dem Jahre 1988: Der Doss di Dalum soll eine recht gute Überschreitungsrunde im I. Schwierigkeitsgrad abgeben, mit einem Abstieg über den Verbindungsgrad zur Cima di Ghez, die man bei der Gelegenheit auch gleich noch mitnehmen könnte... ob das auch im Jahre 2022 noch stimmt? Zumindest aus der Ferne sieht es möglich aus! Auch Gero hat sich schon mal an dem Aufstieg versucht, hatte alleine allerdings abgebrochen... Na, wir sind ja zu zweit :)
Also los, zur Forcolotta und ab nach Süden: "Zunächst auf den begrasten Grat Richtung SSO, indem man sich unterhalb der Felsen zum Val Noghera hält (östl. des Grates). Wo es am besten geht, wieder auf den Grat..." Das kommt schon noch ungefähr so hin! Nur ist die Querung etwas unangenehm, am einfachsten bleibt man vorerst ganz unten und folgt dann Trittspuren, teils etwas mühsam in Geröll (T4+), zum Grat zurück, kurz bevor er aufsteilt. Ein alternative, kaum sichtbare Trittspur trifft etwas früher auf den Grat. Recht abrupt geht es nun in grasiges und breites, doch steileres Schrofengelände. Das erste Steilstück ist bereits die technische Schlüsselstelle des gesamten Aufstiegs: Etwa 15m sind im oberen 1. Schwierigkeitsgrad auf relativ schmalem, doch allerbestem Schrofenfels zu bewältigen (I+, oben Abseilstelle). Im Anschluss bleibt es zunächst noch eine Weile steiler (T4) mit einigen Kletterstellen in weiterhin gutem Fels (I), bis wir eine breite Schulter mit wunderschöner, einsamer Liegewiese erreichen. Ab hier sind wir bis zum Gipfel fast nur noch in Gehgelände unterwegs, was zum Ende hin noch einmal etwas aufsteilt (T3). Dort oben angekommen, genießen wir die Blicke zur Cima di Ghez, der Pedrotti- und Agostini-Hütte mit ihren wilden, heute oft umwölkten Gipfeln.
Schließlich machen wir uns auf den Weg entlang des Grates zur Cima di Ghez: "Man folgt mehr oder weniger dem Grat, der teilweise sehr ausgesetzt ist, hält sich an die deutlichen Trittspuren und gelangt nach 3/4 Std. in die Forcella di Dalun. Von hier ohne Schwierigkeiten in den Kessel, Val di Dalun, zwischen Dos di Dalun und Cima di Ghez hinab ins Val d'Ambiez..." Ausgesetzt wird es tatsächlich recht bald (T5), Gehspuren sind freilich Mangelware. Direkt vor dem Einschnitt, den wir für die Forcella di Dalun halten, wird das Begehen des Grates deutlich unangenehmer (T6-), dann bricht er plötzlich senkrecht ab (geschätzte 20m, keine offensichtliche Abseilstelle). Na, ein Seil haben wir sowieso nicht! 
Hätten wir Geros Bericht etwas genauer studiert, wäre uns beim Studium dieses Fotos aus dem Val di Dalun schon aufgefallen, dass es hier direkt auf dem Grat nicht weitergehen kann (s. den senkrechten Abbruch in Bildmitte). Und vielleicht hätten wir auch noch ein bisschen energischer geforscht, um den auf dem Bild durchaus möglich scheinenden Abstieg im Steilgras westlich des Abbruchs zu finden! Von oben ist er so klar jedenfalls nicht einsehbar, und das Steilgras zum Abstieg ohne Pickel keinesfalls einladend... Nachdem wir eine Weile vergeblich nach Umgehungsvarianten geforscht haben, machen wir uns an den Rückzug. So also geht es all die ausgesetzten Stellen wieder hinauf, zurück zum Gipfel. Wieder hinab auf der anderen Seite, unter den Verbindungsgrat zur Forcolotta und auf diese hinauf -- und da sich der Tag nach unseren diversen Versuchen und gemütlichen Pausen schon neigt, zurück zur Hütte.

Cima Ceda Orientale, T4, I:
Anderntags zieht es uns morgens wieder zur Forcolotta: Wir wollen auch den beiden Cime Ceda einen Besuch abzustatten. Zuerst machen wir uns an den Aufstieg zur Ceda Orientale, indem wir kurz hinter (nördlich) der Forcolotta
nach links (Westen) in blockiges Gelände abbiegen. Wir halten uns in Richtung auf einen Wiesenhang zu, den zwei markante Steinschurren durchziehen. Am Grunde der rechten Schurre befindet sich ein großer Steinmann. Nun in beliebiger Weise auf Gras/Schotter etwas mühsam (T4-) nach oben und hinüber auf die linke Seite hinter einen markanten Turm. Weiter über schotterübersähte Felsen etwas unangenehm (T4) nach oben ins steilere Felsengelände. Ab hier im passablen Fels Steinmandln folgend schräg nach rechts oben und schließlich wieder links haltend bis zum Gipfel (T4-, I). Hier wie auch schon im Anstieg eröffnen sich schöne Blicke nach Nordosten zur Pedrotti-Hütte mit Brenta Alta, auch der Süden gibt manchmal den Blick auf unsere gestrige Anstiegsroute frei. Nach gemütlicher Gipfelpause steigen wir ohne große Probleme auf dem Anstiegsweg wieder zurück zur Forcolotta.

Cima Ceda Occidentale, T5, II-:
Meine Begleitung zieht es schon zurück zur Hütte, doch würde ich nun gerne auch noch die westliche Ceda-Schwester kennenlernen: Der Anstieg von Westen ist im AV-Führer als "mühsam und unlohnend" beschrieben und mit dem 1. Kletterschwierigkeitsgrad versehen. Im Netz findet man bislang noch gar nichts dazu -- soll ich wirklich? Na, der Tag ist ja noch jung: Wenigstens mal anklettern, solange es Spaß macht! Auf dem Rückweg von der Forcolotta zur Agostini-Hütte führt der Wanderweg unter einer breiten Rinne vorbei, die zwischen den beiden Ceda-Gipfeln herunterzieht. Hier hinein biege ich nördlich vom Weg ab. Zunächst bewege ich mich in solidem Schrofengelände unter die rechte Rinnenwand, auf eine helle Schwachstelle in deren Mitte zu. Dort finde ich in ca. 10m Höhe den ersten Begehnungshinweis: einen hübsch und schlank aufgestapelten Steinmann, der über einem Riss in der Wand thront. Der Riss ist leider nass, bietet jedoch soliden Fels und kann, so man den alten AV-Führer nicht Lügen strafen will, wohl grade noch als UIAA I durchgehen (I+/II-). Oben tropft selbst in dieser Trockenperiode genug Wasser vom Felsen, dass man sich sein Fläschchen wieder füllen kann! Nun führen Steinmandln weiter auf einem breiten Band zu einer weiteren Stufe, und diese an der leichtesten Stelle unter einem markanten Felsklotz hinauf (I, Steinmann). Wenige Meter geht es nun mühsam in weichem Geröll nach oben (wohl der "mühsame und unlohnende" Teil), doch wird es nahe der Wand bald angenehmer. Dann folgt der Übergang auf das große, von der Scharte (dem Passo dei Cacciatori) herunterziehende Geröllfeld. Um etwas Höhe zu sparen, bleibt man am besten auf dem unteren von zwei Bändern und gelagt so erst später zurück auf das Geröllfeld (Steinmann im Ausstieg). Wer (wie ich) versehentlich das obere, deutlichere Band erwischt, muss am Ende zwei Meter abklettern (II). Im Geröll geht es nun, nicht allzu mühsam, bis in die Scharte: vielleicht die zweite Passage, die den abwertenden Führerkommentar annähernd rechtfertigen könnte... Doch ab dem Passo dei Cacciatori wird es sofort wieder kurzweilig!
Links geht es mit ein bisschen Kraxelei den Grat hinauf (I), bald darauf folgt wieder Gehgelände. Immer den Steinmandln nach geht es nun zunächst noch ein kurzes Stück hinauf, übergehend in eine Querung durch die gesamte Ostflanke (stellenweise etwas brüchig und schmal, 
T5), unter mehreren Grattürmen vorbei bis zum letzten Turm: eine spitze Pyramide, die den höchsten Punkt darstellt. Steinmandln leiten zunächst weiter querend bis hinter den Gipfel. Bei einer markant schluchtartigen, kleinen Einschartung dann am besten links schräg zu einem kleinen, überhängenden Dach (Foto). Auch diese Stelle kann evtl. grade noch als Einser durchgehen (I+/II-). Hier sind durchaus mehrere Varianten möglich -- evtl. habe ich die leichteste Variante einfach nicht gefunden. So gelange ich schließlich von Norden auf den Gipfel.
Dort genieße ich die schöne, ruhige Abendstimmung, blicke auf die fantastischen, sich immer wieder aus den Wolken schälenden Wände rundum, und hinunter auf die Agostinihütte. Was für ein großartiger Ort, und was für eine spannende Aufstiegsroute! Erfüllt und zufrieden begebe ich mich auf den Rückweg entlang der Aufstiegsroute (
deren weiche Geröllabschnitte im Abstieg noch deutlich angenehmer sind als im Aufstieg), um schließlich pünktlich zum Abendessen auf der Hütte einzutrudeln.

Fazit: Als Einzelgipfel (mit identischer Auf- und Abstiegsroute) sind alle drei Gipfel für Wanderer lohnend und vom Charakter sehr unterschiedlich. 
Müsste ich eine Empfehlung für einen der drei abgeben, würde ich mich wohl für den so positiv überraschenden Anstieg auf die Cima Ceda Occidentale entscheiden. Einsamkeitsgarantie gibt es wohl für alle drei!
Die angedachten Überschreitungen sind leider eher problematisch: Auch die Cima Ceda Orientale könnte man sich laut AV-Führer wohl als Überschreitung vornehmen, denn der Anstieg vom Passo dei Cacciatori aus wird dort noch mit UIAA II angegeben -- das scheint jedoch aus heutiger Sicht deutlich unterbewertet (s. Foto)! Laut AV-Führer könnte wohl auch der Passo dei Cacciatori überschritten und dabei die Cima Ceda Occidentale mitgenommen werden; über die Bedingungen des Zustiegs von der Ostseite kann ich leider (außer diesem kleinen Einblick von oben) nichts berichten.

Kommentar zur Landkarte: Dummerweise ist mir die Positionierung der Cima Ceda Occidentale bei der Erstellung des Wegpunkts etwas verrutscht: Sie gehört natürlich etwas nördlich auf die entsprechende Graterhöhung, nicht unterhalb in die Flanke! Falls jemand einen Tipp hat, wie ich das (selbst) wieder korrigieren kann, immer her damit :)

Tourengänger: rele


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Kommentare (3)


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Andy84 hat gesagt:
Gesendet am 16. August 2022 um 12:15
Klasse Touren, danke für die gute Bebilderung :-)

Nyn hat gesagt:
Gesendet am 17. August 2022 um 17:50
Tolle Eindrücke, sehr gut dokumentiert!
Macht echt Lust - wenns nu ned soweit dahin wäre
(Mit Hütten-Übernachtungen habe ich es auch nimmer so - zum Zelten/Biwakieren und alles dafür Mitschleppen bin ich aber nimmer fit genug :D)

rele hat gesagt: RE:
Gesendet am 17. August 2022 um 18:53
Danke sehr! Ja, tolle Gegend, aber weit ist es in der Tat... Ich hatte jetzt zwei Wochen Sommerferien dort verbracht, dann lohnt sich die lange Fahrt wieder. Bin halt auch irgendwo ein Hüttenfan -- insbesondere, wenn es gutes italienisches Essen gibt ;-D Wenn auch eher der früheren, rauhbeinigen Sorte ohne Dusche und Wifi...


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