abenteuerlich auf den unsichtbaren Olperer


Publiziert von revilo , 14. Juni 2022 um 20:47.

Region: Welt » Österreich » Zentrale Ostalpen » Zillertaler Alpen
Tour Datum: 2 Juli 2017
Wandern Schwierigkeit: T5 - anspruchsvolles Alpinwandern
Hochtouren Schwierigkeit: WS+
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: A 
Zeitbedarf: 2 Tage
Aufstieg: 1700 m
Abstieg: 1700 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Inntalautobahn A12 bis Abfahrt Zillertal, Richtung Mayrhofen, weiter bis zum Abzweig am Ortsausgang Mayrhofen, nach links ausgeschildert zum Schlegeis (Strasse zum Schlegeis ist mautpflichtig und hat Wintersperre). Parkplätze am Stausee
Unterkunftmöglichkeiten:Olpererhütte
Kartennummer:AV Karte 35/1, Zillertaler Alpen West

Als höchster Gipfel im Tuxer Kamm und als formschöner und fotogener Berg mit relativ später Erstbesteigung (Grohmann 1867) war der Olperer schon lange immer mal als mögliches Ziel im Gespräch. Man hatte dann immer diese formschöne Pyramide vor blauem Himmel vor Augen - so kannte man es zumindest von vielen Bildern - und wünschte sich in dieses Bild auf die Spitze dieses fast idealen Berges  -   es kam anders....
Lange habe ich unsere Tour auf diesen Berg Anfang Juli 2017 für ein Unterfangen gehalten, über das wir besser nicht allzu viele Worte verlieren sollten und das eher ungeeignet für einen Bildbericht auf hikr ist. Dafür gibts mehrere Gründe: unsere Risikoeinschätzung während des Aufstiegs ist gelinde gesagt inadäquat gewesen - heute würden wir bei identischen Bedingungen noch vor dem Schneegupf umkehren - und infolge der Bedingungen war die Sicht so bescheiden einerseits und das Stresslevel so hoch andererseits, dass so gut wie keine vorzeigbaren Fotos aufgenommen wurden. Andererseits will ich die Tour hier kurz darstellen und kurz auf die Widrigkeiten eingehen, die uns heute zum Abbruch bewegen würden.
Ein Kuriosum gleich vorweg: ich habe den Olperer bestiegen und ich habe an seinem Fuß insgesamt fünf Skitage verbracht -  dennoch kenne ich den Anblick des Berges nur von Bildern! Selbst habe ich den Olperer immer nur in Wolken, im Nebel und bei Schnee und Regen erlebt, den Berg als ganzes habe ich nie selbst gesehen....
Der Bericht in aller Kürze: in der Walpurgisnacht 2017 in Partystimmung wurde feierlich beschlossen: der Olperer muss es in diesem Sommer sein und so rauschten wir am Freitagnachmittag über die Autobahnen von der Mosel und aus Berlin kommend in Richtung Zillertal, Parkplatz Schlegeisspeicher. Die Wetterprognosen waren unentschlossen, stabiles Hochdruckwetter war nicht in Sicht, es blieb die Hoffnung, dass die Kaltfront schnell durchzieht und sich danach zumindest für einen Tag stabiles Wetter durchsetzt.
Das Auto wird am Stausee geparkt und dann geht es im Dauerregen zuletzt knapp unter der Schneefallgrenze in gut anderthalb Stunden zur Olpererhütte, eine der schöneren Hütten in meiner Erinnerung. Relativ spät abends treffen dann auch die beiden Mitstreiter ein, es gibt noch ein Bierchen und dann geht´s in die Koje in der Hoffnung, dass das vorhergesagte Schönwetterfenster am nächsten Tag für uns ausreicht.
Die Nacht ist einigermaßen erholsam, halbwegs ausgeschlafen gilt der erste Blick den Wetterverhältnissen, es sieht ganz ordentlich aus, wir starten zügig nach Frühstück und Rucksackvisite mit Aussondern des unnötigen Ballast.
Der Weg zum Einstieg in den Südostgrat - Normalweg - ist beschildert, der Weg über den Grat bei Sicht kein Problem, die Route läßt sich bis zum Olperergipfel überblicken. Der Neuschnee der Nacht ist nicht allzu tief, über Blockgelände geht es unschwierig bis zum Schneegupf. Unmittelbar bei Ankunft auf dem Schneegupf, dem großen Firnfeld im Südostgrat, schließt sich unser Schönwetterfenster unvermittelt, was wir zunächst noch nicht als durchgreifende Verschlechterung wahrnehmen. Es schneit leicht, die Sicht nimmt ab, als wir am Fuß des Felsriegels ankommen, der zum Gipfelgrat überleitet. Der Felsriegel ist mit Drahtseilen gesichert, hier reicht Selbstsicherung aus, weiter oben ist ausgesetzte Kletterei im zweiten Grad, hier gehen wir als Seilschaft, von eingebohrten Ständen aus sichernd. Inzwischen ist dichtes schneetreiben, die Sichtweite liegt bei vielleicht noch 30 Metern. Ich sichere von einem Standplatz aus nach, an dem eine Gedenkplakette installiert ist, die an ein Blitzschlagopfer erinnert, als just entfernt dann auch schon das Donnern des anrückenden Frontgewitters zu hören ist. Wir wähnen uns noch ungefähr eine Seillänge vom Gipfelkreuz entfernt, sodass wir uns nach kurzer Diskussion entschliessen, möglichst zügig die Meter zum Kreuz noch zu gehen, um dann ebenso zügig den Rückweg anzutreten. Es wurde noch eine lange Seillänge und einige sehr lange Minuten bis das Kreuz abgeklatscht war und wir zügigst im Gewitter auf dem Gipfelgrat in die "Suppe" abseilend uns in tiefere Gefilde beeilten. Niemals werde ich dabei das Brummen und Singen der eisernen Versicherungen in der aufgeladenen Luft am Gipfelgrat vergessen, wir krochen förmlich in die Felsrinne an dem markanten Gipfelgendarmen, um uns nicht zu exponieren.
Irgendwann waren wir dann unbeschadet wieder auf dem Schneegupf, in knietiefem Neuschnee und tasteten uns dann vorsichtig im white out zur Kante des Firnfelds und zum oberen Ende des Blockgrates vor. Die Zeit lief uns davon. Irgendwann hatten wir das Blockgelände um uns herum und fanden uns dann beim Zustiegspfad wieder. Im Regen und jetzt wieder besserer Sicht, inzwischen aber im letzten Tageslicht ging es dann zurück zur Hütte, wo man ein Einsehen hatte und uns noch um 22 Uhr ein Abendessen kredenzte.
Das Überleben wurde dann doch noch zünftig begossen, am nächsten Tag dann Abstieg zum Parkplatz und erstmal auf einen Kaffee nach Mayrhofen, beratschlagen. 
Es wurden noch zwei Tage Skifahren auf dem Tuxer Gletscher angehängt, leider ohne Wetteränderung, es blieb wolkenverhangen und verregnet, ereignislos. Im Skilift erzählten uns lediglich zwei Einheimische, dass vor zwei Tagen wohl drei Verrückte in Schneesturm und Gewitterfront oben auf dem Olperer rumgeturnt seien. Man sei sich zwar nicht sicher, aber die Verrückten seien wohl doch noch in der Nacht lebend auf der Olpererhütte gesehen worden; wir haben artig genickt und zugestimmt, wie verrückt und lebensmüde die zugreisten zum Teil sind...
So, nun versteht jeder, warum ich immer noch nicht sicher bin, ob ich über unsere Besteigung des Olperer nicht doch besser geschwiegen hätte. Eine Tour abzubrechen ist nicht leicht, wenn sie viele Monate im voraus geplant wird, man mitten im Berufsleben steht, sich seinen Urlaub einteilen muss, von weit her anreisen muss und schon für die Fahrt ins Zillertal je einen Tag für Anfahrt und Rückfahrt einplanen muss, ein echtes Dilemma.
Mein Recht, den Zeigefinger zu erheben, habe ich - das ist klar - hiermit ein für alle mal verwirkt, aber jeder Leser soll seine eignen Schlüsse draus ziehen

Tourengänger: revilo


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