Von Küste zu Küste durch Schottlands Süden


Publiziert von Günter Joos (gringo) , 26. April 2022 um 16:48.

Region: Welt » United Kindom » Schottland
Tour Datum:19 März 2022
Wandern Schwierigkeit: T3 - anspruchsvolles Bergwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: GB 
Zeitbedarf: 13 Tage
Strecke:341 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Von Glasgow mit dem Bus nach Portpatrick
Zufahrt zum Ankunftspunkt:Von Cockburnspath mit dem Bus via Edinburgh zurück nach Glasgow
Unterkunftmöglichkeiten:Bed & Breakfast, Hotels. Die Tagesetappen zwischen den Unterkünften können gelegentlich sehr lang sein und sind außerhalb der Saison nicht immer verfügbar..

 Der Southern Upland Way (SUW) ist der einzige offizielle Küste-zu-Küste-Wanderweg Schottlands und führt durch einsames und wenig bekanntes Bergland, wie die Galloway Hills, Lowter Hills, oder die Lammermuir Hills. 
 Die Route ist gut ausmarkiert, und als Weg dienen Pfade, befestigte Wege, Waldwege, und kaum befahrene Teersträßchen. Gelegentlich können Moordurchquerungen auch mal pfadlos sein.

Im Vergleich ist der SUW  anspruchsvoller, als der bekanntere West Highland Way, und weitaus weniger frequentiert. Die Gesamtlänge beträgt 212 Meilen, oder 341 km, und wenn beabsichtigt wird, den gesamten Weg mit festen Unterkünften zu gehen, werden ein paar recht happige Distanzen zu bewältigen sein. Dennoch handelt es sich beim Southern Upland Way nicht etwa um eine Route für Extremisten, auch wenn er, in seiner Gesamtlänge gegangen, eher ambitionierte Wanderer anspricht. Landschaftlich hat er einiges zu bieten: einsame Hochtäler, rauhe Moorlandschaften, liebliche Schafsweiden, verträumte Dörfchen, gluggernde Bachläufe, glänzende Seen, Flussläufe ... Ich möchte allerdings nicht verheimlichen, dass nicht immer alles schön ist, was am Weg liegt. Der Wanderer wird nicht umhin kommen, immer wieder auch Fluch und Segen von Forstpflanzungen, oder ausgedehnte Windparks zu erblicken. Doch sind dies Handicaps, denen inzwischen wohl kaum noch ein Fernwanderweg in Europa ausweichen kann, wenn er nicht gerade durch die menschenleeren Fjälllandschaften Nordskandinaviens führt. Im Resummee hat der Southern Upland Way einen sehr hohen Erlebniswert und kann dem Wanderer ein tiefes Gefühl von Zufriedenheit, innerer Einkehr, Einssein mit der Natur und nicht zuletzt auch erfreuliche Erlebnisse mit Einheimischen vermitteln.

Ich habe mich für eine autarke Tour mit Zelt, Kocher, Schlafsack usw. entschieden. Dies schafft Unabhängigkeit und Flexibilität. Dafür war ich mit dem schweren Trekkingrucksack und mit der Absicht, die gesamte Strecke in 13 Tagesetappen zu bewältigen, gehörig strapaziert. Neben Zeltübernachtungen nutzte ich 4 von 6 am Weg gelegene Bothy-Übernachtungen, sowie drei Übernachtungen in touristischen Unterkünften Es ist wichtig zu wissen, dass es außerhalb der Saison schwierig ist, in den ohnehin oft sehr kleinen Orten am oder in der Nähe des Weges Unterkünfte zu finden. Die meisten B&Bs bieten ihren Service erst nach Ostern an. Desweiteren ist zu bedenken, dass die Tage in den Wintermonaten kurz sind.

Bis dato ist noch kein deutschsprachiger Führer zum SUW erschienen Der englischsprachige Führer des Cicerone-Verlages von Alan Castle enthält neben exakten Wegbeschreibungen auch die jeweiligen Kartenausschnitte. Auch geht der Führer auf Kulturelles und Historisches am Weg ein. Auskünfte bezüglich Einkaufsmöglichkeiten und Unterkünften sind hingegen nur dürftig. Um den SUW komplett abzudecken, wären 6 OS-Karten nötig. Die Kartenausschnitte aus obengenanntem Büchlein waren für mich völlig ausreichend. Ich habe sie jediglich durch die OS-Roadmap "Southern Scotland" ergänzt, um einen Gesamtüberblick zu haben.

                                                                          *


19.03.2022
Als ich in Portpatrick ankomme, ist es bereits früher Nachmittag. In der "Crown", einem Pub direkt an der pittoresken Waterfront, treffe ich Beth, die nette Dame aus dem Heimwerkerladen in Stranraer. Ich bekomme von ihr die versprochene Gaskartusche ausgehändigt. Was wäre ein Wandersmann ohne hilfsbereite Menschen auf seinen Wegen!

Bald schon muss ich mich aber verabschieden, denn ich sollte heute noch ein paar Kilometer zurücklegen, um den Zeitrahmen für meine Unternehmung nicht gleich von Beginn an zu strapazieren. Der Auftakt ist spektakulär. Eine Treppenflucht am Ortsende führt auf die Klippen. Der Pfad verbleibt die ersten paar Kilometer am und über dem Atlantik, mit weiten Blicken über tiefes Blau mit schäumenden Krabbelwellen und zurück zum malerischen Küstenort Portpatrick. Auf der Landzunge des Black Head thront der Killantrigan Leuchtturm. Hier wendet sich der Weg landeinwärts, um die Halbinsel Rhin zu queren. Noch ist der Atlantik nicht ganz verloren, ich werde ihn von meinem heutigen Nächtigungsplatz oberhalb von Stranraer nochmal erblicken. Einen halbwegs geeigneten Zeltplatz finde ich erst kurz vor Sonnenuntergang. Die ersten rund 16 km bis hierher führten fast ausnahmslos durch liebliches Farmland mit grasenden Schafherden. Der sonst perfekte Sonnentag war von stürmischem Wind begleitet.
 
20.03.2022
6.30 h. Der aufgehenden Sonne gegenübergesetzt schimmert noch der Vollmond am Himmel, welcher die Nacht über meinen Zeltplatz wie eine Lampe erhellt hatte. Ein letzter Blick schweift über Stranraer hinweg zur Meerenge des Loch Ryan mit den beiden Fährhäfen für Belfast. Dann kehre ich dem Atlantik den Rücken zu, mein langer Marsch hinüber zur Nordsee beginnt. Zu einem strahlend blauen Himmel pfeift wiederum ein heftiger Wind.

 Castle Kennedy ist bekannt für seine im 18. Jahrhundert dort angelegten Gärten, doch können diese erst ab April besichtigt werden. Schön dennoch das Wandeln durch die parkähnliche Anlage mit dem Schloss und die beiden die Gärten umschließenden Seen. 

In der Folge wird ein ausgedehntes, hügeliges Moorland durchquert. Leider ist die einstige Wildheit dieser Gegend durch Windparks inzwischen arg beeinträchtigt. Das Beehive-Bothy, welches ich erst zu vorgerückter Stunde und zum Schluss hin mich durch ein Mikado von umgestürzten Bäumen durchkämpfend erreiche, steht dann inzwischen leider mitten in einem Windpark. Das Bothy ist mr aber, trotz der Schlichtheit seiner Ausstattung, ein willkommener Hort der Geborgenheit. Ich kann windgeschützt kochen, habe einen geschützten Schlafplatz, und das Wasser des nahen Baches ist auch unabgekocht trinkbar.Während vor dem Bothy noch das seltsame Klopfen der riesigen Windräder zu hören ist, vernehme ich drinnen, bereits in meinen Schlafsack gehüllt, nur noch den nahen Ruf eines Kauzes - Natur obsiegt Technik ;-).
 
21.03.2022
Nach sonnigem Tagesbegiinn installiert sich für die kommenden Stunden dichter Wolkenaufzug, welcher der gesamten Landschaft eine sentimentale Tristesse verleiht. Die Windparks ziehen sich noch eine gute Weile dahin. Mit dem Craig Airie Fell (320 m) ist der erste Gipfel erreicht, der trotz offensichtlich geringer Höhe eine eindrückliche Abgehobenheit vermittelt. Doch leider beeinträchtigen auch hier die Windparks die ansonsten umfassende Aussicht auf Bergzüge, Täler und die glänzenden Spiegel der Lochs (Loch: schott. See), verursacht von einzelnen, die Wolkendecke durchbrechenden Sonnenstrahlen. Matschige Moorpfade und entwurzelte Bäume erschweren gelegentlich das Vorankommen. Die Ortschaft Bargrennaen wird knapp traversiert. Dahinter trifft der SUW den River Creed. 

Kurz darauf tut sich was mit dem Weg, von dem ich mich seit Verlassen der Küste schon angefangen habe, zu fragen, ob man deswegen nun wirklich nach Schottland fliegen müsse. Auf einem Pfad wird weiterhin dem Flussufer gefolgt, welches jetzt botanisch üppiger und ansprechender wird, und auch der Creed schießt hier durch etliche Stromschnellen, umkurvt die Hindernisse riesiger Felsblöcke in seinem Flussbett, und windet sich in engen Mäandern durch die moorige Auenlandschaft. Kurzum, es ist jetzt richtig schön geworden! Bald schlängelt sich der Weg  hinab zum Loch Trool, welcher wie ein Fjord eingezwängt ist in den postglazialen Trog des Glen Trool (GLen: schott. Tal) Ich bin begeistert, diese Landschaft könnte den wildesten Ecken der westlichen Highlands entstammen. 

Eigentlich wollte ich heute noch das White Laggan Bothy erreichen, doch ein flaches Plätzlein mit Sitzbänkchen und weitem Blick über den Loch Trool hinweg überzeugt mich, hier und jetzt mein Nachtlager einzurichten. An einem kleinen Rinnsal in der Nähe finde ich Wasser. Ich bin von kahlen, mitunter sogar von Felsen durchsetzten Bergen umzingelt, am jenseitigen Ufer tost ein Bergbach über Kaskaden die steilen Hänge hinab. Was für ein wundervoller Ort – und ja, Schottland hat mich wieder :-).
 
22.03.2022
Leider merke ich jetzt erst, dass ich die Abzweigung zur neuen Variante des SUW offensichtlich bereits gestern, noch vor Erreichen meines Zeltplatzes verpasst haben muss. So gehe ich nun anstatt eines als spektakulär angekündigten Höhenweges den Forstweg durchs Glen. Doch auch der entzückt mit tollen Blicken über den mit kleinen Sandstränden gesäumten Loch Dee hinweg und hinauf zu den mich umgebenden Bergflanken der  Galloway Hills. Das White Laggan Bothy befindet sich übrigens gut 500 m abseits vom Weg.

Die folgende Forststraße lässt zwar weiterhin gute Blicke zu den Bergzügen der Galloway Hills zu, erscheint mir aber dennoch etwas eintönig. Die kurze Pause an den malerischen Gestaden des riesigen Clatteringshaws Loch erhellt wieder das Gemüt. Das Ufer wird sogleich wieder verlassen, und der SUW löst sich von der Forststraße, um sich jetzt nur noch als Pfadspur in eine sehr ursprüngliche Moor- und Wiesenlandschaft einzufädeln. Es geht bergan zu einem mit ausgebleichten Gräsern überwachsenen Bergkamm. Ein paar Granitblöcke verteilen sich auf der Kammhöhe. Da die Markierungspfähle hier nicht sonderlich üppig gesetzt sind, heißt es gut aufpassen. Auf der anderen Kammseite steige ich schließlich hinab zum solitär stehenden Gehöft von Clenry.

Das nächste nennenswerte Zwischenziel ist der Waterside Hill. Mit seinen 172 m gehört er wohl zu den niedrigsten von mir je erstiegenen Gipfeln. Um so überraschender ist der umfassende Blick hinab nach St. John´s Town of Dalry, wo ich meine heutige Etappe beenden möchte. Die Erwartungen bezüglich des Ortes ensprechen leider nicht ganz den Fakten, denn die einzige Gaststätte hat leider nur Mittwoch bis Sonntag geöffnet, und zu meinem Verdruß gibt es hier auch keinen Geldautomaten. Immerhin erhalte ich ein schönes Zimmer, eine heiße Dusche und ein kuscheliges Bett.
 
23.03.2022
Hinter der historisch behafteten Ardochfarm quere ich erneut grasiges Moorland, wobei auch hier die Orientierung aufgrund oft nicht auf Sicht gesetzter Markierungspfähle nicht ganz trivial ist. Neben der Orientierung verlangen derartige Moor- und Sumpfwiesenbegehungen auch  noch anderes von mir ab. Für das Vorwärtskommen, ohne zu sehr im Morast zu versinken,  bedarf es einer gewissen Konzentration darauf, wo man seine Füße am vorteilhaftesten hinsetzt. Insgesamt ist das alles deutlich zeitaufwändiger, als wenn man nur mal auf Forstwegen oder Sträßchen spaziert. 

Nach gemeisterter Moorquerung wieder zügiger auf einem Teersträßchen über die Butterhole-Bridge hinweg, bevor der SUW via Culmarkhill rüber zur Culmarkfarm abermals ungebändigtes Ödland traversiert. Auf dem Gipfel des Culmarkhill bietet sich mir ein fantastischer Blick hinab in eine weite und, abgesehen von zwei in der Ferne weiß leuchtenden Farmhäuschen, völlig verlassene Talschaft. Im Hintergrund erhebt sich die Cairnsmore-of-Carnsphairn- Kette.  

Diese Gegend ist die vielleicht abgeschiedenste des gesamten SUW. Der folgende Anstieg auf den Gipfel des Benbrack (580 m) scheint sich unendlich hinzuziehen, der schwere Trekkingrucksack fordert wieder einmal Tribut. Doch lohnt ´die Sicht vom sonnigen, aber windumtosten Gipfel: welliges Bergland, soweit das Auge reicht. Dominierend wiederum die kahlgeschorenen  Kuppen der Cainsmore Range. Allerdings recken sich in der Ferne auch die Spargelwälder mehrerer Windparks in die Höhe.

Der Pfad klettert zunächst weiterhin über offene Berghänge hinweg. Anschließend auf äußerst matschigen Pfaden durch den Wald. Allain´s Cairn, ein umzäunter historischer Gedenkstein, steht wie verloren mitten im Gehölz.  Das Erscheinungsbild der Fichtenplanagen ist übrigens stets identisch: großflächige Abholzungen, vermutlich aufgrund von Schädlingsbefall, wie mit dem Lineal gezogene Neupflanzungen und immer wieder immense Sturmschäden. Insbesonders in den Waldrandbereichen finden sich ganze Reihen von entwurzelten Fichten.

Auf einer kleinen Lichtung an einer Forststraße befindet sich das Polskeoch Bothy. Endlich! Da ich ohnehin den ganzen Tag über kaum eine Menschenseele getroffen hatte, wundere ich mich nicht, dass ich hier allein bin. Ein Bach mit trinkbarem Wasser gurgelt hinterm Bothy. Zur Innenausstattung gehören sogar Ledersessel. Und wie schon zuvor am Beehive - was für ein Gefühl von Heimeligkeit eine derart schlichte Unterkunft erwecken kann! Und dann die Freude an den elementaren Dingen, wie eine gekochte Mahlzeit, ein vor Wind und Wetter schützendes Dach übem Kopf, ein halbwegs kommoder Liegeplatz... Auch hier meldet sich der Kauz in der jetzt schon wieder fortgeschrittenen Dämmerung,
 
24.03.2022
Zwischen dem Bothy und der Ortschaft Sanqhuar sind die Markierungspfähle mit bunten Bildern bemalt. Bald nach der Polskeoch-Farm verlässt der Weg den Wald und ich durchwandere ein sehr anmutiges, baumloses Trogtal, das Glen Polmullach. Bei Polgown wird das Talsträßchen verlassen und der Pfad klettert, einem Höhenweg gleich, durch die linke Talflanke mit weiten Aussichten. Schließlich wird die Kammhöhe überquert. Nun abwärts, dem jetzt permanent im Fokus liegenden Städtchen Sanqhuar entgegen.Sanqhuar eignet sich gut, um sich neu zu verproviantieren, oder eine Einkehr zu halten, und es gibt hier, sehr zu meiner Erleichterung, einen Geldautomaten. Das älteste Postamt Großbritanniens klemmt sich in die lange Häuserzeile entlang der Hauptstraße.

Es folgt eine schöne Wegstrecke hinüber nach Wanlockhead, wobei abermals ein Bergkamm überstiegen werden muss. Wanlockhead liegt weit oben in einem sonst verlassen daliegenden Glen. Die mit 425 m höchstgelegene Ortschaft Großbritanniens bettet sich malerisch in einen Talabschluss inmitten der Lowther Hills und hat somit tatsächlich das Ambiente eines Bergdorfes. 

Für mich soll Wanlockhead die schönste und interessanteste Ortschaft am SUW bleiben, wobei das sicherlich Geschmacksache ist. Becky, eine Wanderin aus der Edinburgher Gegend, die ich später im Over Prawhope Bothy kennenlernen soll, ist da etwa anderer Meinung .

Dass Wanlockhead polarisiert, wundert mich nicht, denn es handelt sich um eine einstige Bergbausiedlung. Die Zeiten des Bleiabbaus sind zwar vorbei, doch die Spuren sind  sichtbar, ja sogar bewußt erhalten. Das Dorf und seine Umgebung fungieren diesbezüglich auch als instruierendes Freiluftmuseum. Wenn man durch den Ort spaziert so fällt das unmittelbare Nebeneinander von herausgeputzt und vernachlässigt auf. In makelloses Weiß getüncht sind oft die Häuschen, welche die in der Saison zahlreich erscheinenden Touristen beherbergen.  Sie stehen ohne erkennbare Abgrenzung in Nachbarschaft zu den vielen weniger und wenig gepflegten Wohnstätten, die eben den Hauch von dem versprühen, was Wanlockhead einst war: eine profane Minenarbeitersiedlung.

Die frugalen Tourihüttchen ums "Wanlockhead Inn" mit Dixietoilette im Hof sind sicher nicht die exklusivste Unterkunftswahl im Ort. Mir tut´s das, und ich freue mich über ein sättigendes Barmeal im höchstgelegenen Pub Schottlands. Für eine warme Dusche spaziere ich durch die rege von Einheimischen besuchten Bar.
 
25.03.2022
Der 725 m hohe Lowther Hill mit seiner aus der Ferne an einen Golfball erinnernden Radarsation ist der höchste Punkt des SUW und von der höchstgelegenen Ortschaft GBs aus mit moderatem Aufwand an Höhenmetern zu gewinnen. Dahinter folgen weitere Gipfel auf aussichtsreicher Kammwanderung, ehe der Pfad sich zur Overfinglandfarm und somit zur Landstraße absenkt. Die Straße wird recht bald wieder verlassen zugunsten eines morastigen Graspfades. Später kündigt ein Markierungspfosten, dass die Mitte des SUW erreicht ist. Ein prähistorischer und ein historischer Spot säumen für Interessierte den Weg, dann ist der riesige Daer-Stausee erreicht.

 Jenseits der Staumauer steigt der Weg abermals in die Höhe und streicht über wunderbar aussichtsreiche Höhenzüge hinweg. Ich erspähe den Rauch eines Brandes prompt in meiner Gehrichtung, der aber offensichtlich bald schon gelöscht scheint. Auch wenn die Böden hier äußerst morastig sind, das Gras ist zur Zeit furztrocken aufgrund dieser ungewöhnlich lang anhaltenden Trockenperiode.
Das Brattleburn Bothy befindet sich einmal mehr inmitten eines abgeholzten, umgepflügten und teils wieder aufgeforsteten Fichtenwaldes. Aber auch hier gilt, der Standort im Nahfokus ist idyllisch, das Bothy für mich ein willkommenes Refugium. Zu meiner Überraschung sind bereits 5 weitere Personen hier.
 
26.03.2022
Über einen Waldpfad hinauf zum Craig Hill (360 m). Weiterhin vorwiegend durch Wald bis Earshaigh, wo ich ein geteertes Sträßchen erreiche. Nach der Durchwanderung des Hochmoors von Beattock Hill (259 m) führt ein Abstieg ins Evan Valley, welches von einer Hauptverkehrsader durchzogen wird.  Autobahn und Eisenbahn werden unter- bzw. überquert, und es dauert glücklicherweise nicht lange, bis die Landidylle mit Schafweiden und weit auseinanderliegenden Behausungen wieder hergestellt ist. Ins Städtchen Moffat wär´s nicht weit. Moffat würde sich hervorragend als Aus- und Wiedereinstiegspunkt für Leute eignen, die den SUW in zwei Urlaubsblöcken begehen wollen. Für mich gibt es allerdings keinen dringenden Grund, den SUW zu verlassen. Bald nach Überquerung des Flusses Moffat Water kann ich zwischen einem neu angelegten Höhenpfad und dem trivialeren Forstweg durchs Tal wählen. Auch wenn der Rucksack schon wieder drückt, ich entscheide mich für die Höhenvariante,  welche sich zu Beginn wenig schön durch abgeholzte Forstplantagen emporschlängelt, mit allerdings weiter Rückschau gen Moffat und Umgebung. Auf dem Gipfel des Croft Head (637 m) bin ich bereits wieder inmitten wilder schottischer Gebirgsmoorlandschaft. Fichtenhaine lechzen wie grüne Zungen aus den Tälern heraus an in triste Brauntöne gefärbte  Hänge kahler Bergzüge empor. 

Hinab jetzt und gleich wieder aufwärts durch ein enges und einsames Glen, den sprudelnden Bach neben und die schroffen Bergflanken über mir. Kurz nach Verlassen des Glens kündigen zwei Holzschilder die Grenze zwischen Dumfries & Galloway und den Scotish Borders. Schließlich verschluckt mich der Wald. Zum Over Prawhope Bothy führt dann ein breiter Fahrweg. Die Umgebung hier ist komplett abgeholzt, lässt auf diese Weise allerdings Ausblicke zu den nahen Höhenzügen zu. Bei meiner Ankunft am Bothy ist dort zunächst niemand. Später kommen zuerst Becky und bald danach Chris dazu. Noch längere Zeit draußen vor der Hütte sitzend, genießen wir mit anregenden Gesprächen unseren gemeinsamen Bothyaufenthalt. Das Wasser aus dem gurgelnden Bach hinter dem Bothy ist gemäß eines weiteren "Selbstversuchs" trinkbar.
 
27.03.2022
Heute Nacht wurde die Zeitumstellung vollzogen. Der erste Teil des Tages führt mich, wenngleich  auf Fahrweg, durch das traumhaft schöne Trogtal des Ettrik Water.  Möwen segeln kreischend durchs Tal, obwohl das Meer doch noch recht fern ist. Nach etwa 9 km wird bei Scabcleuch das Tal mittels eines steil ansteigenden Pfades verlassen. Chris holt mich ein und wir rasten gemeinsam am Pikestone Rig (480 m). Chris bleibt zurück,um sein Zelt in der Mittagsonne zu trocknen.
 
Abstieg nun zum nächsten Höhepunkt, die beiden riesigen Seen Loch of the Lowes und St. Mary´s Loch. Sie sind durch einen natürlichen Damm voneinander abgetrennt, auf welchem der SUW eintrifft. Es ist Sonntag und Sonnenschein, und hier ist was los, denn die Seen sind bequem mit dem Auto zu erreichen. Viele Ausflügler haben sich auf der Picknickwiese am Ufer des Loch of the Lowers niedergelassen. Campingstühle, Grills und Wohnmobile,  Stehpaddler in Neoprenanzügen gleiten über den See. Sämtliche Fassilitäten haben allerdings noch geschlossen, so auch das traditionelle Gasthaus Tibbie Shiel`s.
Auf dem Uferpfad des St. Mary´s Loch wird es schon ruhiger, und mit dem Verlassen des Sees kehrt endgültig die gewohnte Einsamkeit des SUW zurück. Zwei mittelalterliche Türme, dazwischen wildes Terrain. Die Blackhouse Farm befindet sich beim zweiten Turm. Hier verrichtete einst der Heimatdichter James Hogg ("The Ettrick Shepherd") 10 Jahre lang seinen Dienst als Schäfer.

Ich beende die Etappe im letzten Tageslicht unterhalb des Gipfels Balke Muir (467 m) und stelle mein Zelt zwischen mich misstrauisch beäugenden Schafen auf. Ein langer, anstrengender,  erlebnisreicher Tag geht zu Ende.
 
28.03.2022
In Allerherrgottsfrühe hinab nach Traquair, auch in der Hoffnung, dort vielleicht eine Einkaufsmöglichkeit zu finden. Nichts dergleichen, doch den umständlichen Abstecher nach Innerleithen möchte ich mir ersparen. Also weiter, noch ohne Früstück steil bergan durchs Minch Moor. Pfad und Moorlandschaft erinnern mich ein wenig an den Grindenweg im Nordschwarzwald. Das Minch Moor Bothy verpasse ich, weil es möglicherweise am alten Strang des in diesem Bereich leicht geänderten Wegverlauf liegt. An der idyllischen Cheese-Well finde ich immerhin Wasser, welches mir ebenfalls zur Neige gegangen war. Unterm Gipfel des Minch Moore (567 m) mache ich dann endlich meine Frühstücksrast auf einem Bänkchen. Eine meiner Trekkingmahlzeiten eignet sich glücklicherweise geschmacklich auch für eine Frühmahlzeit.

Eine Moutainbikerin radelt zum Gipfel. Seit Eintritt in die Scottish Borders ist der Weg etwas lebhafter geworden, und nebenbei bemerkt auch etwas weniger matschig. Die Zahl der MTB-Sportler übertrifft interessanterweise die der Wanderer. Weitstreckenwanderer habe ich auf dem ganzen SUP kaum welche getroffen, und "Truhiker" wie mich, bislang nur Chris vom Over Prawhope-Bothy.

Bald schon wandere ich über offene Bergkämme, über den Brown Knowe (463 m) hinweg mit Blick zu den drei markanten Gipfeln der Eildon Hills, die sich über der Ortschaft Melrose erheben und sich nun über längere Zeit hinweg immer wieder präsentieren werden. 

Drei riesige Cairns auf der Gipfelkuppe sind Namensgeber des  "Three Brethren" (464 m). Hinab bis zum Sattel unter dem Peat Law (426 m), und aus diesem heraus  durch Wald weiter hinab zum River Tweed. Bevor ich endlich mein Tagesziel Galashiels erreiche, muss ich mit dem Hog Hill erneut eine Erhebung überwinden.

Selbst im größten auf dem gesamten Weg von mir betretenen Ort ist es um diese Zeit nicht einfach, eine Unterkunft zu finden. Nach längerem Suchen komme ich aber in einer angenehmen Pension direkt neben dem Bahnhof unter. Beim Abendessen im "Wetherspoon´s" treffe ich einen meiner Mitübernachter aus dem Brattleburn-Bothy wieder.
 
29.03.2022
Dass ich für die 6 km von Galashiels nach Melrose den ganzen Vormittag benötigen würde, hätte ich nicht gedacht. Nebel in der Früh, ein für Schottland ganz und gar nicht untypisches Phänomen, doch auf dieser Tour zum ersten Mal auftretend, führt gleich zu Beginn zu Orientierungsschwierigkeiten im nicht sonderlich gut markierten Wiesengelände. Und in der Folge, jetzt ohne Nebel, soll ich mich gleich drei weitere Male verzetteln.
 
Endlich bei inzwischen sonnigem Wetter im malerischen Städtchen Melrose angekommen, gönne ich mir am Hauptplatz einen Capucchino und einen der hier verbreitet scheinenden Ingwerkuchen. Ein Autofahrer steigt aus und begrüßt mich. Es ist ein einheimischer Tageswanderer, dem ich oberhalb des St.-Mary-Lochs begegnet war.

Leider ist die Besichtigung der Abteiruine wegen der Mittagspause nicht möglich. Der Blick durch den Zaun ermöglicht aber eine ausreichende Ansicht.

Der weitere Streckenverlauf bis Lauder ist wenig spektakulär. Eigentlich wollte ich mir hier eine Unterkunft und ein herzhaftes Dinner gönnen. Das einzige B&B ist aber belegt und ich bin nicht gewillt, im "Black Bull Hotel" 100 Pfund für eine Übernachtung ohne Frühstück zu bezahlen. So verlasse ich um 18.15 noch eilends das niedliche Dorf und hoffe, baldmöglichst einen geeigneten Biwakplatz für die Nacht zu finden. Um 19.40, nahezu in der Dunkelheit, steht mein Zelt endlich bezugsfertig in einem kleinen Buchennwäldchen oberhalb der Schafswiese einer Farm. 

Wie angekündigt, kommt heute Nacht der Wetterwechsel. Bereits während des Zeltaufbaus erging der erste Schneeschauer.
 
30.03.2022
"The beast from the east" - bereits mir vor einigen Tagen durch eine schottische Wanderin angekündigt - jetzt ist es hier. Und nach 11 Tagen ohne einen Regentropfen, mehrheitlich sonnig - es wäre nicht Schottland gewesen, wenn es weiterhin so geblieben wäre. 

Nun aber die Querung der letzten großen Moorwildnis vor Erreichen der Küste, im Gebläse eines saukalten NO-Windes, und dabei immer wieder mit teils kräftigen Graupelschauern beworfen. Die ohnehin schon karge Landschaft der Lammermuir Hills hat sich in ein Schwarz-Weiß-Gemälde verwandelt und vermittelt so eine faszinierende Strenge. Im Gipfelbuch des Twin Law finde ich den Eintrag von Chris vom Vortag. Ich hatte schon vermutet, dass er inzwischen wohl vor mir sein würde. Kurz danach treffe ich einen weiteren "Truhiker", einen Engländer aus Newcastle, der in Cockburnspath an der Ostküste aufgebrochen war. Vor ein paar Jahren war er den Weg schon mal, wie ich jetzt, von West nach Ost gegangen.
 
Am Stausee Watchwater ist es geschafft, ich habe die letzte und unter diesen Umständen auch härteste Hochmoorquerung des SUW mit heiler Haut absolviert, und das Wetter zeigt jetzt gar wieder etwas erfreulichere Tendenzen. Dass es in Longformacus nichts zu holen gibt, hatte mir der Engländer bereits gesagt. Immerhin, im Bushäuschen kann ich mir, einigermaßen geschützt vom "Biest aus dem Osten", einen wärmenden Kaffee kochen.

Hinter Longformacus wird die Landschaft wieder reizvoll. Gute Aussichten, ein Bach schlängelt sich wie ein gewundenes Silberband durch die Moorlandschaft unter mir. Nur wenige Kilometer vor der alten Abtei St. Bathan finde ich eine sehr schöne Zeltwiese am Ufer des Whiteadder Water. Seit dem Nachmittag geben sich Sonne und kurze, von heftigen Windböen begleitete Graupelschauer ein Stellldichein. Diese Wechselhaftigkeit soll sich auch über Nacht fortsetzen. Die Graupelschauer klatschen dabei wie hingeworfen auf die Zeltwand, fast schon etwas beängstigend. Auch ist es jetzt leicht gewittrig, und bei jedem Donnergrollen schrecken die sich auf der Wiese herumtreibenden Gänse, Enten, Moorhühner und Fasane in die Höhe. À propos Fasane: deren Vorkommen scheint auffallend zuzunehmen, je weiter ich in den Osten komme.
 
31.03.2022
Zu meiner letzten Etappe ist das Wetter wieder schön geworden, jedoch ist es deutlich kälter, als zuvor. 
Die Abbey St. Bathans in idyllischer Abgeschiedenheit am Ufer des Whiteadder Water offenbart bei einer Innenvisite eine seltsame Leere und, noch seltsamer, eine Kochnische. Die seit fast 200 Jahren von der Cockburn-Familie bewritschaftete Whiteburnfarm fungiert heutzutage als Trainingsstützpunkt für Quads und andere Allradfahrzeuge. Beim letzen Aufstieg vor Erreichen der Küste verpasse ich einen Aussichtspunkt, von dem aus angeblich sogar der riesige Fjord des Firth of Forth zu sehen sein soll. Das kleine, aber überaus hübsche Pease Dean Wildlife Ressort befindet sich bereits unmittelbar hinter der Küstenlinie, ich erhasche einen ersten Blick zum Meer. Schließlich geht es hinauf auf die Klippen. Die aufgewühlte Nordsee brandet unter mir,  und ein eisig kalter Sturmwind fegt über mich hinweg. Tiefe, graue Wolken des immer noch nicht ganz ausgestandenen Tiefs werden vom Meer her auf die Küste zugetrieben. 

Leider ist die Pease Bay durch ein Feriendorf entstellt. in der Ferne erspähe ich aber verlassene Buchten und Strände bis zum Horizont, und auch der SUW trippelt hoch über einer verlassenen Bucht hinweg. Dann eine weitere Bucht, in der sich malerisch nur mal eine Handvoll Häuschen drängen - Cove Harbour. Eigentlich verlässt der SUW ab dem oben auf der Klippe gelegenen Cove Village die Küste und geht zurück ins Landesinnere nach Cockburnspath. Doch ich lasse es mir nicht nehmen,  zum Tunnel hinabzusteigen, welcher den Zugang zur Bucht mit dem winzigen Hafen ermöglicht. Die Wellen der tobenden Nordsee krachen dort schauererregend an die den Hafen schützenden Betonmauern. Ja, ich bin hier und ich habe es geschafft. Ich bin vom Atlantik zur Nordsee quer durch die beiden wenig bekannten schottischen Provinzen Dumfries & Galloway und Scottish Borders gewandert. 211 Meilen, bzw. 341 km (und noch etwas mehr ...) werden es sein, wenn ich die verbleibenden 3 km bis Cockburnspath, dem offiziellen Ende des SUW zurückgelegt habe.

Tourengänger: Günter Joos (gringo)


Minimap
0Km
Klicke um zu zeichnen. Klicke auf den letzten Punkt um das Zeichnen zu beenden

Galerie


In einem neuen Fenster öffnen · Im gleichen Fenster öffnen


Kommentar hinzufügen»