Kaiserexpress


Publiziert von Hatscherer , 18. März 2022 um 17:17.

Region: Welt » Österreich » Nördliche Ostalpen » Kaiser-Gebirge
Tour Datum:27 Februar 2022
Ski Schwierigkeit: SS
Wegpunkte:
Geo-Tags: A 
Zeitbedarf: 8:00
Aufstieg: 2650 m
Abstieg: 2800 m
Strecke:17,5km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Auto zur Aschinger Alm. Dort ein Auto stehen lassen und dann mit einem zweiten Auto zur Wochenbrunner Alm. Leider braucht man zwei Fahrzeuge...

Mit zwei Autos zweimal um den Kaiser rumgurken, um sich dann vereiste steile Scharten hoch zu kämpfen und auf der anderen Seite die Ski im steinigen Gelände zu filetieren? 

Hm. 

Aber es ist auch irgendwie ein elend langer Hatscher. 

Ok, also her damit! 

Nach längerer Zeit mit kritischer Lawinensituation und vielen tragischen Unfällen geht die Lawinenwarnstufe im Kaiser pünktlich zum Wochenende auf eins zurück und damit ist es sicher genug um die Steilstellen vom Kaiserexpress angehen zu können. Wir erwarten schönsten Sonnenschein, gut gesetzten, harten Schnee und Harsch sowie teils eisige und abgeblasene Stellen, viel Arbeit für Pickel und Steigeisen. Eins vorweg: Bis auf den Sonnenschein werden wir in allen Punkten enttäuscht... 

Logistisch ist der Kaiserexpress ein ziemlicher Hub und mein Fair-means Herz blutet, als wir um 6:30h bei der Aschinger Alm auf der Nordseite meine Ski von meinem (Carsharing) Auto in das meiner Gefährten umladen, um zur Wochenbrunner Alm auf der Südseite zu fahren. Der Corsa kämpft sich wacker auf der schmierigen Straße bis zum Parkplatz und um 7:15h ca. folgen wir der Spur hinauf in den Wald. 

Ein kleines bisschen Zucker hatten wir erwartet, aber verdutzt spüren wir gut 10cm frischen Pulver unter den Stöcken, auf einer gut angelegten Spur geht es zügig bergan. Nach ein paar Minuten trägt niemand von uns dreien mehr eine Jacke. Nicht einmal anderthalb Stunden später machen wir eine kurze Pause oberhalb der Gruttenhütte. Dabei können wir beobachten, wie zwei Tourengeher vor uns hoch im Hochgrubachkar Spitzkehren in den frischen Schnee schneiden. Die beiden sind offensichtlich im Zeitraffermodus unterwegs, so schnell ziehen sie ihre Spur. Uns beschleicht die leise Vorahnung, dass der Schnee dort oben genauso premium ist wie hier unten und wir die Steigeisen vielleicht nur zur Deko im Rucksack tragen. 

Besser wäre es jetzt, sich links zu halten, wir folgen aber einer Spur bergauf und müssen für den Anstieg zur roten Rinnscharte nochmal gut 20 Höhenmeter abfahren. Nicht das letzte Mal heute, dass wir uns ein paar überflüssige Höhenmeter genehmigen. Trotzdem steigen wir hochmotiviert in die Spur ein und ziehen im immer steiler und enger werdenden Kar nach oben. Kurz unterhalb der Scharte kommt ein kalter Wind auf, die Spur wird unangenehm steil, die Spitzkehren eng. Außerdem liegt der fluffige Pulver doch auf einer harschigen Unterlage, immer wieder rutschen die Ski weg, aber letztendlich stehen wir um 9:45h, also nach ziemlich genau zweieinhalb Stunden Gehzeit oben in der Scharte, wo uns ein eisiger Wind den Triebschnee um die Ohren haut. Bis ganz zum Schluss konnten wir auf Ski gehen. 

Der Blick auf die andere Seite hat sehr viel mit Schwerkraft zu tun. Es geht ziemlich steil und felsig herunter. Die zwei Spurenden sind längst nicht mehr zu sehen, zwei andere stehen bereits 10 Meter unter uns und machen sich bereit für die Abfahrt. In Blickrichtung links kann man über Felsen und durch Firn abklettern. Wir entscheiden uns aber für den hüfttiefen Schnee auf der rechten Seite. Die Tatsache, dass wir hier im Triebschnee baden, blenden wir aus, weil wir ja mit etwas stochern immer schön die Hand ans Drahtseil bekommen - mit fast dem ganzen Arm im Schnee. Im Nachhinein wäre es links dennoch sinnvoller gewesen, denn wir lösen im Abstieg tatsächlich ein Schneebrett aus, zum Glück bleibt es winzig, ein paar kleine Schollen machen sich auf den Weg, aber es passiert nichts weiter. Genau hier in dieser Rinne hatte sich eben eine kleine Triebschneelinse gebildet. 

Auch 10m unterhalb der Scharte macht der Wind uns deutlich, dass wir hier nicht erwünscht sind, also schnallen wir im Steilgelände die Ski an und ich fahre voraus in die schmale, steile Rinne, die sich aber nach ein paar Metern schon zu einem herrlichen Kar weitet. Bis hinunter ins Tal schwingen wir im herrlichsten Pulver, dann ein kleiner Parcours durch den Wald und um kurz vor 11h sitzen wir bereits vor dem Anton-Karg Haus in der Sonne und machen Pause. 

Aber das war noch nicht einmal die Hälfte der Tour, also packen wir recht bald wieder zusammen, überqueren den Bach und folgen einem Sommerweg mit wenig Höhengewinn durch den Wald. Es liegt sehr wenig Schnee, zudem wird es so warm, dass die Felle stollen. Was in diesem Fall heißt, dass wir mehr oder weniger die gesamte Spur unter unseren Ski mitnehmen, hinter uns ist der Boden plötzlich aper. Nach kurzer Zeit heißt es abfahren, auf Fellen, auf einem recht schmalen, eingetretenen Waldpfad. Auf Fellen mit offener Bindung hat man hier null Kontrolle und ich werfe mich mindestens fünf mal in den Schnee. Zum Glück sind wir hier absolut einsam unterwegs jetzt und niemand sieht mich. Eigentlich hätte man auch einfach abschnallen können, denn auf der anderen Seite geht es erstmal nur zu Fuß weiter. 

Nach ca. einer halben Stunde können wir wieder auf Ski weiter, aber durch sulzigen Schnee und durch so schmale und steile Waldschneisen, dass wir manchmal alle drei Schritte eine Spitzkehre brauchen. Zu allem Überfluss hatten die Spurer wohl eine Alternative im Sinn, also verpassen wir die Linksquerung ins Öchselweidkar um gut 200 Höhenmeter. Hier noch nach links zu queren stellt sich als unmöglich heraus und so kämpft sich jeder irgendwie durch den Wald bergab, bis wir endlich eine Markierung des Sommerwegs finden. Inzwischen kleben an unseren Fellen durchschnittlich 2kg Schnee und die Sonne brennt in das breite Kar vor uns. Wir spuren also los - so lange man in Bewegung bleibt hält sich das Stollen halbwegs in Grenzen. 

So langsam fühlen sich die Ski immer schwerer an. Oder halt - sie sind ja auch schwerer. 

Insgesamt kommt jedem von uns der zweite Anstieg doppelt so lang vor wie der erste. Aber mehr oder weniger ohne Pause steigen wir jetzt weiter bis auf die Pyramidenspitze. Um 15:30h erreichen wir das Gipfelkreuz. Die GPS-Uhr von meinem Mitstreiter zeigt 2650hm Aufstieg an. Insofern ziehen wir die Felle mit besonders großer Freude ab und queren hinüber zum Eggersgrinn. 

Die Einfahrt ist sehr entspannt, pulvrig, griffig, zerfahren und ohne jegliche Schwierigkeiten. Bis das Gelände nach einigen Schwüngen dann doch einfach im Nichts verschwindet. Wir stehen oberhalb einer steilen, schmalen Rinne, die von Felsen und Grasbüscheln durchsetzt ist. Das kann nicht die Abfahrt sein, da sind wir uns einig und queren nach links. Dort finden wir jedoch nur Steilabbrüche, also hatten wir uns wohl geirrt. 

Nun stehen wir wieder an der Steilstufe. Ich sehe nur eine Lösung: Ein gesprungener Schwung nach links, dann wieder nach rechts. Und dann entlang des wirklich steilen Hangs die Ski in eine ebenso steile Traverse kippen lassen. Ohne jegliche Möglichkeiten, jetzt noch etwas am Lauf der Dinge zu ändern, schießen die Bretter zwischen ein paar Hindernissen hindurch. Kurz darauf gibt es endlich die Möglichkeit, sich an einem immer noch steilen, aber breiteren Hang rechts abzufangen, die Kanten schreien in dem pickelharten Harsch laut auf, aber ich stehe wieder. Ein paar steile Schwünge später stehe ich weiter links unter der Felsstufe und vor mir öffnet sich ein herrliches Kar, feinste Buckelpiste. Wir schwingen zügig hinab bis zu den Latschen, dort ganz nach rechts, nochmal kurz heftig steil durch den Wald. Es folgt ein unspektakuläres Labyrinth aus Forstwegen und gegen 16:15h stehen wir wieder auf der Straße. 

Ich hatte im Vorfeld viel Schlechtes über die Tour gehört und der Aufstieg durch den Wald zog sich auch lange hin. Aber die spektakulären Aussichten, die fantastischen Abfahrten, das Wetter, der Schnee und einfach das Gefühl, es geschafft zu haben, lassen für mich persönlich nur ein Fazit zu: Eine der großartigsten Touren, die ich bisher gemacht habe. 









Tourengänger: Hatscherer


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