Akklimatisierung am Montana Winikunka 5036m (Regenbogenberg)


Publiziert von alpensucht , 10. Januar 2021 um 01:53.

Region: Welt » Peru
Tour Datum: 8 Juli 2019
Wandern Schwierigkeit: T2 - Bergwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: PE 
Zeitbedarf: 5:00
Aufstieg: 500 m
Abstieg: 500 m
Strecke:ca. 4km Gesamtstrecke

Eindrückliches Bergerlebnis zwischen Massentourismus und stiller Abgeschiedenheit

Endlich werde ich das erste Mal über 5000m unterwegs sein. Der Ausflug passt perfekt in meinen Akklimatisierungsplan für den Cerro Soray - von Cusco gemeinsam mit großartigen Menschen!

Verzögerungen - ein kleines peruanisches Drama
Der sehr frühe Start verläuft für Mitteleuropäer überraschend und für Peruaner ganz alltäglich - nämlich überaus unpünktlich. 4:30 Uhr wollte und sollte der gebuchte kleine Reisebus uns abholen. Die Agentur bot lustigerweise den Service an, alle Teilnehmer der Fahrt zum Ausgangspunkt der Wanderung abzuholen.
Ich stehe mit (extravoll) gepacktem Tagesrucksack schon 4:10 Uhr in der Eiseskälte - in Sorge, wir würden den wartenden Fahrer in Hostelnähe nicht finden. Doch da ist niemand. Stille, Eiseskälte und Laternenleuchten.
Meine Schwester ruft nach über 30min Wartezeit in der Agentur an. Es dauere noch ein wenig! Man kann bei derartigen Anrufen keine validen und seriösen Informationen erwarten. Nach etwa einer Stunde - also gegen 5:30 Uhr werden wir dann doch abgeholt. Und dennoch konnten wir noch lange nicht die Stadt verlassen.

Wir holen noch mehrere andere Reisende ab. Bei zwei Europäern, die verschlafen hatten, warten wir einige Zeit vor der Tür. Auch das soll es leider noch nicht gewesen sein.
Denn bei der letzten Touristin handelt es sich um eine aufgetakelte, fluchende, schreiende und wankende Peruanerin, der durch Fahrer und Guide der Zustieg wegen Trunkenheit nicht gewährt wird. Meine fließend spanisch sprechende Schwester (Sozialarbeiterin) versucht zu vermitteln, viele Gäste wollen wissen, was das Problem sei. Der Streit und die Diskussionen ziehen sich über eine halbe Stunde hin, bis nach kurzer Rangelei die Entscheidung fällt, sie doch mitfahren zu lassen um sie der Polizei zu übergeben. Das sei wohl auch ihr Wunsch. Nochmal warten wir zunehmend ungeduldig vor dem Quartier der Wache. Die Frau musste sehr lange in der Kälte warten und trank deshalb das eine oder andere Schlückchen zum Aufwärmen.



Nun endlich zum eigentlichen Ausflug...
Die anschließende Fahrt verläuft dann friedlich. Die meisten schlafen noch ein wenig. Gegen 7:30 Uhr halten wir zum Frühstück oberhalb von Cusipata an. Nach den obligatorischen Warnungen und Instruktionen wegen der großen Höhe trinken die meisten den angebotenen Coca-Tee. Als wir anschließend den Parkplatz auf etwa 4600m Höhe erreichen werden erneut wander- und sicherheitstechnische Anweisungen gegeben. Berli, unser sympatischer Guide erklärt alles in Ruhe und mit viel Freude.

Der Aufstieg und der Abstecher zum felsigen Gupf  kurz T4, I   2h
Da ich nun schon wirklich gut akklimatisiert bin, wirkt der Beginn der Wanderung auf mich eher wie ein Bummel an einem der Hausberge Münchens (breiter Wanderweg T1-T2). Die Weite und fremdartige Szenerie hier übertrifft diese natürlich über alle Maßen. Wir gehen langsam und teils mit ausgeliehenen Trekkingstöcken minderer Qualität. Noch immer Cocablätter kauend schleichen wir absichtlich langsam voran und schießen zahlreiche Fotos. Es tummeln sich in beide Richtungen zahlreiche Menschen, Maultiere, Pferde und Lamas.

Meine Reisegefährten befanden sich bis vor einigen Tagen noch auf Meereshöhe. Deshalb sind wir zunächst vorsichtig. Nach etwa einer Stunde vereinbare ich mit ihnen, dass ich schon vor gehe und ganz oben auf sie warten würde. Der Guide wartet immer wieder auf unsere Gesamtgruppe aus dem Bus. Doch jeder geht irgendwann im eigenen Tempo. Zwischendurch passiert man kleine Blechbaracken mit Toiletten, vor denen betagte Einheimische sitzen und um einen Sol bitten. Das "Geschäft" draußen erledigen ist hier notwendigerweise streng verboten. Es kommen in der Trockenzeit viele Hundert Touristen täglich.

Als ich mich dem Pass und der Aussicht auf vielleicht 800m nähere, bemerke ich einen alternativen Anstieg zum Aussichtspunkt, der etwas nördlich vom Normalweg die Westflanke in den nördlichen Übergang Richtung Ausangatetrek zieht. Das ist der früher benutzte Weg, der auch zu Pferd überwindbar sei. Ich entschließe mich für diesen völlig einsamen Anstieg in der Hoffnung auf einige ruhige Minuten.
Leichter Neuschnee von voriger Nacht bedeckt die kargen Böden und offenbart Spuren kleiner Hochgebirgsbewohner. Diesen Sattel nördlich hinter dem Winikunka erreiche ich um 10:30 Uhr und wende mich vergnügt weiter links haltend auf dem Grat. Denn dort sind Felsen, die Kraxelgenuss versprechen! 15min steige ich über den Grat weiter bis zu dessen höchstem Punkt auf 5100m, wo ein schmaler Steinmann steht.
Hier verbringe ich eine großartige, stille und einsame Zeit mit Aussicht auf die weiten Hochflächen, Roten Berge, nahen 5000er Gletscherriesen (z.B. "Wasaqucha") und - den gewaltigen Ausangate! Ganz kurz lässt sich ein andiner Nager blicken (vermutlich ein Chinchilla). Ziemlich gehyped (früher hieß das "hochzufrieden", bzw. "höchst erfreut" - kann es nicht anders als ein sehr starkes Glücksgefühl beschreiben) klettere ich zurück in den Sattel auf glatten 5000m und steige die wenigen Meter hinauf zum Winikunka.

Der Gipfel der Aussicht und ein Abstieg mit einer Höhenkranken   T2, 2,5h
Hier nun steppt wahrlich der Höhenbär! Einheimische tragen Kind und Kegel hinauf, endlose Gruppen und lose Haufen tummeln sich teils mühevoll auf die Knie gestützt zum höchsten Punkt auf 5036m. Der letzte Hang ist auch elend steil! Und inzwischen kann ich den farbigen Hang gegenüber auch sehen. Er ist wahrlich überaus beeindruckend! Auf der Suche nach meinen Freunden steige ich bis fast in den südlichen Sattel ab. Sie steigen sehr ruhig auf.
Unsere größte Kämpferin (sie hätte laut Ärzten wegen einer seltenen Form der Leukämie bereits vor vielen Jahren sterben können, wurde jedoch gesund und überstand eine Chemo) erreicht mit uns nun auch den Gipfel/Aussichtspunkt Winikunka.

Ein Tourist ohne Guide will gerade seine Drohne starten lassen und wird von Guides und Parkrangern daran gehindert. Es wird hier stark betont, dass ein strenges Flugverbot herrscht. Früher gab es hier zahlreiche Kondore zu bestaunen. Diese seien nun verschwunden wegen der früher täglich lärmenden Drohnenflotten. Mit Glück sind noch wenige Agujas (Adler, Blaubussard) zu beobachten.

Wir erleben viele wunderschöne Momente zwischen all den bunten Mitmenschen und vielen bunten Fotos von den bunten Gesteinen an der gegenüberliegenden Flanke. Das chaotische Gewusel steht ganz im Gegensatz zur natürlichen vielfarbigen Ordnung der Mineral- und Gesteinsschichten dort drüben.

Unserer Kämpferin wird zunehmend übel und nach kurzer Zeit muss sie sich so stark übergeben, dass wir schweren Herzens möglichst zügig zusammen absteigen. Auch weiter unten - wir kommen nur noch sehr langsam vorwärts, geht es ihr zunehmend schlechter. Sie behält kein Wasser oder sonstige Stärkung drin und dehydriert zunehmend. Doch sie schafft es nach einer längeren Pause auf 4800m bis hinab zum Parkplatz. Meine Schwester und eine Freundin kümmern sich großartig um sie.

Inzwischen gerate ich mit dem Guide in allerlei interessante Gespräche. Einige 6000er Erfahrung hat er - eher die leichteren. So tauschen wir sogar noch Emailadressen aus, um in anderen Jahren vielleicht ein gemeinsames Projekt zu realisieren.

Um 13 Uhr sind wir wieder am Parkplatz. Später in Cusco kaufen wir noch im letzten Moment vor der Abfahrt nach Curahuasi Tabletten gegen Höhenkrankheit und Dehydrierung.

Für Verena und mich steht noch ein Ruhetag in Curahuasi an, bevor wir zu einer ernsten Miniexpedition zum Cerro Soray aufbrechen.

Tourengänger: alpensucht


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Kommentare (2)


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Wimpy hat gesagt: Pferdmiete
Gesendet am 10. Januar 2021 um 09:39
Das ist ja wucher. 30 Euro . Ich war im Jahre 1995 in Peru. Und zahlte einem Bergführer 5 Dollar pro Tag. Das war für damals ein super Ansatz.
Ich wünsche euch noch schöne Tage, geniesst es.
LG Wimpy

alpensucht hat gesagt: RE:Pferdmiete
Gesendet am 10. Januar 2021 um 11:58
Das mag teuer klingen für peruanische Verhältnisse. Ich sehe es allerdings keineswegs kritisch. Einige extrem verarmte Einheimische können so mehr als ihre Familie versorgen durch die Nutzung ihrer Tiere am Winikunka und erlangen so die Chance auf sozio-ökonomischen "Aufstieg". Das Angebot nehmen nur wenige wahr.
Das darf allerdings auch nicht darüber hinweg täuschen, dass von gut situierten Weißen ("gringos") grundsätzlich mehr verlangt wird als von anderen.
Man muss ja nicht das Angebot annehmen.
Beste Grüße


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