Kurzbericht 

Der Rückblick auf ein seltsames Bergjahr


Publiziert von ZvB , 2. Dezember 2020 um 21:09.

Region: Welt » Deutschland » Alpen » Bayrische Voralpen
Tour Datum:29 November 2020
Wandern Schwierigkeit: T2 - Bergwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: D 
Zeitbedarf: 5:15
Aufstieg: 870 m
Abstieg: 870 m
Strecke:15,0 km

Liebes Tourenbuch,

heute möchte ich Dir nicht nur von einer Bergwanderung im Nebel schreiben - das ist sogar eher eine Nebensache -, sondern möchte Dir mein Herz über dieses seltsame Bergjahr ausschütten. Alles fing so normal an und die Pläne waren hoch, groß und schwierig. Dann kam alles anders und das kam so:

Mit einigen Schneeschuhtouren in den Brennerbergen ging es los. Die Reichenspitze auf Schneeschuhen war dann schon ein erster Höhepunkt (und vielleicht auch schon der letzte). Im kalten Winterraum der Plauener Hütte haben der Paco und ich noch darüber geplaudert, wie weit Corona und China doch weg sind…

Dann wurde es März. Bergtouren nach reichlichem Alkoholgenuss sind ohnehin schwierig, aber Berni und ich waren noch guter Dinge, am 12. März. Am 13. März wurden wir jedoch rausgeschmissen, aus der Hütte, aus dem Pitztal, aus Tirol und aus unseren Träumen von den steilen Eiswänden der Ötztaler Alpen. Wir mussten uns in den Treck der Covid-19-Flüchtlinge einreihen und vorzeitig die Heimreise antreten.

Noch schlimmer habe ich nur die anschließende Ächtung durch meine Kollegen und den Arbeitgeber empfunden. „Riffelseehütte? Pitztal? Das ist doch gleich neben Ischgl, diesem Vorort von Wuhan! Also waren Sie quasi übers Wochenende in China! Sie gehen mal besser in Quarantäne!“ Gleich nach der Quarantäne kam der Lockdown. Keine Kletterhalle, keine Berge und ausschließlich Spaghetti mit Klopapier. Was bleibt also anderes übrig, als vor der Haustüre zum Zweck sportlicher Aktivität zu wandern? Vier Wochen bis maximal T1+, puh…

Nach dem Lockdown war alles anders. Die Berge waren überlaufen, weil Bayern schon erlaubt war, aber Austerlitz noch nicht. Auch die Wanderparkplätze haben sich verändert. Sie gleichen eher einem Campingplatz, weil die Übernachtung im eigenen Hotel auf den eigenen vier Rädern ja schließlich von keinem Landesfürsten verboten werden kann. Manche sagen der Pandemie sogar einen positiven Effekt für die Umwelt nach. Ich habe da so meine Zweifel. Klar, die Ballermannbilligfliegertruppentransporter durchschneiden nicht mehr mit ihren Chemtrails den Himmel. Aber als ich heute Morgen auf dem Parkplatz in der Jachenau eintreffe, bullern zahlreiche Standheizungen ihr eintöniges Lied von der Dieselverbrennung vor sich hin. Vielleicht irre ich aber auch und die heizen mit veganem Murmeltiertalg…

Ich wollte es wirklich lernen, die Sache mit dem Bergsteigen und dem Klettern. Der Kurs in den Dolomiten ist leider ausgefallen. Der verkürzte, restliche Juniurlaub fiel dann auch noch ins Wasser bzw. in den letzten Neuschnee. Ich war, das darf man unter all den alpinen Überfliegern hier bei Hikr gar nicht laut aussprechen, zum Wandern im Bayerischen Wald. Ich schäme mich sehr, aber finde Trost bei den Anonymen Weitwanderalkoholikern. „Hallo, mein Name ist Zing und ich war beim Wandern.“

Der Rest des Sommers verlief ohne größere alpine Höhepunkte. Je mehr Menschen in die Berge gehen, desto weniger wird das Bergsteigen zu etwas Besonderem. Es gab Wochenenden, an denen ich lieber hinterm Fernrohr saß, als in die Berge zu gehen. Allerdings ist anzumerken, dass die Astronomie ohne die störenden Chemtrails viel mehr Spaß macht.

Jetzt muss ich kurz einmal unterbrechen, liebes Tourenbuch! Ich wollte heute eigentlich im Nebel wandern. Nun kommt jedoch die Sonne heraus und der Gipfel des Latschenkopfes bietet einen umfassenden und aufschlussreichen Ausblick auf die Berge über den Wolken. Eine Überraschung, die ich heute (fast) für mich alleine habe.

Ja, Überraschung. Meine ersten Expeditionen auf den Hochschwab und in das Gesäuse waren auch überraschend schön. Großstädter aus Wien und Graz sind endlich einmal eine Abwechslung zu den immer gleichen Großstädtern aus München und Altötting… Wir, liebes Tourenbuch, waren dort nicht zum letzten Mal!

Ebenfalls konnte ich mein Projekt „Alle Ammergauer“ abschließen, wenngleich eine Reihe von Kommentatoren meines Tourenberichts über den 12-Apostelgrat das anders sieht. Ich habe eben zu viele Gipfel mit einer Schartenhöhe von mehr als 50mm ausgelassen. Mea culpa!

Ich tauche punktlich auf einer Höhe von 1.300m wieder in den Nebel ab, bestaune und fotografiere die Reiflandschaft. Ach liebes Tourenbuch, ich muss mich auch bei Dir entschuldigen. Im vergangenen Bergjahr habe ich eine ganze Reihe echt mieser Bilder (virtuell) in Dich eingeklebt. Erst seit ein paar Tagen weiß ich, dass ein vernünftiger Monitor zu viel besseren Ergebnissen führt. Jetzt machen auch die Fujis endlich richtig Spaß und die Arbeit kann beginnen. Aber davon mehr im nächsten Bergjahr.

Ja, das nächste Bergjahr. Was sollen Du, liebes Tourenbuch, und ich da bloß unternehmen? Hoffentlich wird es wenigstens ein bisschen so wie früher. „Früher war mehr Lametta!“ Und wir holen nach, was in diesem seltsamen Bergjahr 2020 nicht möglich war! Allen anderen wünsche ich von ganzem Herzen, dass sie wieder Urlaub am Meer machen dürfen…

Dein Zing

Achtung! Dieser Text enthält Satire. Jeder ernsthafte Bezug zur Realität wäre vollkommen willkürlich zustande gekommen.


Tourengänger: ZvB


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