SST Überschreitung Grasköpfl – gar nicht so harmlos wie der Name vermuten lässt


Publiziert von algi , 26. Januar 2020 um 08:11.

Region: Welt » Deutschland » Alpen » Karwendel
Tour Datum:25 Januar 2020
Schneeshuhtouren Schwierigkeit: WT3 - Anspruchsvolle Schneeschuhwanderung
Wegpunkte:
Geo-Tags: D   Vorkarwendel 
Zeitbedarf: 6:30
Aufstieg: 950 m
Abstieg: 950 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Auf der Strasse von Vorder- nach Hinterriß Parkmöglichkeit auf kleinem Parkplatz westlich der Straße ( gegenüber befindet sich eine Freifläche )

Manchmal ist es schon absurd, kaltes Winterhochdruckwetter sorgt in Franken tagelang für undurchdringlichen Hochnebel, und von Freitag auf Samstag schlägt das Wetter dann natürlich um. Der Schneemangel ruft bei mir als Skitourengeher selbstverständlich keine Begeisterung hervor, aber ohne ihn, wäre ich wohl auch nie auf das Grasköpfl im Vorkarwendel aufmerksam geworden. Nachdem der *Bericht von felixbavaria und 83_stefan mein Zwerchfell zum Beben gebracht hat, war klar dass ich diesen Berg auch mal besteigen wollte. Da mir Rundtouren am Besten gefallen, wählte ich den westseitigen Aufstieg über den Reitsteig zum Wiesbauernhochleger und als Abstieg den Steig, der von der Grammersbergalm über die steile NW-Flanke ins Isartal hinab führt.

 

Vom kleinen Parkplatz westlich der Strasse nach Hinterriß muss man schon ein paar hundert Meter bis zu den 2 auffälligen Wegweisern auf der anderen Straßenseite laufen. Da das Grasköpfl mit keinem Wort erwähnt wird, schaue ich lieber nochmal auf die Karte, Wiesenbauernhochleger – ok passt. Der Weg ist gut markiert und führt anfangs etwas romantisch in eine kleine Schlucht, die auf einer schon in die Jahre gekommenen Brücke überquert wird. Wenig später ist die Schneedecke dick genug und ich kann die SS anlegen.

 

Obwohl der Grund des Steigs teilweise ausgeapert ist, kann man trotzdem gut mit SS entlanglaufen, da er talseitig von einem dicken Schneewulst begrenzt wird. An baumfreien Passagen ist die Schneedecke so dick, dass das Gehen schon richtig anstrengt. Bis ca. 20 Min. unterhalb des Wiesbauernhochlegers überwiegt noch Pulverschnee, danach folgt stark durchfeuchteter Schnee, erst auf den Freiflächen des Almgeländes ist ein, leider noch nicht tragfähiger, Harschdeckel vorhanden.

 

Die Felsabbrüche auf der Südseite des Grünlahnerecks werden östlich umgangen, hier gibt es auch einige sehr kurze apere Passagen. Was mich langsam nervt ist, dass tragfähige Harschdeckel und bodenloser Tiefschnee ohne Übergang direkt aneinandergrenzen, was beim Laufen immer wieder zu unangenehmen „Absackern“ führt. Nach Erreichen des Ostgrates zum Grünlahnereck führt der Sommerweg nahezu waagrecht durch die steile Ostflanke zwischen Grünlahnereck und Grasköpfl. Ich bin‘s gegangen und es heute auch gut geklappt, im Nachhinein würde ich aber von einer Begehung abraten, da der Weg unzweifelhaft stark lawinenbedroht ist, und sich wenige Meter unterhalb ein ca. 50 m hoher felsiger Abbruch erstreckt. Der sichere Weg führt über den Ostgrat hinauf zum Grünlahnereck und dann weiter auf der Gratschneide zum Grasköpfl.

 

Die Aussicht ist heute eher bescheiden, aber dafür ist es absolut windstill und man kann es gut am Gipfel aushalten, im Januar ja auch nicht gerade selbstverständlich. Nach dem kurzen Abstieg zur Pürschschneid können die SS erstmal wieder verstaut werden. Die SO-Flanke unterhalb der Schneid ist überwiegend schneefrei und wird von einer großen Zahl von Gämsen beweidet. Die Begehung des Weges unterhalb der Schneid ist ein ständiger Wechsel zwischen schneefreien und schneebedeckten Abschnitten. Erst kurz oberhalb der Grammersbergalm treffe ich wieder auf eine durchgehende Schneedecke.

 

Nun muss ich den Einstieg in den Steig durch die steile NW-Flanke finden. Leider ist meine Karte zu ungenau um den exakten Punkt erkennen zu können, daher suche ich den Waldrand NW-lich der Alm ab, leider ohne Erfolg. Ich hätte mich wohl noch ein paar Meter weiter westlich orientieren müssen, stattdessen bin ich dann erstmal einfach wild durchs Gelände hinabgepflügt und bin glücklicherweise nach ca. 60 – 70 Hm auf einen Querweg gestoßen. Mein erster Versuch nach rechts war wohl falsch, da der Weg nach 200 m wieder aufwärts führte, also wieder Retour um die linke Seite zu erkunden. Der Weg verliert sich bei einer Steilstufe, die aber unterhalb umgangen werden kann und wenig später treffe ich dann tatsächlich auf den richtigen Abstiegsweg, mir fällt ein Stein vom Herzen. Im weiteren Verlauf des Abstieges wird mir bewusst auf welch gefährliches Abenteuer ich mich da oben eingelassen habe: einen wilden Abstieg abseits dieses Steiges wird man mit nahezu 100 %-iger Wahrscheinlichkeit nicht überleben, da das Gelände nach unten hin immer steiler wird und mit unzähligen felsigen Abbrüchen übersäht ist.

 

So führt der Steig in eine Schlucht mit wunderschönen Eisgebilden die sich kaskadenartig nach unten stürzen. Ein langer ausgesetzter Quergang ist mit Drahtseilen versichert, heute nicht unbedingt notwendig, aber bei Vereisung bestimmt eine gern gesehene Unterstützung. Danach nochmal ein vereister Bach mit kleinen Gumpen, die Freunde der hochwertigen Fotographie hätten bestimmt eine große Freude gehabt.

 

Wenig später erreiche ich eine glücklicherweise schon befahrene Forststraße, die langweilig aber kraftsparend in ca. 45 Min. wieder zum Ausgangspunkt zurückführt.

 

Fazit: tolle Rundtour die mir viel Spaß gemacht hat. Eine Begehung würde ich im Winter allerdings nur in umgekehrter Richtung empfehlen. Denn falls  die Schlucht nicht begangen werden kann, ist es besser man merkt es gleich zu Beginn als kurz vorm Ende der Tour. Ich gehe davon aus, dass mit zunehmender Schneehöhe auch die zu bewältigenden Schwierigkeiten bei Aufstieg durch die NW-Flanke deutlich ansteigen werden.

 

Viele Grüße

Albert


Tourengänger: algi


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