Forstkundliche Runde bei Kulmbach mit einer ungewöhnlichen Einkehr


Publiziert von Schubi , 25. Dezember 2019 um 20:16.

Region: Welt » Deutschland » Östliche Mittelgebirge » Sonstige Höhenzüge und Talgebiete
Tour Datum:22 Dezember 2019
Wandern Schwierigkeit: T2 - Bergwandern
Wegpunkte:
Aufstieg: 279 m
Abstieg: 279 m
Strecke:14 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Heidenknock/Einmündung Feldweg Höhe Rebenstraße
Zufahrt zum Ankunftspunkt:s.o.

Wenn ich in meiner alten fränkischen Heimat Kulmbach weile, dann treffe ich gern meine fast ebenso alten Freunde Jörch und Matze. Der Jörch ist Forstwirt und kennt daher alle Wälder des Landkreises in-, wenn nicht sogar aus-wendig. Kurz vor Weihnachten 2019 nun lud er uns zu einer „Überraschungs-Wanderung mit Einkehr“ ein. Wie sich herausstellte, führte diese auch durch sein derzeitiges Forstrevier nördlich von Kulmbach. Leider war das Wetter recht trist bis durchwachsen, aber was soll’s.

Hier erstmal meine übliche Soundtrack-Empfehlung für Anfahrt, Rückfahrt oder zum Betrachten der Bilder: Hometown von Haley Bonnar.

Wir drei starten bei ödester Dezember-Witterung am Stadtrand von Kulmbach, im Stadtteil Petzmannsberg. Von dort wandern wir in nordwestliche Richtung: erst noch kurz übers Feld, dann in den Wald hinein durch ein Gebiet, in dem der Waldboden ringsum recht wunderbar bemoost ist. Das frische Grün des Moos leuchtet im dunklen graubraunen Dezember umso schöner, es ist ein rechter Hingucker. Nicht so schön: unser Forstwirt weist uns in diesem Waldstück auf leider so einige vom Borkenkäfer befallene Bäume hin. Ein Riesen-Problem derzeit in vielen Forsten, das seine Ursachen hauptsächlich in den letzten beiden heiß-trockenen Sommern und auch in der immer noch sehr präsenten Mono-Beforstung mit Fichten hat. Wie gut, dass dieses Waldstück derzeit nicht von unserem Forstler bewirtet wird.

Obwohl wir hier am Rand meiner alten Heimatstadt sind, kannte ich diese Ecke bisher noch so gar nicht. Bald schon stoßen wir nun auf einen kleinen Bach, der sich hier in den weichen Waldboden tief eingefurcht hat und in schönen Bögen den Forst durchschneidet. Es ist der Lindigbach (im Volksmund auch Lindigsgraben oder einfach „Gründla“) und ihm folgen wir ein Stück in westliche Richtung. Nach Wegweiser biegen wir dann links auf schmalen Pfaden nach Südwesten ab zu unserem ersten Etappenziel, der Fröschigquelle. Der dort entspringende Bach mäandert ebenfalls recht munter durch den Wald. Die Fröschigquelle wurde in den siebziger Jahren schön eingefasst und lädt zum Rasten ein: perfekt also für eine erste Brotzeit! Nachdem die feuchte Kälte dann aber irgendwann doch durch unsere Funktionskleidung gekrochen kommt, machen wir uns wieder auf, jetzt ca. 400 m in nordöstliche Richtung bis der Wegweiser nach rechts zu dem nächsten Highlight kommt, der Schwedenschanze. Also rechts ca. 150 m nach Osten und dann steil links den Hang herunter, erneut in das kleine Tal des Lindigbachs.

Der Pfad führt uns nun an den Fuß einer beeindruckenden Felswand, die man in dieser sonst eher sanft hügeligen Landschaft so gar nicht vermutet hätte: die Schwedenschanze. Oben auf dieser Felsformation befand sich im Hochmittelalter sogar mal eine befestigte Wehranlage, die aber wohl gegen Ende des 15. Jahrhunderts aufgegeben wurde. Über die kleine Turmhügelburg, die trotz ihres Namens nichts mit den Schweden zu tun hat, ist nicht sehr viel bekannt. Sie war vermutlich der Stammsitz der Herren von Haug (= Burghaig, nahe Ortschaft). Diese wurden im Jahr 1183 erstmals erwähnt und waren Ministeriale der Grafen von Andechs-Meranien und später der Grafen von Orlamünde, als diese die Herrschaft Plassenberg (die Plassenburg in Kulmbach) erbten. Die Schweden waren hier im Dreißgjährigen Krieg nachweislich nie (schliesslich war die Wehranlage da schon längst aufgegeben), aber der Volksmund dichtet ja bekanntermaßen gern so einiges an Geschichten zusammen. Das beste Beispiel sind ebenjene „Schwedenschanzen“ fast überall in Deutschland, die mitunter auch dort so bezeichnet werden, wo historisch nachweisbar niemals Schweden durchkamen. Bei einer Überprüfung handelt es sich dann meist um alte Wallanlagen aus wesentlich früherer Zeit. Wer sich zu unserer „Schwedenschanze" etwas einlesen will, kann das hier tun. Leider konnte ich fast nix zur geologischen Entstehung dieser Felsszenerie finden. Eine Liste des Bayerischen Landesamts für Umwelt vermerkt lediglich folgendes: "Art: Sandstein. Typ: Felswand/-hang, Tafoni/Wabenverwitterung, Verengungsquelle. Die Felsbildung im Rhätsandstein weist eine Kluftquelle sowie kavernöse Verwitterungsformen auf." Auf jeden Fall ist es ein beeindruckender Ort, recht malerisch anzusehen mit dem Lindigbach, der direkt am Fuß der Felsen entlang fliesst und Bäumen, die sich mit ihren Wurzeln in die Felsspalten krallen.

Den Lindigbach kann man an vielen Stellen einfach mit einem großen Schritt überqueren. So stapfen wir nun auf der Nordseite des Bachs die Böschung hoch und treffen da auf einen Fußpfad, der uns wieder in östliche Richtung führt, immer entlang des Bachs. Bald dann links in den Hang, entlang von Schlehen-Hecken und über Wiesen nach Nordosten bis zur Ortschaft Niederndobrach. Kurz bevor wir dort sind, haben wir rechts einen schönen Blick zurück nach Kulmbach mit der Plassenburg über der Stadt.

In Niederndobrach mogeln wir uns halbrechts durch, unten am Sägwerk vorbei und dann nach Norden bis zum nächsten Dorf namens Höferänger. Da überqueren wir rechts die Bundesstraße und laufen an dem einzeln stehenden Haus links vorbei hoch zum Wald. Darin geht's ein ganzes Stück bergauf, bis wir auf einen ebenen Wirtschaftsweg treffen, ihm folgen wir in nordöstliche Richtung. Hier sind wir jetzt im Revier unseres Forstwirts. Das wird uns aber erst klar, als wir an einen Waldarbeiter-Schutzwagen kommen: der Jörch sperrt die Tür auf und bittet uns herein – das nämlich ist die angekündigte Einkehr! (ein Wirtshaus befindet sich hier weit und breit nicht)

Matze und ich staunen net schlecht. Erst recht, als er uns noch drei frisch gekühlte Helle auf den Tisch stellt, den Gasherd anwirft und uns ein Chili con Carne serviert. Auch die Gasheizung läuft und schnell wird’s gemütlich. Ich muss sagen: eine der schönsten Einkehren, die ich bisher erlebt hab!
Wir sitzen eine ganze Zeit beinander und der Jörch erzählt uns vom Arbeitsalltag im Forst. Eine völlig andere Welt als die Bürojobs vom Matze und mir.

Weiter ging es dann entlang des nördlichen Hangs des Martersbergs (500 m). Der Jörch erklärt und zeigt. Wir zerreiben Triebe von jungen Douglasien und staunen über den frischen Duft. Misteln aus der Krone eines gefällten Baums werden für die Wohnungs-Dekoration mitgenommen und unser Forstwirt erzählt von den vielen Begegnungen mit Wildsäuen hier im Revier. Interessant zu hören, wie schnell diese rennen können, was sie alles fressen und dass ein Wolf gegen ein Rudel Wildsäu meist keine Chance hat.

Leider setzt jetzt Regen ein und wir uns halt die Kapuzen auf. Es geht wieder aus dem Wald heraus und nun über offenes Gelände gen Neufang. Vor vielen, vielen Jahren haben wir als kleine Jungs mal die Geschichte eines hier während des Kriegs abgestürzten US-Kampfflugzeugs gehört: so neugierig wurden wir, da sind wir dann (irgendwann in den frühen achtziger Jahren) herrlich naiv mit einem Spaten im Gepäck heraufgewandert, in der Hoffnung, vielleicht noch irgendwelche Trümmerteile ausgraben zu können ;-)

Wir laufen nun durch Neufang (ein paar Häuser mit Pferdestallungen) und umrunden bald darauf den Flugplatz Kulmbach. Der wurde erst nach dem Krieg auf dieser offenen Hochfläche gebaut, für das erwähnte US-Flugzeug wäre er eine schöne Rettung gewesen. Nach moderaten 279 Höhenmetern senkt sich unsere Route jetzt wieder herab und es geht erneut in den Forst, jetzt in südwestliche Richtung.

Weil mer uns aweng in der Zeit vertan ham, geht das letzte Drittel der Wanderung nun durch die Dunkelheit des Dezember-Spätnachmittags und wir knippsen die Stirnlampen an. Wir laufen wieder in den Wald rein, von einem Forstweg zweigen wir bald auf einen Pfad ab, der uns nach wenigen Metern zur Dreibrunnen-Quelle führt, unserem letzten Etappenziel. Aber auch drei Stirnlampen können die drei Brunnen mit ihrer (bei Tageslicht bestimmt vorhandenen) Waldromantik nicht so recht illuminieren und so stapfen wir nach ein paar Foto-Versuchen weiter bergab, zunächst steil, dann entspannter. Bald schon leuchten unter uns die Lichter von Kulmbach durch die Baumreihen. Es geht aus dem Wald heraus und in den Vorort Ziegelhütten hinein. Stirnlampen aus und zwischen den Siedlungshäuschen durch runter zur Bundesstraße 85.

Diese überqueren wir und gehen auf der anderen Seite wieder in die Natur: Wiesen, der Dobrach-Bach, dunkler Wald. Die Stirnlampen also nochmals angeknipst. Leicht ansteigend laufen wir weiter südwestlich, erneut über eine Feldflur. Ein letztes Handy-Foto mit den nächtlichen Lichtern von Kulmbach wird gemacht und wenige Minuten später sind wir wieder am Ausgangspunkt unserer Wanderung angelangt.

Mit auf Tour: Jörch und Matze.

Fazit: in der alten Heimat neue Ecken zu entdecken, ist eh schon spannend. Zusammen mit Freunden von damals wird’s natürlich eine richtig feine Sache. Auch weil mer die ganza Zeit an rechtn Bleedsinn gewaaft hom. Aber die Krönung der Tour war die gemütliche Einkehr im Forstarbeiter-Wagen. Trotz tristem Wetters wird mir diese Wanderung deshalb in bester Erinnerung bleiben.


Tourengänger: Schubi


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