Spaziergang auf den Cotopaxi (5897m)?


Publiziert von Kris , 25. November 2019 um 00:02.

Region: Welt » Ecuador
Tour Datum: 4 September 2019
Hochtouren Schwierigkeit: WS
Wegpunkte:
Geo-Tags: EC 
Zeitbedarf: 7:30
Aufstieg: 1050 m
Abstieg: 1050 m

Der Titel mutet selbstverständlich arg polemisch an.. und der Wahrheit entspricht er natürlich wirklich nicht. Mit fast 6000 Metern kann der Cotopaxi kein Spaziergang sein. Dennoch - vergleicht man die Bergfahrt am Cotopaxi mit dem Cayambe oder Chimborazo, so hat man hier definitiv die besten Chancen und den leichtesten Aufstieg. 

Dies hat mehrere Gründe: 
a) es sind die wenigsten Höhenmeter zu bewältigen
b) der Berg ist gut besucht, meist gibt es eine super ausgetretene Spur
c) das Gros des Weges ist nicht steil
d) durch den Gletscherrückgang sind gerade einmal 700-800hm im Eis zu bewältigen

Doch von Anfang an .. nach der anstrengenden Tour am Cayambe gönnen wir uns am darauffolgenden Tag und nach der Nacht im Gästehaus einen Entspannungstag in den Thermen von Pappalacta, gelegen inmitten von steilen, grünen Hängen - und mit Glück - Sicht auf den gewaltigen Antisana. Heiße Becken bis 45 Grad(!) und solch eine Aussicht, wow. Das Bad genügt sogar fast europäischen Standards. 

Es folgt eine weitere Nacht - unsere letzte - in Quito. Bevor wir das letzte Mal ins Restaurant gehen, wo ich mir leider aus Versehen Pansen bestelle - versuche ich, mir neue, warme Handschuhe zu besorgen. Unser Fahrer bringt mich zu einem Einkaufszentrum. Leider ist der Shop durch Umbaumaßnahmen nicht verfügbar und der North Face Store hat nicht ansatzweise Handschuhe, die genügen würden. Ohne Spanisch-Kenntnisse ist der Einkauf ohnehin etwas abenteuerlich. Ich entschließe mich, ein weiteres Einkaufszentrum zu besuchen und laufe 2 Km durch das Bankenviertel im leichten Regen. Auch in diesem Outdoor-Laden werde ich nicht wirklich fündig. Letztlich kaufe ich mir dicke Snowboard-Handschuhe als Reserve und kehre zurück ins Gästehaus.

Am nächsten Tag reisen wir über die Panamericana in Richtung Cotopaxi, mit all unserem Gepäck im Bus. Nach etwa 2 Stunden erreichen wir den Eingang des Nationalparks, in dem wir uns wieder erst einmal anmelden müssen. Auffällig ist bereits hier, wie viel mehr Andrang herrscht. Einige Gruppen testen gerade ihre Leihschuhe aus. Nach dem kurzen Break fahren wir noch bis 4000hm weiter zu einer kleinen Hütte, an der wir uns umziehen und die ersten Blicke auf den Gipfel genießen - wow! In voller Montur fahren nun noch bis ca. 4500m auf den großen Parkplatz, an dem auch immer wieder Touristen-Busse halt machen. Die volle Montur ist vonnöten, da es auf dem Parkplatz teils so stürmt, dass es das Anziehen stark erschwert. 

Es sind nun noch ca. 250hm bis zur Hütte, die wir langsamen Schritts angehen. Es stehen zwei Wege zur Wahl, ein steiler, direkter und ein in Serpentinen angelegter Weg. Ich wähle den letzten, und die meisten folgen mir. An der Hütte angekommen, folgen der Zimmerbezug, Lagebesprechung, das Essen und auch: Frieren. Es ist ziemlich kalt in der Hütte und ich bin dankbar über meine dicke Daunenjacke. Leider habe ich die letzten beiden Tage Magenprobleme, daher geht das Essen nicht gut herunter und auch die unausweichlichen Toilettengänge könnten spaßiger sein. Bemerkenswert: in der Hütte hängen unzählige Fahnen und es gibt einen BOULDERraum auf knapp 4800m! - damit hätte ich nicht gerechnet.

Die folgende Nachtruhe ist wenig erholsam, und vergleichsweise aber immer noch lang. Wir haben ungefähr von 19 bis 23 Uhr Zeit uns etwas auszuruhen, damit wir um Mitternacht starten können - also ca. eine Std. später als am Cayambe. Ich bin mir nicht ganz sicher, wie fit ich mich fühle aufgrund des Magens und "verstopfe" mich vorsichtshalber mit Tabletten-Hilfe. Die ganze Gruppe startet als Erste um kurz vor Mitternacht und nach den ersten Schritten merke ich - hey, du hast einen guten Tag erwischt. Langsam arbeiten wir uns durch die Vulkanerde nach oben. Der Weg ist wenig steil und wir gewinnen zwar wenig an Höhe, verlieren aber auch wenig Kraft. 

Der Gletschereinstieg kommt tatsächlich später als ich dachte, wir laufen fast eineinhalb Std., bis wir die Eisen anlegen. Die Seilschaften bilden sich und die Gruppe insg. ist einigermaßen fit. Die ersten Meter im Eis sind etwas steiler, danach wechseln sich steilere und flachere Passagen ab. Ich muss mich fast bremsen, wir sind zu schnell unterwegs. Es bringt ja nichts, bereits im Dunkeln am Gipfel anzukommen und sich den Allerwertesten abzufrieren. Das Gefühl der zu hohen Geschwindigkeit bestätigt sich bei einer Pause um ca. 3 Uhr. Wir sind bereits auf 5400m und sehen weit in der Ferne die Lichter von Quito leuchten. Wir sehen aber auch noch viel weiter entfernt, über dem ecuadorianischen Regenwald unentwegt Blitze und heftige Gewitter zucken - eindrücklich.

Fast euphorisiert laufen wir weiter. Viel lässt sich über den Weg nicht sagen - die meiste Zeit ist es nicht einmal ausgesetzt. Erst auf dem Rückweg können wir die wahnsinnigen Eisskulpturen um uns herum überhaupt erfassen - im Dunkeln ein Ding der Unmöglichkeit. Die bereits erwähnten Truppen mit Leihschuhen schlagen sich dann doch wackerer als ich dachte. Erst auf fast 5600 Meter fühle ich mich schlagartig schwächer. Es ist nicht einmal die Höhe, oder beginnende Höhenkrankheit. Es wird einfach zum Schluss hin immer steiler. Die Krafteinteilung hätte ich besser machen können und so sind diese letzten 200 hm eben kein Spaziergang. Es gibt zwar eine ausgetretene Spur aber ein Aufschwung würde ich auf 45, wenn nicht sogar mehr Grad schätzen. Die Füße schmerzen, ich wechsele zwischen seitwärts gehen und frontal gehen hin und her um den Gelenken etwas mehr Abwechslung zu verschaffen.

Zwischendrin riecht es immer wieder so stark nach Schwefel, dass ich ein starkes Kratzen im Hals habe und Hustenanfälle bekomme. Man darf eben nicht vergessen, dass der Cotopaxi ein recht aktiver Vulkan ist und erst vor kurzem für 2 Jahre gesperrt war für Begehungen. Dies erschwert die letzten 200hm immer wieder und ich sehne mich danach, dass sich das Gelände zurücklegt. Das ist dann doch kurz nach dem steilsten Aufschwung der Fall. Die Route dreht einen Schlenker und wir machen eine letzte Pause. Wobei wir auch zwischendrin immer wieder stehen bleiben. Sowohl weil wir es brauchen, aber auch weil wir immer noch zu früh dran sind.

Eine letzte Kurve - und wir stehen oben! .. Es ist bei weitem nicht so kalt und windig wie am Cayambe, daher können wir den Gipfel genießen und machen dies auch für fast 40min, bis alle aus unserer Truppe oben angekommen sind. Der letzte Nachzügler kommt dann ungefähr in dem Moment, als wir gerade beginnen abzusteigen. Er kämpft mit jedem Schritt, aber wir haben es geschafft: 100% Gipfelquote. Die Eindrücke lassen sich kaum beschreiben - der Sonnenaufgang, der Blick nach Quito und dessen Lichter, der dampfende Krater unter uns. Für jeden Nachahmer: wenn ihr an die letzten steilen Passagen gelangt - haltet durch! Es lohnt jeden gemurmelten Fluch, jeden Schmerz. Auch die Bergführer sprachen vom Point of No Return. Alle, die nicht höhenkrank sind, sollten es ab 5600-5650 einfach durchziehen.

Beim Absteigen lassen wir uns Zeit, auch da wir ein paar Körner gegeben haben in den letzten Metern nach oben. Aber selbst in unserem Tempo brauchen wir gerade mal knapp zweieinhalb Stunden für den Abstieg. Es ist schon der Wahnsinn, wie lange man sich in der Höhe ein paar Höhenmeter hochschleppt und wie schnell es dann wieder abwärts geht und wie kurz die Strecken sind. Nur oben ist natürlich etwas Technik und Vorsicht geboten, beim Frontalabstieg über 45 Grad. Wie bereits beschrieben, erleben wir erst jetzt wirklich die fantastischen Gebilde, die das Eis bildet. In diesen Ausmaßen ist das in den Alpen nicht zu erleben, Weiterhin ist der Kontrast zwischen den roten Ebenen der Vulkanerde, der weiten Ebene um den Vulkan und dem ewigen Eis ein Fotomotiv der Spitzenklasse.

Noch schöner wäre der Abstieg gewesen, wenn ich nicht Schmerzen am Fuß gehabt hätte, da eine Ecke des Fußnagels in meine Haut sticht. Und noch schöner wäre es gewesen, wenn wir uns die Abfahrt in der Vulkanasche gespart hätten neben dem Aufstiegsweg. Klar, es geht was schneller, ist aber auch leicht halsbrecherisch und unnötig und nicht besonders gut fürs Equipment, was danach auch einer Reinigung bedarf. Unser Guide bestand aber darauf. So kommen wir zum Frühstück wieder an der Hütte an, was echt klasse ist. Pancakes mit Schokosauce und frischen Früchten - genauso unerwartet wie der Boulderraum. Wir warten nun vor der Abfahrt auf den Abstieg der letzten Gruppenmitglieder. Leider zieht sich das noch sehr in die Länge, da zwei echt auf dem Zahnfleisch laufen. Sie kommen ca. anderthalb bis zwei Std. als wir an der Hütte an. Zwischenzeitlich machten wir uns schon etwas Sorgen. Ich nutzte die Zeit um den Boulderraum auszuprobieren, mit Bergschuhen aber eher wenig erfolgreich.

Im Abstieg wählen wir dann die direkte Route zum Parkplatz, den wir nach ca. 15min erreichen. Die ersten Touristen kommen uns entgegen, u.a. vollgepackte Busse mit asiatischen Touristen - Klassiker. Nachdem wir unser Equipment gesäubert haben und auf die Nachzügler gewartet haben am Bus, geht es zurück in die Zivilsation - so zumindest der Plan. Ungefähr auf Höhe der Hütte auf 4000hm streikt unser Bus. Wir schleichen im Schneckentempo voran. Da ich verhindern will, dass sich jemand daheim Sorgen macht, versuche ich eine Nachricht abzusenden - Empfang aber Fehlanzeige. Fauxpas: ich schlafe ein und habe die Internetverbindung angelassen und wir fahren zurück in ein Empfangsgebiet, da der Bus dann doch wieder mitspielt (Glück gehabt), Ich wache auf und habe eine SMS vom Anbieter mit der Obergrenze des abrufbaren Volumens: zum Glück "nur" 60 EUR. Ein Hoch aufs EU Roaming im Vgl. dazu.

Wir fahren nun weiter in Richtung Regenwald, nach Banos, einem beliebten Touristenziel. Dies wird unsere Station zur Revitalisierung, aber auch die Basis für die Besteigung des Chimborazo. Wir kommen wie in Quito gut unter, bei der Mutter von Marcelo, unserem Expeditionsleiter in einem sehr großzügigen Gästehaus mit lodgeähnlichem Dachgeschoss, welches für Frühstück etc. genutzt wird.


Eine der schönsten Hochtouren, die ich bisher gemacht habe. Allerdings auch im oberen Teil konditionell fordernd, da im Schlussspurt steil und schwefelig. Kein Geheimtipp, aber zurecht ein Klassiker.

KONDITION 4.5/5
ORIENTIERUNG 2/5
TECHNIK 2.5/5
EXPONIERTHEIT 2/5

Tourengänger: Kris


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