Anja d'Iragna


Publiziert von mong , 10. August 2019 um 15:28.

Region: Welt » Schweiz » Tessin » Bellinzonese
Tour Datum:14 Oktober 2009
Wandern Schwierigkeit: T4 - Alpinwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-TI   Gruppo Poncione Rosso 
Zeitbedarf: 7:00
Aufstieg: 570 m
Abstieg: 570 m
Strecke:Iragna ➛ Orégl della Capella ➛ Piano Grande ➛ Citt ➛ Monda della Valle ➙ Ponte (749 m) ➛ Traversa ➛ Sgruscia ➛ Pian Pönn ➛ La Sponda ➛ Monastero ➙ Iragna
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Iragna
Zufahrt zum Ankunftspunkt:Biasca
Kartennummer:1293 OSOGNA

Iragna ➙ Iranja ➙ Ir anja ➙ Anja

Woher kommt der Name Iragna?

Hat vielleicht eine Frau namens Anja etwas damit zu tun?

Ja? Nein?


"Iragna ist ein grauer, mässig geschieferter Gneis
von mittlerer bis feiner Körnung
mit fein verteilten Glimmermineralien."

"Wie alle Tessiner Gneise verfügt der Iragna
über sehr gute bautechnische Eigenschaften."

"Die Bezeichnung Iragna leitet sich vom Ortsnamen seines Vorkommens ab." Hier

Okay, aber jetzt wissen wir immer noch nicht, woher der Ortsname 'Iragna' stammt.

Vielleicht hat also doch noch eine Frau namens Anja etwas damit zu tun?

Aber was hat Anja mit dem Val d'Iragna zu tun?

Was hat sie im diesem wilden Tal gesucht?

Beeren? Pilze? Eventuell einen Mann?

Oder war sie auf der Flucht vor einem Mann?

Hatte sie Liebeskummer?

Ist sie in dunklen Nächten ins Tal hinuntergestiegen
und hat in den Gärten Kartoffeln ausgegraben?

Hatte sie Freundinnen oder Freunde, 
die ihr Nahrung und Kleider in ihr Tal brachten?

Die Leute in der Riviera unten haben dann 
mit der Zeit von dieser Frau erfahren,
die in diesem wilden Tal lebte, 
und sie wunderten sich.

Sie begannen zu tuscheln. Legenden rankten sich um Anja,
zum Beispiel, sie sei eine weise Frau.

Das stimmte natürlich nicht, Anja war keine weise Frau,
aber die Leute wollten das glauben.

Sie pilgerten zu Anja in das wilde Tal über ihrem Dorf hinauf
und bauten für sie eine Grotte, brachten ihr Lebensmittel und Kleider 
und sammelten Holz, damit sie im Winter nicht frieren musste.

Und sie brachten ihr sogar ein Schafsfell,
auf dem sie dann schlief oder träumte,
oder einfach nur darauf herumlag und nichts tat.

Und sie schenkten ihr sogar ein Boccalino,
damit sie den Wein nicht aus der Flasche trinken musste.

Wie alle Menschen hatten auch die Leute in der Riviera unten
Sorgen und machten sich Gedanken über das Leben im Allgemeinen
und besonders im Besonderen. 

Und wenn sie nicht mehr weiterwussten, pilgerten sie zu Anja ins Tal hinauf,
setzten sich in die Grotte und um sie herum und erzählten von ihren Sorgen und
stellten ihr Fragen über das Leben im Allgemeinen und besonders im Besonderen. 

Anja lag auf dem Schafspelz und sagte fast nichts, 
oder jedenfalls nicht viel,
weil sie nämlich gar nicht so viel wusste, 
wie die Pilger meinten. 

Anja war mehr eine Frau der Tat als der Gedanken.
Darum beantwortete sie die Fragen der Pilger immer nur kurz und knapp,
zum Beispiel antwortete sie oft:

"Ja jaa, das kommt schon wieder."

oder:

"No no, da müsst ihr euch keine Sorgen machen,
die Katze wird nach ein paar Tagen wieder zurückkommen."

oder:

"Das Leben ist halt so, kann man nichts machen."

oder:

"Nicht zu viel Merlot trinken, das ist nicht gesund, Barbera ist gesünder."

oder:

"Wenn ihr die Grippe habt, geht ins Bett und deckt euch gut zu. Schwitzen hilft immer."

oder:

"Hauptsache gesund."

oder:

"Ihr solltet mehr Gemüse essen."

oder:

"Ein Leben ohne Träume ist wie ein Wald ohne Bäume."

oder:

"Das Licht ist überall, der Schatten auch."

oder:

"Wenn ihr krank seid, müsst ihr wieder gesund werden."

oder:

"Von den Tieren kann man viel lernen."

oder:

"So so, die Nonna ist gestorben? Keine Bange, sie war ein guter Mensch, 
hat niemandem etwas zu Leide getan, sie ist jetzt schon am richtigen Ort.
Gott hab' sie selig!"

Und dann machte Anja das Kreuz, und die Pilger taten es ihr nach.

Mit der Zeit dachten die Leute, Anja sei eventuell eine Heilige.


Wenn die Pilger zu lange blieben und immer wieder
von den gleichen oder ähnlichen Sorgen erzählten,
wurde Anja müde und schlief auf dem Schafsfell ein. 

Die Pilger blieben dann sitzen, ganz still,
ihre Blicke auf Anja gerichtet, und hörten zu, wie sie atmete. 

Manchmal redete Anja im Schlaf.
Dann kam es vor, dass sie sagte: "Paolo! Paolo! Paolo!"

Die Pilger murmelten dann unter sich:
"Hört, hört, Santo Paolo ist ihr im Traum erschienen.
Anja ist definitiv eine Heilige."


Eines Tages sahen die Dorfbewohner einen vornehmen,
schönen Mann, der in das wilde Tal hinaufstieg.

In der Nacht darauf, es war spät, sah ein Dorfbewohner, 
der auf dem Heimweg war von einem Grottobesuch 
(mit Vino di Casa in den Boccalini), wie ein Pärchen
durch das Dorf ging, in Richtung Süden.

Tags darauf erzählte der Grottobesucher den Dorfbewohnern,
einmal habe sich der Mann umgedreht und in das wilde Tal
zurück geschaut, woher sie gekommen waren.

Darauf habe ihn die Frau ermahnt und zu ihm gesagt:
"Dai dai, Paolo, andiamo, facciamo una pausa più tardi!"

Dann habe dieser Paolo geantwortet:
"Vabbè, vabbè, Anja, hai ragione, andiamo, dai!"

Von da an haben die Dorfbewohner nie mehr etwas gehört von Anja.

Sie waren zwar enttäuscht, aber sie waren ihr nicht böse.
Immerhin hatte Anja ihnen zugehört, wenn sie sie um Rat gefragt 
und ihr ihre Sorgen erzählt hatten. Und den einen oder anderen Pilger
hatte Anja immerhin von der einten oder anderen Krankheit geheilt. 

Wie schon gesagt, eigentlich konnte Anja nicht heilen.
Vielmehr hatten die Pilger sich selber geheilt,
so ungefähr nach dem Motto von Jesus:

"Nicht ich, dein Glaube hat dir geholfen."


Zur Erinnerung an Anja gaben die Dorfbewohner dem wilden Tal 
über ihrem Dorf den Namen Val d'Anja.

Wie genau aus dem Val d'Anja das Val d'Iragna wurde,
ist bis heute nicht geklärt. 


















Tourengänger: mong


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