Pursteinwand 1130m - Der vierte Grad

Es gab Zeiten, da hat man den 4.Grad als das maximal Machbare für einen Kletterer angesehen. Inzwischen meistern ihn selbst Anfänger im Klettergarten und in der Halle ist IV wahrscheinlich nichtmal mehr vorgesehen!? Für mich aber gilt die antiquierte Einstufung immer noch, der vierte Grad ist mein persönliches Maximum, alles darüber hinaus ist mir unangenehm und fühlt sich für mich wie Zirkusakrobatik an.
Bevor ich mich wieder mal an mein Limit bewege ;-) wollen Matteo alias zasf und ich den Klettersteig an der Pursteinwand begutachten. Seit Jahren ist er zwar offiziell gesperrt, wird aber nach wie vor begangen!?
Ausdrückliche Verbote finden wir nicht, also nähern wir uns dem Einstieg und steigen auf eigenes Risiko weiter. Die Sicherungen sind offensichtlich nicht nagelneu, aber stabil und halten unserer Überprüfung stand. Der Steig ist nett angelegt, folgt den Gegebenheiten und passiert auf halber Strecke eine Sitzbank mit Tisch!? Das witzige Ensemble ist allerdings nicht mehr zum Kartenspiel geeignet und so steigen wir umgehend weiter, dem spannenden Finale entgegen. Bis zum Ausstieg folgen noch ein paar knackige, trittarme Passagen und zwei Überhänge (D). Der Bizeps und der Adrenalinpegel schwellen kurz an und nach weniger als 2 Stunden stehen wir mitten in der Wiese vorm Unterpursteinhof.
Bis zu den Gewittern bleibt noch Zeit, wir spazieren gemütlich nach Sand und zurück zur Pursteinwand, holen das Kletterseil aus dem Wagen und nähern uns dem vierten Grad. Im unteren Sektor finden wir zwei passende Linien und werfen uns an die Wand. Zum erstenmal ist Matteo der Chef, weist mich ein, schlüpft in die Kletterfinken und steigt geschickt und bedacht vor. Ballerinas lasse ich nicht an meine Füße, so ist meine Vorführung weniger elegant, ich greife nach allen Hilfsmitteln und trete sogar auf den Sicherungshaken, ein nogo für Kletterpuristen! Die zweite line gefällt uns besser, hier erreiche ich ohne Schummelei den Abseilhaken, auch wenn ich gelegentlich einen leichten hilfreichen Zug unter dem Hintern verspürt gemeint zu haben ;-)
Mit dem Klettergurt um die Hüften und abgesichert ist auch ein vierter Grad beinahe Spielerei, ich habe genug. Als Abschluss genehmigen wir uns noch die Miniferrata (schätzungsweise B/C) nebenan bis zu einer netten Sitzgarnitur. Leider ist sie schon besetzt von drei Kollegen, also direkt wieder zurück und ins Café Treffpunkt nach Mühlen. Der Chef hat sich wieder eine neue Kreation einfallen lassen, Limonensahnetorte (IV+), ich bin begeistert ;-)
Am Ende des Tages will sich trotzdem bei mir keine richtige soddisfazione einstellen, das Gekraxle ohne Ziel, das Stahlseilreißen und Rumhängen ist nicht meine Welt, nichtmal ordentlich geschwitzt haben wir. Ich werfe Gurt und Karabiner ins Auto und freu mich schon auf die nächste Bergtour, mit Gämsen, einem Paket an Höhenmetern und einem ordentlichen Gipfel, auch ohne vierten Grad.