Vor ziemlich genau 1 Jahr durfte ich eine herrliche Tour in Schweden unternehmen; nun folgte eine weitere Tour im hohen Norden. Auf die höchste Erhebung in Finnland soll’s gehen, wobei mein Ausflug zu 99% auf norwegischem Territorium stattfand.
Jedenfalls bedeutet dieser Landeshöhepunkt das Ende des Europa-Projektes – ausführlich dazu ganz am Schluss des Berichtes unter „Abschluss Europa-Projekt“.
Am Donnerstagabend ging’s von Zürich via Oslo nach Tromsø. Dort wollte ich schon immer mal hin und deshalb sollte Tromsø mein „base camp“ sein. Jedenfalls kein schlechter Ort, sollte das Wetter nicht mitspielen.
Natürlich legt man sich ein gewisses Programm fest. Der Vorteil der Jahreszeit (es wird nie dunkel) bringt viel Flexibilität. Allerdings deuteten die Wetterprognosen auf starke Bewölkung sowie vereinzelt Regen für die gesamte Aufenthaltsdauer – zumindest für die Region Halti. Das beste Wetterfenster schien sich für Freitag abzuzeichnen.
Erst spät abends (ca. 23.00 Uhr) erreichte ich das Hotel. Noch schnell im nahegelegenen 24h-Shop mit Getränken eingedeckt, danach legte ich mich für ein paar Stunden schlafen. Bereits um 4.30 Uhr wieder aufgestanden, ca. 3 ½ Fahrstunden mit dem Auto standen bevor. An wunderschöner Landschaft vorbei; ohne Probleme bis Birtavarre.
Bereits beim Anflug auf Tromsö erschrak ich, wieviel Schnee noch lag; teilweise fast bis ans Meer hinunter. Würde die Tour überhaupt möglich sein? Lag sogar noch Schnee auf der Strasse und war die Zufahrt zum Ausgangspunkt der Wanderung somit gar nicht möglich? Ich würde es bald herausfinden …
Durch das Dorf in’s Tal hinein, wo zunächst einige Schafe die Strasse versperrten … ;-)). Am Ende der asphaltierten Strasse beginnt die unbefestigte Piste, welche primär aus sehr vielen Löchern besteht … Es folgten ca. 20 km Piste, welche mit lediglich ca. 20 kmh „befahren“ werden können. Entsprechend benötigt man ca. 1 Std. Fahrzeit bis zum Trail Head am Guolasjávri-See.
Die Halti-Zufahrtsstrasse gehört für mich zu den „Top3“ der schlechtesten und mühsamsten Zufahrtsstrassen im Europa-Projekt. Mieser waren diesbezüglich aber definitiv Bosnien & Mazedonien …
Noch eine kleine Randbemerkung: ein Auto mit gewisser Bodenfreiheit ist zweifelsohne von Vorteil. Aber auch mein Kleinwagen hat den Aufstieg (und Abfahrt) problemlos gemeistert, selbst mit kaputter Kupplung / Getriebe (1. Gang funktionierte nicht …).
Erleichtert war ich jedenfalls, dass die Piste trocken war, kein Bach zu überqueren war und v.a. kein Schnee lag. So erreichte ich um ca. 8.45 Uhr den Guolasjávri-See. Dort stellte ich fest, dass ich nicht ganz alleine war; zumindest standen bereits 3 andere Auto’s auf dem Parkplatz.
Es war zwar bedeckt, eher kühl, aber soweit gute Sicht – das Unternehmen konnte gestartet werden. So beginnt man also auf ca. 800m Höhe, was einen dazu verleiten mag zu denken, es sind ja nur ca. 500 Hm bis zum Gipfel; kurze und einfache Sache – denkste …
Gleich beim Start schlüpft man durch das Tor des Rentier-Zauns, danach folgt man dem Wanderweg, der zumindest zu Beginn als solcher zu erkennen ist. Das verliert sich aber schnell, im steilsten Abschnitt der ganzen Tour sind jedoch immerhin zahlreiche Steinmänner zu erkennen. Auch diese werden jedoch mit der Zeit immer spärlicher.
Bis hinauf zum Rentierzaun „alles easy“. Spätestens ab jetzt beginnt das mühsame und nicht mehr enden wollende „von-Stein-zu-Stein-Hüpfen“. Ein Stein-Meer, soweit das Auge reicht … Und prompt passiert das, was nicht passieren darf: einer der Steine, auf dem ich abstehe, kippt und flippt rückwärts auf mein Schienbein – autsch! Ein höllischer Schmerz; ich gehe erst mal einige Schritte weiter. Sehe dann trotzdem mal nach und stelle fest, dass reichlich Blut fliesst und ein Loch im Schienbein klafft … Und Murphy’s law besagt ja … - genau; ich liess irrtümlicherweise Pflaster, Schmerztabletten & andere nützliche Utensilien im Auto zurück …
Ein Taschentuch und ein ausgetrocknetes Erfrischungstuch musste erst mal reichen – und das Bein ein paar Minuten hochlagern. Kurzfristig schwoll die Stelle zwar an, beruhigte sich jedoch bald wieder. Und so ging ich erst mal weiter …
Der GPS-track war mittlerweile hilfreich, denn die Orientierung ist tatsächlich nicht einfach: man bewegt sich immer auf ca. 1200-1300m Höhe, alles sieht ähnlich aus, viele Hügel rund herum und kaum auszumachen, welchen man eigentlich anvisieren muss. Zumal der höchste Punkt Finnland’s (ein grosser Grenzstein) von weitem gar nicht zu sehen ist, weil er hinter einer weiteren Kuppe steht …
Plötzlich sah ich einen anderen Solo-Tourengänger – und er mich auch. So wartete er, bis ich zu ihm aufgeschlossen hatte. Er hätte sich verirrt und wolle deshalb umkehren. Davon kam er auch nicht ab, als ich ihm sagte, dass ich ein GPS mit Track hätte.
Immerhin war er aber so freundlich und gab mir ein Pflaster, damit ich die Wunde besser abdecken konnte.
So ging’s weiter, mittlerweile durch zahlreiche Schneefelder, wo man teilweise knietief einsank. Selten war die Schneedecke tragend – Schneeschuhe wären hier hilfreich gewesen … Schliesslich kündeten zahlreiche kleine und grössere Steinmänner etwas Grösseres an. Tatsächlich, aber erst auf den zweiten Blick, erspähte ich den besagten Grenzstein, der höchste Punkt von Finnland: Halti, 1331m.
Sogar ein Gipfelbuchbehälter inkl. (trotzdem durchnässtem) Gipfelbuch war vorhanden. Die bereits in anderen Berichten erwähnte Durch-Nummerierung ging allerdings verloren: irgendwann bei Nr. 194‘xxx konnte jemand wohl die 4 nicht mehr lesen; daraus wurde dann flugs 199’xxx … Somit wurden also gleich mal ca. 5000 Nummern ausgelassen. Und als dann dies wohl jemand realisiert hatte, wurden gar keine Nummern mehr geschrieben … Und ob die 194’xxx überhaupt stimmte; nicht doch eher 134’xxx heissen sollte, habe ich nicht nachgeprüft.
Na ja, ist ja auch nicht wichtig – jedenfalls konnte ich etwas die Aussicht geniessen, obwohl es nach wie vor mehrheitlich stark bedeckt war. Zudem wurde es langsam frisch; es wehte ein unangenehmer Wind. Als ich bereits gehen wollte, bemerkte ich zwei Personen, welche von der finnischen Seite her aufstiegen. Ich wartete also noch etwas und begrüsste dann zwei Tschechen, welche die ca. 50 Kilometer von Kilpisjärvi in einem 3-Tage-Marsch unter die Füsse genommen hatten. Sie fragten dann noch, in welche Richtung sie ungefähr zu gehen hätten, um zum norwegischen Ausgangspunkt zu gelangen. Sie hätten kein GPS; von der finnischen Seite her war der Weg schön markiert ...
Ich hoffe mal, sie haben den Ausgangspunkt gefunden. Gesehen habe ich sie nicht mehr; trotz meinem Umweg.
Ich verabschiedete mich dann, weil ich doch noch den Nordgipfel des Halti besuchen wollte. Den Ridnitšohkka / Ritničohkka, 1317m hingegen (höchster Berg von Finnland mit ganzem Umfang) hatte ich schon längst abgehakt; zusätzliche ca. 2-3 Std. Geröll-Stolpern wollte ich mir ersparen. Wiederum durch tiefe Schneefelder und schliesslich hoch zum Ráisduattarháldi (1361m), wo u.a. auch eine Schweizer Fahne zu finden war … ;-)
Nun hiess es also „alles zurück zum Ausgangspunkt“. Dem Rentierzaun entlang zu gehen wäre das Naheliegendste gewesen. Die Schneeunterlage war jedoch derart weich und tief, dass ich andauernd unkontrolliert einsank. Deshalb querte ich und versuchte, die Strecke einigermassen abzukürzen und das Gelände auszunützen.
Es galt also, weitere Schneefelder zu durchqueren, abermals von Stein zu Stein hüpfen. Man hat das Gefühl, dass man nicht vom Fleck kommt … Irgendwann lotste mich das GPS aber zurück zum Weg, wo ich herkam. Von da an ging es etwas leichter vonstatten, zumindest mental.
Erblickt man den Guolasjávri-See und hat man den Steilhang erreicht, ist das Ende absehbar. So erreichte ich ohne weitere Probleme den Ausgangspunkt, wo sich inzwischen zwei weitere Auto’s eingefunden hatten – andere waren dafür wieder verschwunden.
Nun noch die lange Autofahrt zurück nach Tromsø, welche jedoch mit phantastischen Landschaftsstimmungen am Meer entlang entschädigte.
Zurück in fand ich dann in Tromsø ein nettes Pub, wo ich mir ein (oder zwei) Gipfelbier gönnte und den Abend gemütlich ausklingen liess.
Fazit:
den höchsten Punkt von Finnland erreicht; somit das Ziel erreicht; abgehakt. Allerdings hat die Tour insgesamt wenig Spass gemacht; es war mehr eine Tortur; ein Erdulden – und das sage ich eigentlich selten bis nie …
Die zweite Tour (Bericht folgt) sollte – gefühlt – 100x schöner werden …
Bemerkungen:
Man ist in dieser Gegend vorwiegend alleine unterwegs – ausser den beiden Tschechen am Gipfel sowie dem erwähnten Tourengänger habe ich niemanden gesehen.
Handy-Empfang ist auf der ganzen Tour Fehlanzeige – ausser am Gipfel, da konnte man tatsächlich etwas empfangen.
Dies sei nur deshalb erwähnt, falls halt etwas passieren sollte: die Chance ist sehr klein, dass man jemand um Hilfe rufen kann …
Aufgrund des eher kühleren Wetters und Wind waren wenigstens Mücken kein Thema. Ansonsten empfiehlt sich ein Mückenspray …
Angenehme Erfahrung, wie bereits letztes Jahr in Schweden: ich musste kein Bargeld organisieren; alles konnte per Kreditkarte bezahlt werden. Selbst wenn man das Bier im Pub an den Tresen bezahlen will oder das Sandwich am Kiosk: man wird eher komisch angeschaut, wenn man Bargeld hervorkramt …
Abschluss Europa-Projekt:
Wie bereits in der Anleitung angedeutet, ist damit für mich das Europa-Projekt (vorläufig) abgeschlossen.
Bevor jetzt eine Aufschrei durch die "European Summits"-Gemeinschaft geht von wegen "nicht komplett!", "nicht bestiegen!", etc.:
Natürlich bleiben ein paar Fragen ungeklärt: wer war tatsächlich auf dem höchsten Punkt in den Ländern Malta, Moldawien, Monaco, San Marino, Vatikan und Zypern? In diesen Zwergstaaten gibt es keinen markierten Landeshöhepunkt, selbiger ist unklar oder gar nicht zugänglich (Zypern). Aufgrund fehlender Vermessungspunkte muss man sich auf die Internet-community und deren Erfahrungen / Informationen verlassen …
In Monaco z.B. war ich mutmasslich der Einzige der Hikr-Community, welcher auf dem höchsten Punkt stand – zumindest wenn man den akribischen Nachforschungen von
Wolfgang Schäuble Glauben schenken will ...
Was ist mit Kosovo, Gibraltar, Jan Mayen, Jersey, Guernsey, Svalbard, Transnistrien, etc., welche gewisse Leute ebenfalls zu den European Summits zählen? Ja, Kosovo hat wohl die überzeugendsten Argumente der Vorgenannten. Denn entweder zählt man Kosovo zu Serbien und ist dann Serbien’s höchster Gipfel, oder aber Kosovo wird doch mal noch offiziell als eigenständiger Staat anerkannt. Ergo „müsste“ ich vermutlich mal noch nach Kosovo reisen …
Und ob die Landeshöhepunkte von Azerbaidjan, Armenien, Georgien und Türkei tatsächlich zu Europa gehören – darüber existieren im Netz bereits viele kontroverse Diskussionen (was ist überhaupt Europa? was zählt als Kriterium? Geographisch / politisch? etc.).
Kazakhstan wäre gar noch spezieller: der Landeshöhepunkt ist der Hantengri Feng (6995m), liegt weit in Asien und wäre wohl der anspruchsvollste aller Gipfel – der höchste Punkt des europäischen Zipfels ist hingegen eine unbedeutende Erhebung von gerade mal 259m; mitten in der Steppe …
Aber letztlich ist das alles Haarspalterei, denn für mich zählen hauptsächlich Landeshöhepunkte. Ob diese dann zu Europa gehören oder nicht, ist mir deshalb ziemlich egal …
Schon oft wurde ich gefragt, was denn nun der schönste Europäische Landeshöhepunkt war. Es liegt auf der Hand, dass man die Dufourspitze nicht mit dem Abfallhügel von Malta vergleichen kann. Landschaftlich sehr gut gefallen haben mir Griechenland, Montenegro, Slowenien, Slowakei, Norwegen, Schweden, Färöer; um nur einige Highlights zu nennen. Unvergesslich sind jedoch auch die Besteigungen des Mont Blanc & Grossglockner sowie Elbrus & Ararat.
Die abenteuerlichste Unternehmung war hingegen sicher diejenige nach Azerbaijan: vom Organisieren der notwendigen Bewilligungen über den kauzigen Bergführer, welcher weder Englisch noch Russisch verstand und auf 4000m schlapp machte bis zum wohl abgelegensten Berg, den ich je bestiegen habe – fern ab jeglicher Zivilisation …
Oder … - es haben sich genügend Geschichten angesammelt, um daraus ein Buch zu schreiben. Werde ich vermutlich auch machen, aber nur für mich selbst.
Vielleicht gesellt sich ja ab und zu noch ein weiterer Landeshöhepunkt hinzu, das wird sich dann aber künftig eher zufällig ergeben – im Stile von „wenn man schon mal da ist, könnte man doch…“ ;-)). Schaun’mer’mal …
Zum Abschluss geht noch ein Dank in Richtung
pika8x14: ich durfte wiederholt von ihren Erfahrungen und Informationen (inkl. GPS-track) profitieren, wenn sie eine bestimmte Tour vor mir absolviert hatten – Danke dafür!
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