Im Luftleeren


Publiziert von rojosuiza , 29. Mai 2019 um 20:02.

Region: Welt » Spanien » Kanarische Inseln » La Gomera
Tour Datum:23 Mai 2019
Wandern Schwierigkeit: T2 - Bergwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: E 
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Agulo
Zufahrt zum Ankunftspunkt:Mirador de Abrante

Wenn man zu einem Weltwunder kommt, von dem man gar nichts gewusst, wird einem fast luftleer im Kopf.

Wie ich zum ersten Mal nach Agulo komme, bleibt mir der Atem weg. Zwischen zwei riesigen Fels-Rippen eingeklemmt liegt auf etwa 200 Metern über Meer eine grosse Terrasse, darauf die drei Ortskerne von Agulo. Ganz weit unten peitscht die Brandung gegen die Steilküste, und neben und über Agulo gibt es einen hochragenden Steinwall.

Kurz taucht der Gedanke auf ‚wenn man hier durchklettern könnte…‘  Solche Gedanken muss man sich sogleich aus dem Kopf schlagen! Siesind unsinnig, sie führen zu nichts… Oft ist man ja in der Vorstellung zu allem möglichem imstande, in Wirklichkeit aber dann doch eher nicht… Die Flanken des Kessels sind ja irrsinnig steil. Der Mittelteil ist nicht besser – auch da gibt es fast senkrechte Stücke.
Doch die Computersuche lehrt später, dass hier ein Weg durchgehen soll.

Ein paar Tage darauf steht rojosuiza wieder unten in Agulo, an der bezeichneten Stelle. Geht hier wirklich ein Weg ab, hinauf ins obere Stockwerk? Obwohl er den Weg doch gesucht hat, ist er immer noch überrascht, jetzt, wo er ihn tatsächlich findet. Es führt hier ein regelrechter Weg hinauf, mitten durch die Steilwand.
Kraftvoll steigt er, direkt ab der Strasse. Geradewegs nach oben geht er, bis er nicht mehr weiter kann. Dann schlägt er einen Haken und quert die Wand. Darüber steigt er weiter, und wenn er nicht mehr kann, quert er erneut. So geht es Etage um Etage höher. Immer weiter fällt Agulo zurück, immer prachtvoller wird die Aussicht. Der Pfad selber ist gut zu gehen. An den Querungen muss man schwindelfrei sein – oder man darf auf jeden Fall hier nicht hinabgehen.

Einige Wasserröhren verlaufen durch die Wand. Sie geben einen Hinweis, warum der Weg hier überhaupt existiert. Er ist natürlich auch die schnellste Manier, um überhaupt ins obere Stockwerk gelangen zu können, aber oben war in früherer Zeit wenig von wirtschaftlichem Interesse, wenn man einmal von dem kleinen Tälchen über Agulo absieht. Am wichtigsten waren doch wohl die Wasserfassungen.

Auf 500 Metern erreicht man das Ende der Wand. Ist man aus ihr heraus, kommt man ans untere Ende des genannten Tälchens. Es wird heute abgeschlossen von einer Staumauer, auch hier spielt das Wasser die Hauptrolle. Weiter hinaufzusteigen hätte in früherer Zeit wenig Nutzen gehabt, da weiter oben nur noch der unfruchtbare Lössboden folgt. Gerade Lorbeerbäume wachsen dort noch. Jetzt gibt es oben aber einen Anziehungspunkt, der den müden Wanderer wieder flott machen kann. Noch ein 100 Höhenmeter hinaufgestiegen und man sieht ihn schon.

Es ist eine Cappuccino-Quelle! Sie steht ganz am Rande des Abbruches im Lössboden. Man hofft auf gute Fundamente! – Dazu gibt es einen Ausbau, der hinaus ins Leere führt. Er hat einen Glasboden, so dass man zwischen den Füssen hindurch hinunter schaut auf Agulo. Zaghaft setzen die meisten einen Fuss aufs Glas, als könne es jeden Moment brechen. Andere trauen sich dazu nicht. Die vier Kaffeetischchen schweben eigentlich auch frei über dem Abgrund – aber hier ist der Glasboden verdeckt vom einem dünnen Boden aus Holzlaminat. Keiner, der sonst hier geruhsam seinen Kaffee schlürfen wollte…

Geruhsam seinen Kaffee schlürfen, ganz und gar im Luftleeren.

Tourengänger: rojosuiza


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