Der Glockenbuckel: Eine eiszeitliche Düne am Oberrhein


Publiziert von Nik Brückner , 22. August 2018 um 11:37. Text und Fotos von den Tourengängern

Region: Welt » Terra Incognita
Tour Datum:19 August 2018
Wandern Schwierigkeit: T1 - Wandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: D 
Zeitbedarf: 1:15
Aufstieg: 30 m
Abstieg: 30 m
Strecke:5km

Bike-and-Hike-Tour zu einer Sanddüne bei Viernheim - und in die Eiszeit.

Wos! Dünen! Im Oberrheintal?!?

Yep! Während der letzten Eiszeit (von ca. 8.000 bis 6.000 v. Chr.) haben sich im Rheintal durch Flugsande tatsächlich Binnendünen gebildet: Der Rhein und seine vielen Seitenarme durchdrangen auf einer Breite von ca. 10 Kilometern nahezu die gesamte Region und wühlte dabei Sand und Kies auf. Diese Sand- und Schotterflächen fielen im Sommer trocken. Westliche Winde wirbelten feinkörnige Partikel aus diesen Flächen auf, und lagerten sie im Osten des Rheintals in Form von Binnendünen wieder ab. Das durch sie geprägte Gebiet erstreckte sich einst von der Gegend um das heutige Karlsruhe bis hinauf in die Gegend um das heutige Mainz.

Damals war diese Landschaft eine Art Steppe, und es wanderten Pflanzen aus dem Mittelmeerraum wie auch aus den Steppengebieten im Osten ein. Später setzte nach und nach die Bewaldung ein: Die Sanddünen wurden zwischenzeitlich wohl komplett überwaldet, offene Sandflächen entstanden erst wieder nach den verschiedenen Rodungsphasen/Nutzungsversuchen im Mittelalter.

Man hat verschiedentlich versucht, die Sandgebiete landwirtschaftlich zu nutzen: Weinbau funktionierte nicht recht, Tabak und Spargel dagegen wachsen heute noch in der Umgebung der Dünen. Die größten Flächen aber bilden heute Kiefernwälder, die Ende des 18. Jahrhunderts gepflanzt wurden.

Über die Jahrtausende hinweg hat die Dünenlandschaft am Rhein ihren Charakter mehrfach gewandelt. Heute ist nur noch an wenigen Stellen ihr ursprünglicher Charakter bewahrt. An diesen Stellen konnte sich die typische Steppenvegetation erhalten oder wieder einstellen, heute gilt sie als botanische Rarität. Gleiches gilt für die entsprechende Fauna.


2016 waren die Waldelfe und ich durch die Dünenlandschaft zwischen Oftersheim und Sandhausen gewandert. Nun sollte es zum Glockenbuckel bei Viernheim gehen, einer weiteren der wenigen Dünen, die nicht in weiten Kiefernwäldern verschwunden sind, sondern frei liegen, und so ihren ganz eigenen landschaftlichen Charakter entfalten können.

Der Glockenbuckel ist ein Teil jenes eiszeitlichen Flugsand-Dünengürtels, der von Karlruhe bis Mainz reicht. Er liegt zwischen Viernheim und dem Mannheimer Ballungsgebiet inmitten weiter Kiefernwälder. Die Landschaft wurde zwischen 1945 und 1994 von US-Streitkräften entbaumt und als Panzerübungsplatz genutzt. Durch die Freilegung kamen die ursprünglichen Sandböden wieder ans Licht, und es entstanden besondere Bodenverhältnisse und Klimabedingungen: Die offenen, sandigen  Böden erodieren leicht, Wasser versickert schnell, und sie enthalten dementsprechend nur wenige Nährstoffe. Winde fördern eine schnelle Austrocknung, zudem überwehen sie die Flächen immer wieder mit Sand. Die Temperaturen wechseln rasch, direkte Sonneneinstrahlung kann den Boden auf über 60° C aufheizen. Kurzum: ein Lebensraum für speziell angepasste Pflanzen und Tiere.

Darunter sind viele seltene und vom Aussterben bedrohte Arten: Besonders ist hier vor allem das großflächige Auftreten von Silbergras- und Blauschillergrasfluren, die wiederum Lebensraum von zahlreicher seltener und z. T. hochgradig gefährdeter Tierarten sind: Das Gebiet beherbergt z. B. Wildbienen, Hummeln und andere Kleintiere, die in den warmen Sandböden nisten. Fachleute haben hier in den vergangenen Jahren 156 Bienen- und Wespenarten, über 500 Käferarten und 190 Spinnenarten nachgewiesen. Insbesondere für die Italienische Schönschrecke, die Wespenspinne und die vom Aussterben bedrohte Grüne Strandschrecke ist der Glockenbuckel ein wichtiger Lebensraum. Und wegen der Vielzahl von Insekten finden Wendehals, Heidelerche, Neuntöter und viele andere Vogelarten hier Nahrung. Und auch der in Hessen stark gefährdeten Kreuzkröte kann man hier begegnen.

Diese Tier- und Pflanzenarten machen den Glockenbuckel zu einem der bedeutendsten Sandtrockengebiete Hessens. Daher hat das Regierungspräsidium Darmstadt 1998 ein 46 Hektar umfassendes Gebiet unter dem Namen "Glockenbuckel von Viernheim" unter Naturschutz gestellt, auch um z. B. den Abbau von Dünensand als Baumaterial zu verhindern.

Um das Biotop zu erhalten, wird die Landschaft heute regelmäßig in Zusammenarbeit von Naturschützern (BUND und NABU) und dem Forstamt Lampertheim offen gehalten. Damit die Sandrasenflächen nicht verbuschen, zieht mindestens einmal im Jahr eine große Schaf- und Ziegenherde dort durch die Viernheimer Heide, und auch Esel bewahren das Schutzgebiet vor dem Zuwachsen.

Für alle, die noch mehr wissen wollen, gibt es hier einen Flyer vom Regierungspräsidium Darmstadt.



Die Waldelfe und ich schwangen uns also sonntags auf unsere Bikes und biketen, eingestimmt durch das klassische Album von Dün, durch den Käfertaler Wald hinüber zum Naturschutzgebiet. Dort richteten wir ein Bikedepot ein, und drehten eine Runde zwischen Italienischer Schönschrecke und Kreuzkröte. Oder genauer gesagt drehten wir, konsequent dem Wendehals folgend, drei Runden, denn zunächst wollten wir die freiliegende Landschaft des Naturschutzgebiets erkunden, um dann dem Dünenverlauf noch ein Stück gen Norden zu folgen, wo die flachen Hügel in den weiten Kiefernwäldern verschwinden. Tatsächlich lassen sich die Dünen auch hier gut verfolgen, reizvoller ist aber die offene Landschaft direkt am Glockenbuckel, mit ihrem kargen, wüstenartigen Charakter.

Durch das Naturschutzgebiet führen teils infobetafelte Wege, die sich zu verschiedenen Runden kombinieren lassen. Verlassen sollte man sie allerdings nicht.

Den Glockenbuckel selbst haben wir natürlich auch bestiegen, immerhin ist er der höchste Punkt Viernheims! Beeindruckende 110 Meter reckt er seinen Gipfel in den Himmel, damit überragt er die umliegende Landschaft um mehr als zwölf Meter! Schreibe und sage. Allerdings liegt er unter Kiefern verborgen (gemeint sind die Bäume), so dass man vom Gipfel aus nicht die ansonsten sicherlich nennenswerte Aussicht hat.


Fazit:

Eine schöne Runde, und eine sehr interessante dazu! Und mehr als nur ein Nachklapp zu unserer Dünentour von 2016. Und wer noch mehr Dünen erwandern möchte, besucht natürlich noch die Wanderdünen des Dossenwalds.

Tourengänger: Nik Brückner, Waldelfe


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