Kaňkov a Bořeň (Ganghof und Borschen)


Publiziert von lainari , 11. Dezember 2016 um 17:21.

Region: Welt » Tschechien » České středohoří
Tour Datum:10 Dezember 2016
Wandern Schwierigkeit: T3 - anspruchsvolles Bergwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: CZ 
Zeitbedarf: 5:15
Aufstieg: 700 m
Abstieg: 700 m
Strecke:15,5 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Auto oder Zug der ČD bis Želenice nad Bílinou, Bílina - Kyselka oder Bílina
Kartennummer:1:50.000, KČT Nr. 10 České středohoří západ

Kontrastreiches Bergwandern
 
Der Sonnabend begann vom Wetter her recht vielversprechend. Zu dieser Jahreszeit zeigt sich der tatsächliche Wettercharakter jedoch nicht allzu früh am Tag, so dass ich entgegen meiner Gewohnheit erst spät am Ausgangspunkt meiner Tour im linkselbischen České středohoří (Böhmisches Mittelgebirge) eintraf. Schon auf dem Weg bemerkte ich ein Auftauchen der roten Wanderwegmarkierung an einer Stelle, wo sie meine Karte nicht vorsah - am Straßenrand. Ich parkte in Želenice nad Bílinou (Sellnitz a. d. Biela) hinter der Kirche. Von hier aus lief ich an der Straße bergwärts aus dem Ort heraus. Da ich keine Lust hatte am Straßenrand bis Braňany (Prohn) hinaufzugehen, suchten meine Augen nach Alternativen und fanden sie in Form eines bergführenden Flurweges hinter dem letzten Haus. Dieser führte durch Weideland hinauf. Auf der Höhe angekommen, hielt ich relativ strikt von Süden auf den Fuß des Kaňkov zu. Hinter einem Waldstreifen folgte ein steiler, schuttiger und eichenverbuschter Anstieg über die Südflanke, hilfreich erwiesen sich dabei einmal mehr Wildpfade. Der Schutt am Berghang bestand aus flachen scharfkantigen Steinen und war sehr unangenehm zu begehen. Neben einem Felssporn war plattiger, moderat geneigter Fels aufzufinden, was den Aufstieg erleichterte (T3-Passage). So erreichte ich etwa 30 m neben dem Gipfel die Kammlinie des Kaňkov (Schäferberg/Ganghof(er Berg)/Schauferberg). Ab dem Gipfel lief ich entlang der roten Zugangsmarkierung hinunter zum Wanderweg und auf ihm in die Ortslage Kaňkov - obec (Ganghof). Ab hier nutzte der Weg eine Weile den Straßenrand bevor er rechts in den Wald abschwenkte. In einem unübersichtlichen Zickzack, der wahrscheinlich auf das alte Kurwegenetz zurückging, kam ich hinunter nach Lázně Bílinská Kyselka (Bilin - Bad Sauerbrunn). Entlang der Bahnstrecke wanderte ich geleitet von der roten Markierung weiter Richtung Stadt. Über eine Brücke wurde im Verlauf die Seite gewechselt und vorbei an einem Einkaufspark kam ich zum Bahnhof. Die obligatorische Rundumschau auf dem Bahnhofsgelände zeigte den leicht abgenutzten Charme einer postsozialistischen Industriestadt. Wie meist wenn ich günstig stehe, herrschte auf den Gleisen Friedhofsruhe. Einzig ein RegioPanter nach Most und eine SD-KD-Diesellok, die einen beladenen Kohle-Halbzug aus dem Anschluss des Tagebaus Bílina brachte, belebten die Szenerie. Ich beschloss daher weiterzugehen und durchquerte den beheizten Wartesaal, der noch eine bediente Fahrkartenausgabe hatte. Solche Serviceeinrichtungen sucht man in Deutschland heutzutage meist vergebens. Als ich gerade in der Stadt eingetaucht war, brummte auf der dreigleisigen Magistrale der Verkehr. Eine grüne Wanderwegmarkierung leitete mich nun über die Altstadt von Bílina (Bilin) an den Stadtrand.
 
Dort ging es zunächst leicht steigend über Wiesenflächen weiter. Herrlich besonnt, legte ich zunächst eine Rast ein, bevor ich den Berg Bořeň (Borschen) am östlichen Fuß umrundete. Dann begab ich mich über den Gipfelzugang auf den Berg hinauf. Während der gesamten Aufenthaltszeit war die Sonne leider von Wolken verschleiert. Da es zudem etwas zugig war, gönnte ich mir nur eine kleine Gipfelrast. Bezüglich einer umfassenden Beschreibung des Berges verweise ich auf diesen Bericht von pika8x14. Wieder zur Verzweigung abgestiegen, schloss sich der Weg hinunter über die westliche Bergflanke an. Dabei passierte ich die Chata pod Bořní (Borschenhaus). Der Weg zog sich dann eine Weile relativ eben dahin, bevor ein letzter Abstieg folgte. An einem villenähnlichen, gut gesicherten Anwesen huschte eine junge Frau in leichtem Strickjäckchen und Hotpants über den Hof. Entweder hatte der Herr des Hauses noch keinen Winterbefehl ausgegeben oder dies war ihre Arbeitskleidung…
Nach der Unterquerung der Hauptstraße kam ich erneut zu den Anlagen von Lázně Bílinská Kyselka. Offenbar gab es an der Bahnstrecke eine Störung. Der Bahnübergang blieb ewig geschlossen und wartenden Fahrgästen wurde eine Bahnsteigänderung durchgesagt. Diese nahmen mehrheitlich den Weg über die Schienen statt durch die vorhandene Unterführung. Der eingetroffene Personenzug in Form eines RegioPanters hupte mehrfach und rollte nach dem Fahrgastwechsel im Schritttempo über den Bahnübergang. Kaum war ich im Wald verschwunden, rollte ein CZ-Loko-Diesellokduo mit einem schweren Kesselzug ebenfalls im Schritttempo vorbei. Das hätte noch ein gutes Bild abgegeben…
Über die Reste des Kurwegnetzes lief ich unmarkiert zunächst parallel zur Tallage durch den Wald leicht steigend bergan. An zwei kreuzenden Gräben fehlten die ursprünglich vorhandenen Brücken. An einem weiteren Graben wurde der nunmehrige Pfad talwärts gelenkt, so dass ich weglos auf den höchsten Punkt zuhielt. Dort erreichte ich eine Feldkante. Ich umrundete dieses und ein weiteres Feld und traf bergwärts auf einen Flurweg. Nach links aufgebogen, traversierte ich das Gelände aussichtsreich. Dabei passierte ich einen Landwirtschaftsbetrieb. Der lehmige nur oberflächlich angetaute Boden war schwierig zu begehen, die Absätze unter den Schuhen wurden bei jedem Schritt größer. Auf einer Betonstraße verließ ich das Areal, welches zum Ort hin ein Rolltor mit Zutrittsverbotstafel aufwies, das aber nach seinem Zustand zu urteilen in den letzten fünfundzwanzig Jahren nicht mehr bewegt wurde. So kam ich nach Želenice nad Bílinou zurück.
 
Die pausenbereinigte Gehzeit betrug 5 h 15 min.
Der absolvierte Kaňkov-Südanstieg ist teilweise weglos und unmarkiert (T3).
Die Bergzugänge sind im Übrigen mit T2 zu bewerten, die restliche Strecke mit T1.

Tourengänger: lainari


Minimap
0Km
Klicke um zu zeichnen. Klicke auf den letzten Punkt um das Zeichnen zu beenden

Galerie


In einem neuen Fenster öffnen · Im gleichen Fenster öffnen


Kommentare (7)


Kommentar hinzufügen

pika8x14 hat gesagt:
Gesendet am 11. Dezember 2016 um 22:43
… da haben wir uns ja nur um einen Tag verpasst:

Wir sind heute auch mal wieder auf den Bořeň gedackelt. Der ist nämlich (nach der Milešovka) die Nummer 2 auf unserer "Lieblings-Winter-Berg-Liste". In der Regel liegt hier ja viel seltener Schnee als bei uns zu Hause im Erzgebirge - was unserem kurzbeinigen Begleiter zu Gute kommt ;-).

Viele Grüße, Andrea + André.

PS1: Auf unserer historischen Karte ist der Ort Kaňkov als Ganghof, der Berg allerdings als Schauferberg bezeichnet (wie auch an einigen Stellen im Netz). Hast Du eine Karte o. ä., in der für den Berg auch Ganghof eingetragen ist?

PS2: Uns tröstet unheimlich, dass wir nicht die Einzigen sind, die vor/während/nach der Tour noch den aktuellen oder vergangenen Bahnbetrieb "erforschen" ;-). Das kann mitunter ja ein stundenfüllendes Programm werden - wie zuletzt *beispielsweise in Bulgarien

lainari hat gesagt: RE: Bořeň und PS2
Gesendet am 12. Dezember 2016 um 18:03
Ich treffe ja unterwegs immer viele Leute mit Hunden und halte stets gespannt Ausschau nach einem "kurzbeinigen Windhund mit rotem Abseilgeschirr" ;-)
Respekt, da seid Ihr ja recht eisern, denn gestern war nach meiner Wahrnehmung ein rechtes Hudel-Wetter!

zu PS2: Ich bemühe mich nach Kräften das Angenehme mit dem Nützlichen zu verbinden wie man so schön sagt, manchmal drängt sich gar eine Mitfahrt auf...
Wenn die Tour doch etwas länger ist, muss ich manchmal aufpassen, nicht allzu sehr intensiv zu erforschen...
In Tschechien fasziniert mich, wie man eine Bahn auch unter schwierigen Bedingungen für Güterkunden und Fahrgäste zufriedenstellend betreiben kann, während zuhause bei einer dunklen Wolke am Himmel oder einer Schneeflocke hochkant eine ganztägige Betriebseinstellung droht. Von den Segnungen der Pseudo-Privatbahnen im ÖPNV mal ganz zu schweigen. Bei den Tschechen wird mobilisiert, informiert und improvisiert - vielleicht auch weil eben noch örtliches Personal vorhanden ist.

VG Holger

pika8x14 hat gesagt: RE: Bořeň und PS2
Gesendet am 13. Dezember 2016 um 00:20
… einen sachdienlichen Hinweis bei der Suche nach dem Windhund hätten wir noch: Er war unlängst beim Friseur, wiegt dadurch geschätzt 3 kg weniger (gut im Tragetaschen-Modus) und sieht nun komplett anders aus. Ok, die Beine sind immer noch kurz.

"Bahnmäßig" Zustimmung, aber: Der Verkehr auf "unserer" Strecke (ca. km 24 - 54 NM) - funktioniert (fast) immer, sogar bei zwei Flocken. Das liegt vielleicht auch am ständig präsenten Schneepflug für die gut 30 km …;-).

Und: Da beruflich bedingt vielerorts quasi ganztätig von Bahnanlagen/-fahrzeugen/-baustellen umgeben, schaut man sich eben auch in der Freizeit gern mal Ähnliches an. Nebenbei ist das "Auf-irgendwelche-Züge-Warten" u. E. eine gute Ausgleichs-Sportart (sozusagen die ideale Ergänzung) zum Wandern und Bergsteigen ;-).

Viele Grüße, Andrea + André.

lainari hat gesagt: RE:
Gesendet am 13. Dezember 2016 um 17:53
FEG/RIS sind ja auch ein positives Beispiel, wie man es besser wie die Anderen machen kann!
Negative Schlagzeilen gibt es da allenfalls wegen immer mal wiederkehrenden Einstellungs-/Spargerüchten seitens des Bestellers :-(

lainari hat gesagt: RE: Und hier noch PS1
Gesendet am 12. Dezember 2016 um 18:13
Mit Karten kann ich leider nicht dienen, aber zum Kaňkov fand ich unter anderem folgende deutschsprachige Namensherleitungen/Literaturquellen (manche alte Buchtitel sind schon eine Wucht für sich und ich habe gekürzt nur das für Verständnis und Suche Nötigste verwendet):

H. G. N. Troschel „…Nothwendige Nachricht Von dem Wahrhaften Böhmischen Bitter=Wasser…“ 1761 dort: „… Schäferberg über dem so genannten Ganghof…“,

H. G. N. Troschel „…Erforderliche Nachrichten von dem Biliner Sauer=Brunnen…“ 1762, dort Namenswechsel, wird zitiert von:

J. F. Zückert „Systematische Beschreibung aller Gesundbrunnen und Bäder Deutschlands“ 1768 dort: „…der Schäferberg genennet wird, und dem Troschel, zum Unterschied des andern Schäferberges lieber den Namen des Ganghofer Berges giebt…“,

„Vaterländische Blätter für den österreichischen Kaiserstaat Nr. XVIII. 08. July 1808“ dort: „…hebt der Ganghof über Bilin sein Haupt…“,

Dr. Bischoff „Reise durch die Königreiche Sachsen und Böhmen 1822 und 1823“ dort: „… Ganghof…“,

Dr. A. Reuss (fotografiertes Denkmal in Bad Sauerbrunn) „…Geognostische Skizzen aus Böhmen… Die Umgebungen von Teplitz und Bilin…“ 1840 dort: „… Ganghof…“,

Dr. E. Röber „Die Heilquellen Deutschlands…“ 1845 dort: „… Ganghof…“,

J. Roth „Die Gesteins-Analysen“ 1861 dort: „… Ganghof…“,

Prof. Dr. Kořista, Prof. Krejčí „Archiv für die naturwissenschaftliche Landesdurchforschung von Böhmen…“ 1869 dort allerdings: „…Schaufer-Berg, Anhöhe 520 Klafter nördlich von Sellnitz…“

F. Katzer „Geologie von Böhmen“ 1892 dort: „…Schauferberg…“.

Was man über so einen kleinen unbekannten Höger alles so schreiben kann…
Ich habe mich schlussendlich an der tschechischen Namensgleichheit Ort-Berg orientiert.
PS: Man hat mich auch mal Suchagent getauft ;-)

pika8x14 hat gesagt: RE: Und hier noch PS1
Gesendet am 13. Dezember 2016 um 00:06
Hallo "Suchagent",

da hast Du ja interessante Quellen aufgetan.

Wir haben uns seinerzeit an die historische Karte gehalten, da "Schauferberg" auch im Wikipedia-Artikel zu Břežánky erwähnt wird.

Unsere Lieblingsseite für alternative Berg-Namen "Oronyma Českého středohoří" hat sicherlich die meisten Varianten auf Lager - Zitat:

"▲Kaňkov (436 m) – MO (ČSa) 5448 – 6 km V od MO (vrch mezi ob. Kaňkov a Braňany, S od Želenice) (A-MK1981, HN, HPN, JM, J-MK1, J-MK7, NI, OM, OT, TŠM, VHM 02-34, www.mapy.cz).

Syn.: +Gangelhofer Berg, +Ganghofer berg, +Ganghofer Berg, +Ganghofe-Berg, +Ganghofer Plateaus, +Ganghöfer berg, +Ganghofner Berg, +Ganghofner bergkamm, +Ganglhofer Berg, +Ganhoferberg, +Ganhofer Berg, +Meierei, +Ovčín, +Ovčí vrch, +Pastýřský vrch, +Schaferberg, +Schäferberg, +Schafer Berg, +Schafferberg, +Schaffer Berg, +Schaufer, +Schaufer B., +Schaufer berg, +Schaufer Berg, +Schaufer-Berg, +vrch Kaňkovský, +vrch Ovčí, +Wilheminenhöhe."

Übrigens nicht zu verwechseln mit der unscheinbaren Kuppe östlich des Ortes Kaňkov, wo namensmäßig aber alles klar ist;-) - Zitat:

"▲Kaňkovský vrch (381 m) – MO (ČSa) 5448 – 7,3 km VSV od MO (na hranici okr. TP, mezi Kaňkovem a Bílinou-Kyselkou, SV od Želenic a S od Liběšic (www.mapy.cz)."

Unterm Strich gäbe es für den Kaňkov also einige Möglichkeiten, mal eine richtig lange Bezeichnung für den HIKR-Wegpunkt zu kreieren ;-).

lainari hat gesagt: RE:
Gesendet am 13. Dezember 2016 um 17:45
Danke für das Näherbringen der mir unbekannten Seite, hab sie gleich unter "wertvolle Links" gespeichert!

Und wenn ich jetzt noch zu jedem dort genannten Namen eine Primärquelle suche, komm ich nicht mehr zum Wandern...;-)


Kommentar hinzufügen»