Hvannadalshnúkur, 2110m


Publiziert von Linard03 , 8. Juni 2016 um 05:28.

Region: Welt » Island
Tour Datum:25 Mai 2016
Hochtouren Schwierigkeit: WS-
Wegpunkte:
Geo-Tags: IS 
Zeitbedarf: 9:30
Aufstieg: 2015 m
Abstieg: 2015 m
Strecke:Sandfell - Hvannadalshnúkur - Sandfell
Zufahrt zum Ausgangspunkt:per PW von Skaftafell nach Sandfell - kleiner Parkplatz
Unterkunftmöglichkeiten:Skaftafell campground, Hotel Skaftafell oder Fosshotel Nupar (ca. 30 Min. von Skaftafell)

1991, also vor genau 25 Jahren, war ich schon einmal in Island. Wir haben damals eine 2-wöchige, organisierte Rundreise gemacht und dabei viel gesehen und Interessantes gelernt. Tourismus war noch eher auf Sparflamme, die Touristen-Monate beschränkten sich auf Juli und August; Unterkünfte gab es ausserhalb Reykjavik kaum.
Um die Touristen trotzdem rund um die Insel zu bringen, ohne zu hungern und auch ein Dach über dem Kopf zu haben, hatten die Isländer mangels Alternativen eine sehr vernünftige Lösung: man funktionierte bestehende Schulen und Internate in den Ferienmonaten zu Hotel-Unterkünften um; die Mensa wurde zur Hotelküche und die Schülerzimmer wurden zu Hotelzimmer. Auf diese Weise wurden die Schulen das ganze Jahr über optimal genutzt.
 
Heute scheint alles etwas anders zu sein; Hotels bzw. Guest Houses gibt es vielerorts, auch wenn beim Namen „Hotel“ nicht unbedingt das geboten wird, was wir vielleicht erwarten würden …
 
Jedenfalls stand ich bereits vor 25 Jahren am Fusse des gewaltigen Gletschers, dachte jedoch nicht im Traum daran, auf diesem Gletscher herumzukraxeln …
Nun denn, die Zeit war reif um nach Island zurückzukehren, um nichts weniger als den höchsten Isländer zu besteigen. Da kein Familienurlaub geplant war, fokussierte ich mich ganz auf die Besteigung und überliess das Sightseeing anderen …
 
Anreise
Den Direktflug von Zürich nach Reykjavik mit der Icelandair ergatterte ich bereits ein halbes Jahr zuvor zu einem Schnäppchenpreis. Als Vielflieger war es dann aber auch für mich etwas ungewohnt, dass bei einem knapp 4-stündigen Flug nichts serviert wurde, ausser Getränken wie Wasser, O-Saft, etc. Also nicht mal Klein-Snacks wie Nüssli oder so … Man durfte jedoch Sandwiches, etc. kaufen … Nun ja, war alles halb so schlimm; zum einen hatte ich schon Snacks dabei und andererseits verging der Flug mit Movie-schauen schnell vorbei.
 
Beim Anflug war davon noch nicht viel zu spüren, aber beim Verlassen des Flughafengebäudes Kevlavik haute es einem fast um; der Wind blies mit ca. 50-60 kmh. Prompt musste ich einer älteren Person auf die Beine helfen, nachdem sie vom Wind umgeblasen wurde. Markus war bereits in der Skaftafell-Region und seine Mitteilung, dass es dort ziemlich windstill war, beruhigte einigermassen.
 
Mit unserem Bergführer hatten wir vereinbart, dass wir die Besteigung entweder Mittwoch, Donnerstag oder Freitag in Angriff nehmen wollen – wir hatten also ein Zeitfenster von 3 Tagen. Lange sah es gemäss Prognosen sehr gut aus. Innerhalb von 24 Std. änderte sich das Bild jedoch radikal und plötzlich sah es an keinem der 3 Tage gut aus … - was tun? Für Mittwoch-Morgen könnte das Wetter noch halbwegs halten – oder könnte es allenfalls am Freitag wieder etwas aufklaren?
 
Wir mussten uns um 17.00 Uhr entscheiden, also ziemlich genau bei meiner Abfahrt von Reykjavik. Markus war (wie ich später hörte) schon etwas nervös; ich überliess dann ihm die Entscheidung, da er mit dem Bergführer vor Ort sicher bessere Entscheidungshilfen hatte. Der Bergführer meinte, sie hätten bereits Touren für Donnerstag & Freitag abgesagt, weshalb er auch für Mittwoch wäre.
 
Das hiess dann für mich etwas Stress: mind. 4 Std. Autofahrt, unterwegs Getränke für die Tour kaufen und irgendwann mal etwas essen …
 
Also nix wie los, die Orientierung ist relativ einfach auf Islands Strassen, zumindest wenn man lediglich der Ringstrasse zu folgen hat. Das Wetter war (ausser dem starken Wind) noch ganz passabel. In Selfoss tätigte ich einen Schnell-Einkauf im Supermarkt, etwas Sightseeing musste dann später doch noch sein: ein kurzer Stopp beim Seljalandfoss und natürlich auch beim obligaten Skogarfoss, welcher mich genauso fasziniert hat wie bereits vor 25 Jahren …
 
Da dieser Wasserfall ein grosses Touristenmagnet ist, gibt es glücklicherweise auch Infrastruktur wie Restaurants, etc. So kam ich um ca. 19.30 Uhr doch noch zu einem leckeren Nachtessen. Aber noch standen weitere ca. 1 ½ Std. Fahrt an, weshalb ich bald weiter fuhr. Mittlerweile war ich auf den verwaisten Strassen so ziemlich alleine unterwegs.
 
Um ca. 22.15 Uhr kam ich endlich am vorläufigen Ziel an, unserem Fosshotel Nupar. Ein ziemlich teurer Schuppen für das, was letztlich geboten wird: von aussen sieht es aus wie aneinandergereihte Baucontainer; die Zimmer sind spartanisch eingerichtet und spärlich isoliert – die Heizung war deshalb willkommen. Das Personal war jedoch äusserst freundlich und das Restaurant bot sehr gutes Essen.
 
Tja, auspacken – neu organisieren bzw. Rucksack packen; Lichterlöschen um Mitternacht.
 
Besteigung
 
2 ½ Std. Schlaf würde ich jetzt nicht gerade als üppig bezeichnen; jedenfalls war bereits um 2.30 Uhr Tagwache, um 3 Uhr Abfahrt nach Skaftafell (ca. 35 Min.). Im Bergführerbüro brannte zwar Licht, es war jedoch niemand zu sehen. Nach einer gewissen Wartezeit tauchte dann Jonni, unser Bergführer, auf.
 
Wir fassten Steigeisen, Pickel und Gurt und fuhren dann zum Ausgangspunkt, Parkplatz Sandfell. Um 04.25 Uhr zogen wir endgültig los. Zunächst auf gutem Wanderweg, schnell aber ca. 200Hm ziemlich steil; „die steilsten für lange Zeit“, wie wir hören. Etwas mühsam war diese Passage, weil der Aufstieg auf feinem, rutschigen Geröll erfolgte.
Jedenfalls war so der Motor schnell warm geworden und wir stiegen zügig bergan – ev. würde ja das Wetter halten bis zum Gipfel … (Wunschtraum …). Auf 1100m wurde angeseilt. Gletscherspalten würden zwar erst ab ca. 1600m erwartet, aber sicher ist sicher; auf 1100m seilen allen an …
 
Etwas eigenartig das Anzählen der Höhenmeter: ab 1300m wurde alle 100Hm für ca. 2 Min. angehalten; „1400m“, „1500m“, etc. … Nun ja, der Nebel hatte uns längst eingeholt und Fotopausen wurden gänzlich überflüssig. Neckisch waren lediglich die kurzen, „blauen Störungen“, welche jeweils für ein paar Sekunden anhielten.
 
Bei 1800m wird die riesige Ebene erreicht, das wissen wir zumindest vom Hörensagen … Jedenfalls erschien uns die Ebene im Nebel als endlos; man ist orientierungslos. Irgendwann erreichten wir den Fuss des Eisdoms. Steigeisen anschnallen, jetzt kamen die Schlüsselstellen. Falls man Glückspilz ist und gute Sicht hat, dürften die Schlüsselstellen nicht wirklich schwierig sein. Ganz anders jedoch im Nebel: man muss sich alles ertasten …
 
Dann, für ca. 3-5 Sekunden, DAS Highlight: blauer Himmel und blaue Eisberge; ein Wahnsinnsbild! Aber eben, leider nur für wenige Sekunden und zudem an heikler Traverse, sodass keine Zeit blieb, den Fotoapparat zu zücken. Die letzten Höhenmeter, dann standen wir ziemlich genau 6 Std. nach dem Start auf dem Gipfel des Hvannadalshnúkur, 2110m.
 
Die Jubelschreie blieben aus, der nun aufkommende Wind und der Nebel liessen uns sogleich wieder umkehren. Normalerweise würde ich als Seil-Letzter jetzt die Führung übernehmen – jedoch chancenlos: zum einen verklebten mir die Eiskristalle die Sonnenbrille, zum andern war da einfach Null Sicht. Nachdem ich die ersten 100m sinnlos umhergetappt bin, hatte der Bergführer ein Einsehen und übernahm wieder die Führung; mittels GPS.
 
Aber selbst mit dem GPS verlief sich Jonni um einige Meter, sodass er plötzlich meinte „scary crevasse!“ Also umkehren, bis wir wieder auf dem richtigen Weg waren. Die Steigeisen liessen wir an den Füssen und überquerten abermals die endlose Ebene. Der Wind peitschte gnadenlos ins Gesicht; die Brille musste ständig gereinigt werden. Pausen fielen gänzlich aus, wir wollten so schnell als möglich runter.
 
In tieferen Lagen wurden wir auch noch ziemlich verregnet, sodass wir pudelnass um ca. 14 Uhr den Parkplatz wieder erreichten. Schnell ins Hotel zurück, duschen und erst mal eine Runde pennen; schliesslich war ich jetzt mit der langen Anreise und Besteigung schon mehr 24 Std. auf den Beinen (ok, 2 ½ Std. Schlaf dazwischen …).
 
Am Abend gab’s dann endlich das verdiente Gipfelbier und ein sehr leckeres Abendessen.
 
Sightseeing
 
Anderntags unternahmen wir zu viert etwas Sightseeing und fuhren zunächst zum Skaftafell Nationalpark. Im Nieselregen spazierten wird zum Svartifoss, einem weiteren schönen Wasserfall – auch bekannt durch seine Basaltsäulen. Weiter ging’s Richtung Osten, wo wir den grössten Gletschersee Islands bestaunten (Jökulsarlón). Das Wetter war heute insgesamt ganz passabel, jedoch blies ein stürmischer Wind, welcher einem beinahe umhaute (da staune ich echt über einzelne Velofahrer, welche gegen den Wind ankämpfen und kaum ein paar Meter vorwärts kommen …).
Wir fuhren wieder zurück, genossen in Kirjubaejarklaustur ein Sprudelbad und liessen uns im einzigen Restaurant des Ortes mit einem feinen Nachtessen verwöhnen.
 
Am Freitag trennten sich unsere Wege wieder: während Markus mit seinen zwei Kollegen noch den nördlichen Teil Reykjavik’s erkunden wollten, plante ich, nochmals ein paar Orte zu besuchen, welche ich vor 25 Jahren schon mal gesehen hatte.
 
Den Anfang machte Dyrholaey, der schroffe Küstenabschnitt mit dem schwarzen Sandstrand. Lange hielt ich mich da nicht auf, denn auch heute blies ein starker bis stürmischer Wind, dazu kam Nieselregen … Als Nächstes fuhr ich Richtung Norden, vorbei an Flúðir bis hoch zum Gullfoss, ein gewaltiger Wasserfall und grosses Touristenmagnet zugleich. Nur wenige Minuten entfernt befindet sich der nicht minder bekannte Geysir, bzw. diverse Geysire.
Obwohl es einem auch hier der Regen waagrecht ins Gesicht blies, hielten sich hier erstaunlich viele Touristen auf. Ich möchte nicht wissen, wie es hier zur Hochsaison bei schönem Wetter aussieht …
 
Ich hatte für heute genug gesehen; zu schlecht war das Wetter, um auch noch Þingvellir einen Besuch abzustatten (obwohl ich diese Stätte als etwas vom Interessantesten in Erinnerung hatte). Es ging nun also wieder nach Süden, wo ich kurz vor Selfoss wieder auf die Hauptstrasse einbog.
Ein Abstecher auf einen Reithof musste ebenfalls sein. Ich sah gerade eine grössere Gruppe von einem Ausritt zurückkehren; Begeisterung sieht aber definitiv anders aus … Ok, es gibt bestimmt schönere Ausritte, als wenn einem der stürmische Wind pausenlos Regen ins Gesicht peitscht …
 
Inzwischen nahm der Wind orkanartige Ausmasse an; ich konnte den Wagen kaum auf der Strasse halten – ich habe noch selten sowas erlebt … Schliesslich erreichte ich Reykjavik, wo ich noch eine kleine Runde drehte und bei der Hallgrímskirkja hielt. Eine grosse, unübersehbarer Kirche; sie gilt als eines der Wahrzeichen von Reykjavik. Danach fuhr ich endgültig nach Kevlavik, in dessen Nähe ich eine Jugendherberge bezog für eine kurze Nacht.
Zeit hatte ich zwar noch genügend, jedoch liess ich den ursprünglichen Plan, auch noch in die Blaue Lagune zu springen, wieder fallen. Bei diesem stürmischen, garstigen Wetter hatte ich keinen Bock mehr (wäre lediglich 20 Min. entfernt gewesen).
 
Sehr früh ging’s dann am nächsten Morgen wieder zum nahen Flughafen, wo ich dann mit einiger Verspätung nach Zürich abhob.
 
Tour mit Markus
 
Fazit:
Bei schönem Wetter kann’s jeder! Wir machten es auf die harte Tour … ;-).
Jedenfalls war’s eine aussergewöhnliche Tour, zu welcher jedoch das (Wetter-)Krönchen gefehlt hat. Zu schade, dass wir die schöne Eiswelt nicht geniessen durften! V.a. etwas ärgerlich mit dem Wissen, dass die Woche zuvor einiges besser und die Woche danach sogar brillant war ...
 
Schwierigkeit
Natürlich benötigt man für diese Tour nicht zwingend einen Bergführer. Ohne würde ich die Tour jedoch nur machen, wenn quasi Garantie auf Sicht besteht. Im Nebel ist man chancenlos und hat Null Orientierung. Wie im Bericht erwähnt, hat sich sogar der Bergführer kurz verlaufen und stand dicht an einer Gletscherspalte, trotz GPS …
 
Bemerkungen
Die Besteigungszeiten verschieben sich; ideal sei April/Mai – je nach Saison können die Spalten bereits im Juni zu gross sein und die Bergführer würden dann die Saison vorzeitig beenden.
Fotos von der Besteigung gibt's fast keine aus den geschilderten Gründen. Aber der aktuelle Bericht von frmat sowie (in Kürze) derjenige von pika8x14 zeigt, wie es aussehen kann bei schönem Wetter ...
 
Zeiten (inkl. Pausen):
  • Parkplatz – Gipfel: 6 Std.
  • Gipfel – Parkplatz: 3 ½ Std.

Tourengänger: Linard03


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Kommentare (4)


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Sputnik Pro hat gesagt:
Gesendet am 8. Juni 2016 um 07:00
Hallo Richard,

Hauptsache geschafft - für Markus war es ja schon der dritte Versuch, oder? Gratuliere euch zum höchsten Isländer, besonders trotz den widerlichen Bedingungen.

LG, Andi

Linard03 hat gesagt: RE:
Gesendet am 8. Juni 2016 um 20:41
Hoi Andi,

so ist es; Hauptsache geschafft ... Nein, für Markus war es eigentlich auch der erste Versuch. Zwar hatten er und sein Bruder ursprünglich den Isländer nach der Grönland-Tour geplant; hatten dann jedoch aufgrund des Vorfalles keinen Bock mehr ...

LG, Richard

pika8x14 hat gesagt:
Gesendet am 9. Juni 2016 um 01:02
Hallo Richard,

auch an dieser Stelle nochmals herzliche Gratulation zum Hvannadalshnúkur. Die Sicht war ja leider wirklich bescheiden, trotzdem haben wir einiges wiedererkannt ;-)

Viele Grüße, Andrea + André.

PS: Gute Reise und viel Erfolg für’s Wochenende - das Wetter scheint ja etwas besser zu werden als in Island …

Linard03 hat gesagt: RE:
Gesendet am 9. Juni 2016 um 06:22
Danke Euch!
Schön, habt ihr einiges wiedererkannt ... - ich habe mir auch Mühe gegeben, jedes Mal abzudrücken, wenn die Sonne für ein paar Sekunden durchdrückte ... ;-)

Und ja, glücklicherweise haben sich die Prognosen zumindest für Samstag deutlich verbessert ... :-)

Viele Grüsse, Richard


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