UNESCO-Welterbe in Venezuela - Auf Umwegen nach Canaima


Publiziert von PStraub , 11. März 2016 um 07:42.

Region: Welt » Venezuela
Tour Datum:10 Januar 1985
Wandern Schwierigkeit: T4 - Alpinwandern
Hochtouren Schwierigkeit: ZS
Klettern Schwierigkeit: III (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: YV 
Zeitbedarf: 30 Tage

1985 trampte ich ein gutes halbes Jahr durch Südamerika. Über diese Reise will ich hier unter dem Oberbegriff "UNESCO-Welterbe" ein paar Erinnerungen aufwärmen.

Venezuela leidet unter dem Fluch des (schwarzen) Goldes. 
Wenn Midas an diesem verhungert wäre, hätte er seinen Nachkommen wenigstens ein stattliches Vermögen hinterlassen. 
Ganz anders in Venezuela: Das Land ist nicht nur bankrott, es ist so hoch verschuldet, dass alles, was überhaupt noch produziert wird, ausländischen Gläubigern gehört.
 
Dabei hätte das Land ein unglaubliches Potential. 
Von Traumstränden an der Karibikküste bis zum Hochgebirge, vom tropischen Regenwald über die Llanos bis zu den wahrscheinlich besten Kakao-Anbaugebieten weltweit - hier gibt es alles. Dazu Bodenschätze und Energie bis zum Abwinken.   
Nur eines fehlt dem Land: Ehrliche Politiker, unbestechliche Beamte und genügend Menschen, die arbeiten wollen.
Nirgendwo in Südamerika sind die Leute arroganter und unfreundlicher. Allzu lange wurde jedem vom Staat alles hingesch(m)issen - es wird sehr lange brauchen, bis das "Nehmen ohne zu Geben" aus Köpfen und Herzen verschwunden ist.
 
In fast jedem Ort hat(te) es ein Oficina de turismo, wo sich meist äusserst ansehnliche Frauen die Nägel lackierten oder ähnlichen Tätigkeiten nachgingen. Auf Fragen von touristischem Belang durfte man allerdings keine Antwort erwarten: Die Damen waren von ihrem 'Freund' einfach in einem Staatsjob versorgt worden.
 
Doch was solls, ich hatte eine gute Zeit dort.
 
Gestartet bin ich in Caracas. 
Das hat zwar mit der Universitätsstadt seit 2000 ein UNESCO-Weltkulturerbe. Ansonsten ist es eine Stadt, in welcher einem Europäer eher die ausufernden Elendsquartiere als die leicht verschlissene Pracht des Zentrums auffallen.
 
Von hier fuhr ich per Bus via Maracay (ehemaliger Palast des Diktators Gómez) und weiteren Stationen nach Coro. Das Besondere an Busreisen war: Die Busse wurden auf eisige Temperaturen herunter gekühlt. Man musste unheimlich aufpassen, sich nicht ständig zu erkälten. Übrigens ist Venezuela das einzige Land, wo mir je (gefrorenes!) Bier aus einem Tiefkühler verkauft wurde. 

Einen der Zwischenstops machte ich in Chichiriviche (sp.). Das ist ein Hotspot des Binnentourismus. Die Besucher lassen sich mit einem Boot auf eine der vorgelagerten Inseln fahren. Auf diesen gibts Essen, Alkohol und Musik, teils live, teils ab Konserve.
Und die Leute tanzen bis zum Umfallen. Ein Europäer, der für seine Firma verzweifelt gute Leute suchte, hatte mir schon früher gesagt: "Tanzen, das ist das einzige, was sie wirklich können." Wie auch immer, das können und tun sie mit Inbrunst.
 
Coro ist seit 1993 ein UNESCO-Weltkulturerbe, allerdings auf "Bewährung".
Verglichen mit den Kolonialstädten in Mittelamerika oder in den südlicheren Andenländern kann man es vergessen. Coro ist brutal heiss, etwas ausserhalb der Stadt hat es im Médanos-Nationalpark Wanderdünen.
 
Dann ging es an den Erdöl-Feldern am Maracaibosee entlang hinauf nach Michelena. Dort wohnte ich einige Zeit bei der Familie eines Cousins und machte von da aus den Trip nach Mérida und den Pico Bolívar.
Später fuhren wir nach Guasdualito. Venezolaner kannten Guasdualito ebenso wie San Antonio del Táchira nur aus einem Grund: Hier blühte der Schmuggel mit Kolumbien. Der Grenzübergang in San Antonio ist eine Brücke, von dort aus konnte man die Schmuggler sehen, die sich wie auf Ameisenstrassen quer durch den Bach in beide Richtungen bewegten. Unbehelligt von den Grenzern. Auf deren Augen man halt gelegentlich ein paar Dollarscheine legen musste ..
 
Für mich jedoch war Guasdualito der Beginn der Llanos. Von hier aus flog ich mit der Aeropostal im Tiefflug und mit diversen Zwischenstops nach Ciudad Bolívar. Das war fantastisch, Sightseeing für ein Trinkgeld.
Ciudad Bolívar, das frühere Angostura, ist seit 2003 ein nominiertes Welterbe. 
 
Eine gute Stunde weiter den Orinoco hinab liegt Puerto Ordaz/Ciudad Guayana. Bis hier können Hochseefrachter den Strom hinauf, darum hat(te) die Stadt einen bedeutenden Hafen.
 
Von hier aus gings mit einem Colectivo der schäbigst möglichen Art nach Tucupita. Ich musste kräftig drauflegen, damit die Fahrt überhaupt zustande kam - was den Fahrer nicht daran hinderte, seinen 50er-Jahre-US-Schlitten dann doch noch vollzupacken. Tucupita, die "Hauptstadt" des Bundesstaates Delta Amacuro, ist ein fürcherliches Kaff. Interessant daran ist nur die Möglichkeit, von hier aus mit motorisierten Einbäumen durchs Orinoco-Delta zu tuckern. Das Delta ist ein Irrgarten aus Kanälen und mangrovenbewachsenen Inselchen voller Vögel in allen Farben und Formen.
 
Zurück in Puerto Ordaz mietete ich ein Auto und fuhr zur Tagebau-Eisenerzmine Cerro Bolívar (engl.). Das Erz soll mit einem Eisengehalt von rund 65 % das beste weltweit sein.
Typisch Venezuela, wäre man versucht zu sagen: 1997 wurde der Abbau eingestellt, kurz darauf gingen die Preise durch die Decke. Jetzt, auf einem Allzeittief, sollen sie die Produktion wieder aufgenommen haben.
 
Auf dem Rückweg besuchte ich die Baustelle des Guri-Staudamms. Die Krane waren für Lasten bis 150 t ausgelegt, das erinnert an die Massstäbe unseres Muttseewerks.
 
Offiziell hätte an beiden Orten Betretensverbot geherrscht. Doch mit freundlichem Fragen vor Ort ging das locker, am Guri gabs für den Schweizer sogar eine private Führung.
Die vier Kraftwerke am Caroní haben zusammen eine Leistung von rund 15'000 MW. Bei einem halbwegs vernünftigen Einsatz von Energie würde das für das ganze Land reichen. Obwohl etwa die Hälfte des anfallenden Wassers über Hochwasserentlaster schiesst! 
 
Nach Canaima bin ich geflogen. Das ging damals gar nicht anders, eine Strasse gabs nicht.
Canaima ist ein Nationalpark und seit 1994 ein UNESCO-Weltnaturerbe.
Es ist wirklich traumhaft schön. Wie ein gigantischer Pool, in den sich von mehreren Seiten Wasserfälle ergiessen. Das Wasser ist angenehm warm und herrlich zum Schwimmen. Davon hatten die andern allerdings nicht viel: Die meisten Einheimischen können nicht schwimmen. 
 
Von hier aus machte ich den obligaten Bootstrip auf dem Río Carrao, bei welchem man einige Stromschnellen umgehen muss. Der Flug zum recht nahen Salto Ángel war, abgesehen von der Umgebung mit den Tepuis (Tafelbergen), eher enttäuschend. Beeindruckend sind Wasserfälle nur in der Regenzeit.
 
 

Tourengänger: PStraub


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