Alallinhorn über Hohlaubgrat


Publiziert von schimi , 6. August 2015 um 22:30.

Region: Welt » Schweiz » Wallis » Mittelwallis
Tour Datum: 3 Juli 2015
Hochtouren Schwierigkeit: WS+
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-VS 

Eine sehr warme und kurze Nacht liegt hinter uns. Es ist zwei Uhr, als in unserem Zimmer das Licht angeht; der Plan für heute ist eigentlich das Strahlhorn. Beim Frühstück erzählt uns Reinhard unser Bergführer, dass er diese Tour mit uns heute nicht machen möchte (zu warm, sehr lang, zu weicher Gletscher). Er hätte eine interessante Alternative für uns; gleich noch einmal auf das Alallinhorn (wie gestern) allerdings über den Hohlaubgrat, der kurzweilig und interessant sei.

Von unserer Sechsergruppe blieben fünf übrig, einer hatte sich wegen nasser Schuhe bereits für den heutigen Tag abgemeldet. Gesagt getan; kurz vor drei stehen wir vor der Hütte und starren in die warme Nacht, bis alle ihre Dinge in Ordnung haben und es losgehen kann.

Von der Hütte führt und der Weg zunächst am Leckstein der Steinböcke vorbei über Gestein und Geröll nach unten. Den Gletscher erreichen wir knapp 100 Höhenmeter tiefer. Zunächst ohne Seil gehen wir auf dem nur schwach geneigten Gletscher langsam in Richtung Alallinhorn. Nur wenig Schnee liegt auf dem Gletscher und es streicht ein kühler Wind von oben über den Gletscher. Noch haben wir alle die Stirnlampen an und es ist wegen des wenigen Schnees auf dem Gletscher angenehm leicht zu gehen. Die Neigung ist minimal, so können wir unserem Körper die Zeit geben auf Betriebstemperatur zu kommen, die sich so kurz nach Drei in der Frühe nicht so leicht einstellen möchte.

Bald schon machen wir einer nach dem anderen die Stirnlampen aus, der Mond erleuchtet den Gletscher so ausreichend, dass man sich gut zurechtfinden kann. Wir steigen bedächtig den Gletscher nach oben, beobachten unsere Tritte und den langsam hinter dem Alallinhorn untergehenden Mond. Auf etwa 3150 Metern Höhe wird der Schnee mehr und die Tritte werden weicher, wir spüren auch, dass hier eine spaltenreichere Region beginnt.

Wir seilen an, und gehen weiter den wenig steiler werdenden Gletscher hinauf. Wir steigen nicht schon in Richtung Punkt 3337m auf den Grat, sondern umgehen noch die westlich und höher liegenden Felsnasen um dort in den steiler werdenden Gletscher zu begehen. Wir halten zunächst auf den Punkt 3544m zu, biegen dann aber rechts weg und machen auf dem fast ebenen Plateau eine Trinkpause.

Weiter in Richtung Gipfel geht es nun immer näher am Grat, der hier so rund ist, dass man ihn noch nicht realisiert. Erst jetzt bricht der Tag so richtig an, wir sehen die Sonne am Horizont hochsteigen. Auch erst nach dem nächsten rundlichen Gletscheraufschwung erhalten wir den freien Blick über den Grat hinüber nach Süden, wo das Strahlhorn unser eigentliches Tagesziel den Tag begrüßt.

Auf etwa 3800 Metern Höhe wird der Grat sehr flach und die vorhandene Spur steuert knapp neben einer breiten offen Kluft von etwa 50 Metern Länge entlang. Wir gehen sehr vorsichtig, denn der Schnee ist sehr weich und wir sinken oft bis zu den Knien ein; kein gutes Gefühl neben solchen Spalten! Unser Bergführer Reinhard tastet sich vorsichtig weiter und verlässt auch des Öfteren die Spur vor uns.

Auf einmal macht es Plumps und ich stecke bis zur Brust in einer Spalte! Meine Beine lassen sich frei bewegen und ich habe Schwierigkeiten mit den Steigeisen festes Eis zu ertasten. Meine Seilpartner haben aber gut aufgepasst und helfen mir gleich mal die ersten 20 cm nach oben. Jetzt spüre ich aber auch schon das harte Eis vor meiner Brust und die Enge der Spalte an der Gletscheroberfläche.

Als die Mannschaft weiter zieht, protestiere ich gleich, weil die Spalte viel zu eng ist, um im rechten Winkel zur Oberfläche herausgezogen zu werden. Ich ramme meinen Pickel in die weiche Gletscheroberfläche und kann mit einem Steigeisen etwas festes Eis ertasten. Mit meinem Pickel und leichtem Zug meiner Helfer am Seil komme ich langsam auf dem engen Loch heraus.

In der Tat ging der Sturz in die Spalte so schnell, dass ich nicht einmal erschrocken bin. Erst als ich draußen war, wird mir etwas komisch, und ich mache mich etwas unsicher aber doch schnellstmöglich wieder auf, um in steile Regionen zu kommen.

Das geht dann hier sehr schnell, denn der vergletscherte Grat kennt danach nur noch eine Richtung. Er wird steiler und steiler und die Spur nähert sich immer mehr dem höchsten Punkt des Grates. Ziemlich nah am Gipfel schon versperrt ein Felsriegel das weitere Aufsteigen über Gletschertritte. Unser Reinhard parkt die gesamte Gruppe 50 Meter vor dem Felsriegel und erkundet die weitere Aufstiegsroute.

Er nimmt sich viel Zeit, trägt er doch mit seinen fünf anvertrauten Schäflein eine gewaltige Verantwortung in diesem steilen Gelände. Er entscheidet jeweils ein Stück vorzusteigen und die Fünferbande dann gesammelt mit sehr kurzen Seilabständen gesichert nachklettern zu lassen. Wir seilen um, so dass wir nur noch gut zwei Meter voneinander getrennt sind und steigen das bisher steilste Stück Gletscher hoch bis zum Einstiegspunkt.

Die Aussicht nach unten ist atemberaubend. Noch nie bin ich in so einem steilen Gletscher gestanden. Ich genieße die Sicht nach unten und bin begeistert vom Tiefblick, der ca. 500 Höhenmeter bis zu dem Punkt reicht, wo der Gletscher wieder deutlich an Steigung verliert.

Alle Vorbereitungen sind getroffen, Reinhard ist die ersten Meter vorgeklettert und fordert uns nun zum Nachklettern auf. Eigentlich nicht schwer, es ist wohl so der zweite Schwierigkeitsgrad, aber der Fels ist nicht besonders fest; es bröselt hier und da und auch große Steine sind teilweise locker.

Wir kommen einigermaßen gut voran. Das Problem ist nun nicht, dass wir einen Grobmotoriker in der Gruppe hätten, alle steigen recht gewandt. Einziges Risiko scheint mit den Steigeisen auf die Finger des Nachfolgenden zu treten wenn dieser zu schnell klettert, oder die Finger zu schnell hochzusetzen und vom Vordermann getreten zu werden.

Der Vorteil aber ist eine sehr kompakte Seilschaft an einem kurzen Seilstück. Nach meinem gesunden Menschenverstand und dem Empfinden der anderen, war das wohl auch die perfekte Lösung für unsere Seilschaft in dieser Situation. Das einzelne Hochsichern von fünf Personen hätte sicher eine gefühlte Ewigkeit gedauert.

Der Ausstieg aus dem Fels war dann zum guten Ende sehr steil, da der Schnee dort üppig anzutreffen war. Zwei sehr steile Meter noch, aber dann war der Gipfel sichtbar es wurde merklich flacher. Die letzten 20 Meter erledigten wir mit einem Hauch von Erleichterung, fast schon Euphorie. Das Gipfelkreuz ersparten wir uns heute, der Andrang auf dem Normalweg hatte auch schon eingesetzt und wir waren schließlich schon gestern an diesem schönen Punkt.

Wir machten unsere Pause am anderen Ende des Gipfelgrats und waren hochgradig zufrieden mit der Auswahl des heutigen Tourenziels. Hinunter ging es auf dem Normalweg, den wir ja schon am Vortag gegangen waren. Die Zeit des Abstiegs verging wie im Flug, was man vom Aufstieg nicht gerade behaupten konnte. Wir benötigten deutlich mehr Zeit als in den Führern steht. Aber wir waren ja allesamt keine selbständigen Bergsteiger, sondern hingen am Seil eines wirklich außergewöhnlichen Bergführers!

Danke Reinhard, das war ein Geniestreich!

Tourengänger: schimi


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